Mülheim. Mehr Unterrichtsausfälle als im Landesschnitt: Zahlen aus dem NRW-Schulministerium zeigen, wie die Lage an Mülheimer Schulen ist. Lehrer sind am Limit.
An einigen Mülheimer Schulen wurde im zurückliegenden Schuljahr 2023/24 rund jede zehnte Schulstunde ersatzlos gestrichen. Damit liegen diese, aber auch andere Einrichtungen deutlich über dem Landes-Durchschnitt von 4,8 Prozent ausgefallenem Unterricht über alle Schulformen hinweg. Das besagt eine neue Statistik des NRW-Schulministeriums, die auf Daten fast aller Schulen beruht. Auch Einrichtungen, die laut dem Mülheimer Schulsozialindex besondere soziale Herausforderungen zu stemmen haben, finden sich unter den Negativ-Spitzenreitern.
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So die Pestalozzi-Schule in Broich, die mit der Indexstufe „8“ zu den stadtweit am höchsten belasteten Grundschulen zählt. Laut der neuen Statistik fiel dort zwischen Sommer 2023 und Sommer 2024 insgesamt 9,9 Prozent des Unterrichts aus – und das, obwohl es heißt, dass Schulen mit hoher Indexstufe durch mehr Lehrkräfte unterstützt werden. Zur Erläuterung: Je nach der Zahl der Klassen und Schulgröße können rund zehn Prozent mehrere hundert Stunden im Monat an nur einer Schule ausmachen.
Schulleiterin Julia Friedrichs findet das Ergebnis vor allem „schade für die Kinder – denen fehlt der Unterricht“. Betrachtet man übrigens allein die nordrhein-westfälischen Grundschulen, liegt der Schnitt sogar lediglich bei 3 Prozent ersatzlosem Ausfall.
Mülheimer Schulleiterin: „Unsere Schule ist unterbesetzt, wie so viele andere Schulen auch“
Die Situation ist frustrierend, „ich wünsche mir das wirklich anders“, so Friedrichs. Doch ihre Schule sei „mit mehr als einer Stelle unterbesetzt – wie viele andere Schulen auch“. Im Kollegium gebe es „viele Langzeiterkrankte“, und auch Vertretungskräfte würden hin und wieder ausfallen, „und dann nicht direkt ersetzt“. Da viele Lehrkräfte kleine Kinder hätten und diese häufiger erkranken, gebe es auch Fehlzeiten aufgrund von Kinderkrankenscheinen.
Zudem fehlten in der OGS zwischenzeitlich Kräfte, und so konnten diese Kollegen – anders als früher – ebenfalls keine Ausfälle auffangen. „Deutsch und Mathematik streichen wir aber nie“, betont Friedrichs, „eher Sport oder Musik.“ Man habe im Übrigen „ganz ehrlich Buch geführt“ über alle ersatzlos gestrichenen Einheiten, sagt die Schulchefin.
Nicht alle Daten der Schulen wurden inhaltlich überprüft
Um die Statistik erstellen zu können, waren die Schulen aufgefordert, wöchentlich zu berichten. Diese regelmäßigen Meldungen beschränkten sich auf einige wichtige Zahlen, die jede Schule selbst eingeben musste und die laut Ministerium nicht näher überprüft wurden. Über einen Zeitraum von zwei Wochen gab es zudem eine Erhebung detaillierterer Daten.
Per Zufallsprinzip, so heißt es auf der Homepage der Schulministerin Dorothee Feller, habe man festgelegt, welche Schulen wann dran sind und diese Information erst sehr kurzfristig übermittelt. Nur für diesen tiefergehenden Teil der Untersuchung gab es eine inhaltliche Plausibilitätsprüfung durch Schulaufsicht und Ministerium.
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Bei den weiterführenden Schulen fallen in der Statistik besonders zwei Mülheimer Gesamtschulen und ein Gymnasium auf: An der Willy-Brandt-Schule in Styrum, für die der Index ebenfalls eine „8“ ausweist, sind 10,8 Prozent des Unterrichts in der Sekundarstufe 1 ausgefallen, also bei den Fünft- bis Zehntklässlern. Laut Mathias Kocks, stellvertretender Schulleiter, haben zwei besondere Ereignisse wesentlich dazu beigetragen: „Vier Tage Unterricht mussten für die gesamte Schule ausfallen, weil die Heizung ausgefallen ist und zwei weitere Tage, weil eingebrochen wurde.“ Er weist darauf hin, dass die Gesamtschulen NRW-weit insgesamt sowieso schlechter dastehen: Dort seien im Schnitt 7,8 Prozent des Unterrichts in Sekundarstufe 1 ausgefallen.
