Oberhausen. Ein bizarrer Fall vor dem Amtsgericht in Oberhausen: Ein Mann soll gegenüber einem Kind übergriffig gewesen sein. Was sich dann herausstellte.
Während der gesamten Verhandlung am Amtsgericht Oberhausen blieb der 33-jährige Angeklagte ganz dicht an der Seite seiner Anwältin - und schwieg weitestgehend. Dass er sich so wortkarg gab, kam bei dem Schöffengericht nicht besonders gut an. Denn es hätte gern von ihm selbst gewusst, was er zum Vorwurf des sexuellen Übergriffes auf ein zehnjähriges Mädchen sagt.
Dass es dieses Mädchen als real existierende Person wohl gar nicht gibt, stellte sich während der Verhandlung heraus. Doch zunächst zur Anklage und zum Prozessverlauf: Der Oberhausener soll das Kind in einem Chat über die Plattform Knuddels aufgefordert haben, ihm ein Nacktbild zu schicken. Im weiteren Verlauf sollte sie dann sexuelle Handlungen an sich vornehmen, beispielsweise mit ihren Brustwarzen spielen, eine Bürste einführen. Während des Kontakts habe er sich befriedigt und anschließend Bilder an das Kind geschickt.
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Die Sichtweise des Beschuldigten erläuterte seine Verteidigerin. Demnach hat der Mandant gemeint, er unterhalte sich mit der Mutter der Tochter und eben nicht mit der Minderjährigen. Um nachvollziehen zu können, was sich da an einem Sonntagmorgen des Jahres 2022 abgespielt hat, las Richterin Alina Hahn den mehrseitigen Chatverlauf im Einzelnen vor.
Am Tag zuvor hatte sich der Mann laut dem Protokoll mit einer Frau unterhalten, die ihr Alter mit 30 Jahren und als Wohnort Berlin angab. Eindeutig zweideutige Anmerkungen bestimmten das Frage-und-Antwort-Spiel, bis es mit seinen Anzüglichkeiten im Laufe des Abends dann doch ein Ende nahm.
Mädchen schickte Foto
Am nächsten Morgen meinte der Angeklagte, als er sich in den Chat einloggte, er habe es noch immer mit der erwachsenen Frau und nicht mit der Tochter zu tun. Dabei hatte er aber schon Sätze zu lesen bekommen, die laut Gericht auf ein Kind schließen ließen. Auf die Frage, ob es Bilder von sich habe, erfolgte die Reaktion, dass sie die sowohl von ihrer Mutter als auch von sich selbst habe. Aber zeigen dürfe sie diese nicht, weil sie nackt abgebildet seien.
Das Mädchen schickte schließlich ein Porträtfoto, auf dem man sie sehen könne, wie das Kind vorgab. Ob der nicht spätestens da bemerkt habe, es mit einer Minderjährigen zu tun zu haben, fragte die Richterin. Es folgten einige der wenigen Worte des Angeklagten. Er könne sich einfach nicht mehr an das Foto erinnern. An dem Sonntagmorgen begannen nach Überzeugung des Gerichts die sexuellen Übergriffe kurz nachdem das Porträt vorlag.
Wie die Polizei dem Angeklagten auf die Schliche kam
Die Version des Beschuldigten bewertete das Gericht als reine Schutzbehauptung. Dass er gemeint haben könne, es handele sich um eine erwachsene Person, mit der er chatte, sei kaum glaubwürdig. Der Verlauf beinhalte eindeutige Anzeichen, dass der Angeklagte es mit einem Kind zu tun hatte. Das Gericht folgte der Forderung der Staatsanwaltschaft und verhängte eine Haftstrafe auf Bewährung von einem Jahr und vier Monaten. Das Bußgeld von 2500 Euro muss der junge Mann an den Oberhausener Kinderschutzbund zahlen.
In die Fänge der Justiz geriet der Angeklagte wohl durch einen Fahndungserfolg der Polizei, der aber zunächst nicht ihm galt. Die Kripo war in ihren Ermittlungen auf einen Mann gestoßen, dem mehrere Straftaten zur Last gelegt werden. Jetzt wird es kompliziert: Dieser Mann hatte sich nach jetzigem Kenntnisstand als eben jene Mutter und Tochter ausgegeben, mit der der jetzt verurteilte Oberhausener gechattet hatte. Mutter und Tochter existieren also nicht. Welche Fotos der Fremde genutzt hat, ist unklar.
Bei den Durchsuchungen fanden die Beamten die Chatprotokolle mit dem Angeklagten. Der andere Mann hatte überdies vor einiger Zeit selbst Besuch von Beamten bekommen, die bei ihm mehrere USB-Sticks und Speicherplatten beschlagnahmt haben. In der Verhandlung blieb offen, ob deshalb noch ein weiteres Verfahren anhängig ist.