Oberhausen. Das Oberhausener Amtsgericht beklagt Personalmangel: Es fehlt an Richtern und weiteren Justizbeamten. Zwei Klagewellen erhöhen die Belastung.
Das Personal am Oberhausener Amtsgericht ist knapp bemessen, Stellen bleiben unbesetzt. Die zugespitzte Lage setzt die örtliche Justiz stark unter Druck, zumal zwei Klagewellen eine hohe Belastung mit sich bringen.
Rund ein Drittel der Richter in Oberhausen ausgewechselt
Wenn in einem Unternehmen rund ein Drittel der Belegschaft wechselt, dann stellt das den Betrieb vor hohe Herausforderungen. Eine solche Entwicklung zog Gerichtssprecher Thomas Hubert beim Jahresgespräch der Justizbehörde als Vergleich für den Umbruch heran, den derzeit sein Haus erlebt. Von den 24 Richterinnen und Richtern haben sich acht verabschiedet, wenn zum Teil auch nur vorübergehend. Sie sind entweder in den Ruhestand gegangen, haben eine neue Stelle angetreten oder Elternzeit oder ein Sabbatjahr begonnen.
Dadurch sei angesichts einer ohnehin dünnen Personaldecke für die verbliebenen Richter die Belastung ganz erheblich gestiegen, um rund 20 Prozent, rechnet Hubert vor. Trotzdem setzt das Gericht alles daran, die Verfahren zügig abzuwickeln. Ganz allmählich zeichnet sich inzwischen Licht am Ende des Tunnels ab: Nach und nach werden die Stellen wieder besetzt, sodass mit dem beginnenden nächsten Jahr der Engpass durchaus ein Ende finden sollte.
Mehrere Stellen in der Geschäftsstelle des Oberhausener Amtsgerichts unbesetzt
Mit Entlastung ist hingegen in der Geschäftsstelle des Amtsgerichts wohl kaum zu rechnen. Rund 50 Beschäftigte sind hier im Einsatz, damit die Verfahren möglichst reibungslos ablaufen können. Postversand, Einbestellen von Zeugen, Schriftverkehr, Protokolle und Aktenverwaltung sind einige Beispiele für die umfangreichen Aufgaben. Doch in der so wichtigen Zentrale sind gleich mehrere Stellen vakant und es hat derzeit auch nicht den Anschein, als sollte sich die Lücke alsbald schließen.
Dabei bilden die Justiz in Oberhausen wie auch andere Gerichte regelmäßig junge Menschen zu Justizfachangestellten aus, um als Beamte im mittleren Dienst beispielsweise in einer solchen Geschäftsstelle tätig sein zu können. Doch der große Bedarf lässt sich am Ende nicht decken, erläuterte Christian Happe, Direktor des Amtsgerichts. Der Arbeitskräftemangel ist auch im Justizwesen angekommen.
Der Dieselskandal hinterlässt auch in Oberhausen seine Spuren
Derweil geht die Schere immer weiter auseinander: Während auf der einen Seite es an Mitarbeitern mangelt, hat es das Gericht andererseits mit Verfahren zu tun, die immer umfangreicher werden. Allen voran sind da Klagen im Nachklapp zum Dieselskandal zu nennen. Auch wenn schon Jahre vergangen sind, seit Autohersteller Software einbauen ließen, die Abgasmessungen manipulierten, legen immer noch betroffene Käufer Rechtsmittel ein.
Da angesichts der inzwischen älter gewordenen Fahrzeuge der Streitwert sinkt, „sind jetzt häufig die Amtsgerichte zuständig“, erläuterte Happe. Die Behörde kommt bei Beträgen von 5000 Euro und darunter ins Spiel. Allerdings bringen diese Verfahren ein aufwändiges Aktenstudium mit. Umfassen sonst die Unterlagen beispielsweise um die 200 Seiten, können es jetzt auch durchaus 1000 Seiten für einen einzigen Fall sein. Aus diversen Gründen ist es nicht machbar, dass ein Richter alle Verfahren übernimmt, damit die anderen den Rücken freihaben. Somit sind alle vier mit den Klagen befasst.
Nach Hackerattacken verklagen Oberhausener Kunden die geschädigten Firmen
Ferner häufen sich Datenschutz-Verfahren. Ein typischer Fall, der dann vor Gericht landet: Hacker sind an den Datenschatz eines Dienstleisters, beispielsweise eines Streamingdienstes, geraten und verfügen nun vermutlich über Tausende von Adressen, Konto- und Handynummern. Ein Kunde hat den Eindruck gewonnen, dass er seither andauernd unerwünschte Mails und Anrufe erhält. Vor dem Gericht geht es nun darum, die Sachlage zu klären und vor allem über die Frage zu befinden, ob das Unternehmen die Daten ausreichend geschützt hat. „Der Ausgang der Verfahren ist höchst unterschiedlich“, sagt Happe. Doch eines haben sie in der Regel gemeinsam: Sie ziehen sich hin, sind aufwändig und arbeitsreich, vor allem auch, wenn große Kanzleien die Unternehmen vertreten.
Noch mehr Arbeit könnte auf das Amtsgericht zukommen, wenn im übernächsten Jahr die Behörde auch für Verfahren mit einem Streitwert bis 8000 Euro zuständig ist. Da hofft man nicht nur in Oberhausen, dass das Land am Stellenschlüssel dreht.
Verhandlungen mit Videoeinsatz gehören in Oberhausen längst zum Gerichtsalltag
Technisch wiederum hat das Gericht bereits selbst für Wandel gesorgt. Die elektronische Akte wird ab dem Frühjahr zum Standard in fast allen Bereichen der Justizbehörde. Verfahren werden dann komplett digital erfasst und abgewickelt. Die vorhandenen schriftlichen Akten bleiben vorhanden, es ist nicht vorgesehen, wie das manche Behörden oder Einrichtungen machen, den gesamten Bestand zu scannen.
Darüber hinaus wächst die Zahl der Verhandlungen, in denen Anwälte, Zeugen oder Sachverständige per Video zugeschaltet werden. „Gerade im Falle langer Anreisen bietet sich diese Alternative an“, so Hubert. Von der Handhabe sind allerdings Strafverfahren ausgeschlossen, dafür ist der Videoeinsatz in Zivilangelegenheiten oder beim Familienverfahren alltäglich. Während der Pandemie haben Gerichte entsprechendes Equipment erhalten, so auch Oberhausen. Das Amtsgericht hat drei Videoanlagen, die es flexibel in den neun Sälen verwenden kann. Eines ist indes noch verboten: Nur rein virtuell kann eine Verhandlung nicht ablaufen, mindestens der Richter muss vor Ort im Gerichtssaal sein.
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