Oberhausen. Punk-Festivals werden immer seltener. Seit zehn Jahren hält der „Punkabend“ im Druckluft Oberhausen dagegen. Warum das Mini-Konzept funktioniert.

Ein bisschen Zigaretten-Qualm zieht am Druckluft durch die offene Eingangstür. Das zischende Geräusch von Flaschenöffnern duelliert sich mit dem dröhnenden, scharfkantigen Bass, der durch die geschlossene Stahltür dringt - und beim Wechselspiel der ein- und austretenden Fans an Bedeutung gewinnt.

Es ist Punkabend im soziokulturellen Zentrum zwischen Hauptbahnhof und Bero-Zentrum. Eigentlich hätten sie sich in den Frack zwängen müssen, schließlich haben sie am Samstag, wie schon einen Tag zuvor, viel zu feiern. Es ist weniger die noch überschaubare Jahreszahl, sondern die bislang erfolgreiche Mission: Seit zehn Jahren hat sich die kleine, aber feine Konzertreihe im vom Musik-Mainstream überschwemmten Oberhausen einen Platz erkämpft.

Seit zehn Jahren werkeln sie für feine Konzerte mit Punk und Punkrock: Anja Strack, Christian Kemper, Jörg Pusch, Stefanie Wehling und Christian Tessmer organisierten auch das zweitägige Mini-Festival des Punkabends im Druckluft.
Seit zehn Jahren werkeln sie für feine Konzerte mit Punk und Punkrock: Anja Strack, Christian Kemper, Jörg Pusch, Stefanie Wehling und Christian Tessmer organisierten auch das zweitägige Mini-Festival des Punkabends im Druckluft. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Die Antwort auf die Frage „Wieso die ganze Beschallung?“ hat sich Christian Kemper sozusagen auf sein T-Shirt geschrieben. Zusammen mit Jörg Pusch fasste er anno 2014 den Beschluss, kollektives Kopfschütteln gegen etwas Handfestes einzutauschen. „Mach ma wat“ wurde nicht nur zum neunmalklugen Spruch, sondern zum (an-)packenden Namen eines Konzertgrüppchens, das dem angeknockten Genre zurück auf die Bühnen helfen wollte.

„Es gab irgendwann immer weniger Konzerte in der Region. Immer weniger Schuppen, in denen Bands eine Bühne gefunden haben“, sagt Christian Kemper, der neben dem Kassentisch steht, eintrudelnden Besuchenden zunickt und kräftig Hände schüttelt. „Ja, keine Frage. Es sind schon ziemlich viele Stammgäste zusammengekommen.“

Punkabend in Oberhausen: Vom Hardcore- bis Trinkhallen-Punk - alles dabei

Auch jetzt, wo der Konzert-Abend einmalig zu einem Festival mutiert, sind etliche bekannte Fan-Gesichter dabei, die auch mal von weiter her anreisen. „Gleich kommt noch jemand aus Berlin!“ Obwohl es am frühen Nachmittag noch übersichtlich ist: Einige hundert Punk-Puristen sollen es bis zum späten Abend schon werden.

Ein wenig müssen die Macher, die sich wohl am besten im mittleren Alter einsortieren lassen, schon an eigene Anfänge denken, wenn Väter mit ihren jugendlichen Söhnen zur Kasse treten. „Irgendwie hat es in dem Alter bei vielen doch auch angefangen, als es noch deutlich mehr Punkrock-Auswahl gab.“ Wenn man nach dem rarer gewordenen Nachwuchs fragt, stellt sich allerdings eine gewisse Ratlosigkeit ein. „Viele Fans sind einfach mit dem Genre gealtert.“ Aber man hört auch: Manche verbliebenen Großfestivals sind für Fans richtig teuer geworden.

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Was mit der Punkbewegung in den 1970er-Jahren, vor allem in London und New York, musikalisch gärte, ist längst in eine breite Auswahl von Subgenres aufgesplittert. Die Rotzigkeit ist häufig geblieben. „Oi!-Punk, 77er-Punk, Fun-Punk, Deutsch-Punk bis Hardcore-Punk - da war bei uns schon alles dabei“, sagt Christian Kemper, der etwas näher heranrückt, weil gerade „Die Krauses“ aus Duisburg nebenan mächtig aufdrehen. Diese Gruppe fühlt sich wiederum dem Trinkhallen-Punk verbunden, was sich in Gute-Laune-Party-Punk-Musik übersetzen lässt.

70 Konzerte brachte der „Punkabend“ bislang auf die Oberhausener Bühne. Viele der 150 Bands ließen die Fans munter pogen. An den ersten Aufschlag erinnern sich Kemper und Pusch noch genau - als die kleine Konzert-Reihe Risiko und Abenteuer zugleich war. „Damals traten Die Wut aus Gelsenkirchen und Paranoya aus Hamm auf. Es harmonierte auf Anhieb. Danach war uns klar: Wir machen weiter.“

Punkabend in Oberhausen: Eintrittsgelder werden auf die Bands aufgeteilt

Wieder knarzt die schwere Stahltür. „Umbaupause - ist super bisher“, schwappt ein erstes Fan-Fazit in den Flur. Eigentlich wollten sie heute ein Open-Air abfeiern. Jörg Pusch: „Die Wetteraussichten waren einfach zu unsicher, darum sind wir ins Druckluft umgezogen.“ Kein Problem, die Stimmung geht zwischen Graffiti-Wänden nicht flöten.

Als klassische Veranstalter sieht sich das Konzertgrüppchen übrigens nicht. „Wir verdienen mit den Konzerten kein Geld. Die Bands erhalten vorab keine feste Gage. Die Einnahmen werden auf alle Bands aufgeteilt.“ Da spiele es keine Rolle, ob eine Schüler-Gruppe kommt oder eine bekanntere Genre-Band aus Argentinien. „Wir wollen einfach die Konzert-Szene beleben und den Veranstaltungskalender erweitern.“

Mehr als zehn Bands standen am Wochenende beim Punkabend-Festival auf der Druckluft-Bühne. Wegen der unsicheren Wetteraussichten mussten die Macher die Open-Air-Sause ins Innere verlegen.
Mehr als zehn Bands standen am Wochenende beim Punkabend-Festival auf der Druckluft-Bühne. Wegen der unsicheren Wetteraussichten mussten die Macher die Open-Air-Sause ins Innere verlegen. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Wer spielt, ist natürlich Geschmacksache. Diesmal stehen regionale Gruppen wie „Die Grabowskis“ aus Hagen, „Kreftich“ aus Dinslaken oder „De Ramönsche“ aus Köln auf dem Festival-Zettel. Wie stehen die Punkabend-Macher zu Stars und bekannteren Namen? „Manchmal kommen Anfragen von Bookern, das stimmt. Aber wir ändern unsere Finanzierung nicht.“ Der „Punkabend“ bleibt ein Kleinod, der dem ursprünglichen Punk und Punkrock eine Heimat bieten soll. Am regulären Eintrittspreis von 6 Euro wollen sie nicht rütteln. Nur beim Festival kostet es etwas mehr. Ohne Herzblut klappt das nicht.

Apropos, wie halten es die Puristen mit Genre-Ikonen wie den „Toten Hosen“, die mittlerweile im Populären musizieren? Kemper: „Jeder hat das Recht, sich mit der Zeit professioneller aufzustellen. Man muss sich dann nur die Frage stellen: Sind es Arschlöcher geworden oder sind sie sich treu geblieben? Ich denke, die Toten Hosen sind sich trotz allem treu geblieben. Mit den Toten Hosen hat für viele Fans alles angefangen. Das darf man nicht vergessen!“

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