Mülheims größte Schule spielt mit offenen Karten: „Man soll ja mitbekommen, dass es brennt“
Mülheims größte Schule, die Gustav-Heinemann-Schule in Dümpten, meldete einen Ausfall von 9,8 Prozent in der Sekundarstufe 1. Schulchef Thomas Ratz betont, dass man „mit offenen Karten“ spiele, ein realistisches Bild vom Alltag wiedergebe. „Man soll ja mitbekommen, dass es brennt“, nur so könne sich etwas ändern.
Zum Beispiel beim Thema Lehrermangel. Man versuche, mit Weitsicht zu planen und ein Kollege sitze täglich zwei Stunden am Vertretungsplan. Aber in Krankheitsfällen, bei Elternzeiten oder dem Wegfall von Referendaren, die voll eingesetzt waren, werde es leider oft schwierig. „Wir versuchen jeden Tag, das Bestmögliche, können aber nicht alles auffangen. Die Lehrkräfte arbeiten schon jetzt oft am Limit.“
Schaut man allein auf die Sekundarstufe 1 der Gymnasien, fielen dort im Schnitt 5,2 Prozent des Unterrichts aus. Die Karl-Ziegler-Schule in Stadtmitte führt mit einem Wert von 10,4 die Negativ-Statistik der hiesigen Gymnasien an. Schulleiterin Ute Gibbels erklärt dies unter anderem mit „überdurchschnittlich vielen Krankheitsfällen“. Ihr Kollegium habe dennoch sehr motiviert weitergearbeitet, „und extrem viel aufgefangen“, lobt die Chefin des Ganztagsschule.
Laut Ministerium sind „über 7400 Menschen mehr“ an den Schulen NRWs tätig als noch vor zwei Jahren
Schulministerin Feller, die Mülheim im Sommer besucht hatte, um die preisgekrönte Grundschule am Dichterviertel kennenzulernen, ist froh über das nun vorliegende „umfassende Bild des Unterrichtsgeschehens“. Die Ergebnisse seien Ansporn und Herausforderung zugleich. Man werde die Schulen weiter begleiten, verspricht sie im Netz, und verweist darauf, dass landesweit „über 7400 Menschen mehr an den Schulen tätig sind als noch vor zwei Jahren“.
Laut Ministerium wurden übrigens auch Ereignisse, auf die die Schulen keinerlei Einfluss haben, als Unterrichtsausfall gezählt: so ein zusätzlicher pädagogischer Tag, die Einschulung, Zeugnisausgaben... Vor allem im Herbst und Winter 2023/24 habe es zudem mehr „akute respiratorische Erkrankungen“ gegeben als vor der Corona-Pandemie, hätten Zahlen des Robert-Koch-Instituts gezeigt.
Statistik gibt nur Auskunft zur Quantität des Unterrichts, nicht zu Qualität
Neben den ersatzlos gestrichenen Unterrichtsstunden weist das neue Zahlenwerk auch aus, wie viel Unterricht gemäß Stundenplan erteilt wurde und wie oft Lehrer vertreten werden mussten. Das Ministerium betont, dass es bei der Statistik allein um eine quantitative Auswertung geht, „und nicht um qualitative Standards des Unterrichts oder der Vertretungsmaßnahmen“. Hierfür wäre eine Beobachtung im Einzelfall erforderlich. „Diese ist flächendeckend nicht leistbar“, so die Behörde.
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Auch das „Eigenverantwortliche Arbeiten“ (EVA), bei dem sich Schüler der Sekundarstufe II selbständig und ohne Aufsicht Aufgaben vornehmen, wird in der Statistik thematisiert. Lehrkräfte sind nicht erforderlich - und so liest sich die Ausfall-Quote für die Oberstufe auch deutlich besser. Das Ministerium anerkennt aber: „EVA wird öffentlich mehrheitlich pauschal als Unterrichtsausfall wahrgenommen.“ Weitere Informationen auf schulministerium.nrw/unterrichtsstatistik.
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