Mülheim. Futter muss her. Wie geht das, wenn Geld fehlt und der Erbschein auf sich warten lässt? Freundin einer verstorbenen Pferdebesitzerin ist am Ende.

„Stern“ ist 27 und ein französisches Vollblut, „Kupferberg“ ist 24 und ein englisches Vollblut. Für Friederike Lauritzen sind die Wallache und ihre drei Kompagnons „Krone“ (22), „Zwerg“ (15) und „Püppi“ (7) wunderbare Tiere. Obendrein sind sie eine höchst lebendige Erinnerung an einen für sie bedeutsamen Menschen, „an meine mütterliche Freundin“. Die einstige Eigentümerin der Tiere ist im April 2023 mit 63 Jahren an Krebs gestorben. Seither kümmert sich Lauritzen um die Pferde der Seelenverwandten. So sei es abgesprochen gewesen, sagt sie. Im Gegenzug habe diese ihr Geld, ein Haus und eine Wohnung zugesagt. Doch nach dem Tod ist ein erbitterter Streit um das Erbe entbrannt. Bis heute hat Lauritzen keinen Cent aus der Erbmasse gesehen, „aber mein komplettes privates Vermögen ist für die Tiere draufgegangen“. Nun, so fürchtet die 37-Jährige, steht das Tierwohl ernsthaft auf dem Spiel.

„Das ist ein Megascheiß-Gefühl. Ich kann nachts nicht mehr schlafen, habe oft Bauchschmerzen.“ Monatlich gelte es, „zwischen 3000 und 3500 Euro“ aufzubringen, um Stern und Kupferberg zu versorgen, die am Auberg stehen, sowie Krone, Zwerg und Püppi, die in Mintard leben. „Sobald der Tierarzt kommen muss, wird es noch teurer.“ Als einfache Mitarbeiterin einer Anwaltskanzlei verdiene sie bei Weitem nicht genug für all das. „Zum Glück helfen mir einige liebe Menschen.“

Mehrere Mülheimer helfen der völlig verzweifelten Pferdefreundin

Unter anderem werde auf einem der Höfe die Miete für eine Box gestundet, „und Freunde gehen mit mir Futter kaufen oder besorgen selbst Heu oder Einstreu“. Eine Reitbeteiligung trage zwischenzeitlich die kompletten Kosten für eines der Pferde. „Trotzdem habe ich keine Ahnung, wie ich weiter über die Runden kommen soll. Ich kann meinen Vater nicht mal mehr was zu Weihnachten schenken.“

Das ist für die Essenerin alles andere als fair. Von Anfang an habe sie versucht, alles richtig zu machen. Nur zwei Wochen, nachdem die Freundin aus Mülheim verstorben war, habe sie beim Amtsgericht Mülheim einen Erbschein beantragt und sich dabei auf ein handschriftliches Testament berufen. „Vorher habe ich noch ihre Beerdigung bezahlt.“ Dem Antrag hätten Verwandte der Verstorbenen widersprochen. Leider habe das Gericht bis heute nicht über den Erbschein entschieden, einzig im Februar 2024 einen Nachlasspfleger eingesetzt.

„Es war immer klar, dass ich das beim besten Willen nicht allein bezahlen kann“

Lauritzen schmerzt der Vorgang, ihre Freundin habe doch eine ganz andere Vorstellung gehabt: „Als sie krank geworden ist und erstmals für eine OP in die Klinik musste, hat sie mich gefragt: ,Wärst du bereit, die Pferde zu übernehmen?‘“ Damals war sogar die Rede von sieben Tieren - eines ist zwischenzeitlich verstorben, ein anderes an die Vorbesitzerin zurückgegangen. Und doch habe sie sich „prinzipiell dazu bereit erklärt“, erzählt Lauritzen. „Aber es war immer klar, dass ich das beim besten Willen nicht allein bezahlen kann.“ Die kranke Mülheimerin habe ihr versichert, dass der Verkauf der versprochenen Immobilien ausreichend Geld erbringe, „um die Pferde bis zu ihrem Tod zu finanzieren“.

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Mit 13, erzählt Lauritzen, hat sie die Pferdehalterin kennengelernt, „ich habe bei ihr als Reitbeteiligung angefangen“. Oft sei man zusammen ausgeritten; die Verbindung wurde eng und enger. „Sie hatte keine eigenen Kinder“, und so sei sie mit ihr „auf den Abiball gegangen und in den Urlaub gefahren“. Das Vertrauen war tief, „sie war für alles meine erste Anlaufstelle, auch als meine Mutter gestorben ist“. Im Gegenzug habe sie sich später bei der Pflege der kranken Mutter ihrer Freundin eingebracht. „Zum Rest der Familie gab es kaum Kontakt.“

Dienstaufsichtsbeschwerde gegen zuständige Richterin am Amtsgericht Mülheim

Lauritzen betet inständig, dass das Gericht bald eine Entscheidung fällt. „Ich bin täglich mindestens fünf Stunden mit den Pferden beschäftigt“, das sei auch in Ordnung, wenn endlich Geld fließe. „Leider kriege ich bei Gericht niemanden ans Telefon, keiner spricht mit mir.“ Sie habe daher kürzlich über einen Anwalt eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die zuständige Richterin am Nachlassgericht auf den Weg gebracht. „Es geht mir ums Tierwohl - ich brauche kein Geld für Urlaub oder Auto“, betont sie.

Friederieke Lauritzen in Mülheim an der Ruhr
Für Friederike Lauritzen sind die Pferde eine höchst lebendige Erinnerung an einen für sie bedeutsamen Menschen, „an meine mütterliche Freundin“, wie sie sagt. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Die Pressesprecherin des Mülheimer Amtsgerichts, Antje Hahn, bestätigte den Eingang der Beschwerde auf Nachfrage. Die Entscheidung darüber fällt beim Landgericht Duisburg; dessen Sprecherin Lara Zwirnmann erklärte am Freitag allerdings, die Akte sei noch auf dem Weg dorthin. Mit der Entscheidung werde es also noch etwas dauern.

„Die sind sehr stark belastet und haben deutliche Rückstände“

Antje Hahn räumte unterdessen ein, dass es seit längerem massive Probleme in der entsprechenden Abteilung des Amtsgerichts gibt: „Die sind sehr stark belastet und haben deutliche Rückstände.“ Leider müsse sich jeder, der mit Nachlassverfahren zu tun habe, aktuell auf eine wesentlich längere Verfahrensdauer einstellen. „Unter anderem werden Schriftstücke verzögert vorgelegt“, sagte Hahn. „Das ist auch für uns eine sehr unbefriedigende Situation.“ Man hoffe, dass sich der Zustand bald bessert. Zur Sache teilte sie lediglich mit, dass die Erteilung des Erbscheins „ein nicht-öffentliches Verfahren“ sei. Sie habe Rücksprache gehalten mit der Richterin, diese halten den Sachverhalt für „noch nicht entscheidungsreif“.

Der Nachlasspfleger, Rechtsanwalt Thomas Bückmann, hält die Pferde für „gut versorgt“. Dank der Bekannten, die Friederike Lauritzen unterstützen, gelinge es, den Tieren gerecht zu werden. Zwei seiner Mitarbeiterinnen seien selbst Reiterinnen, „die kümmern sich auch und haben ein gutes Gespür dafür“. Im Übrigen habe man nun ganz aktuell „einen Käufer für das Haus der Verstorbenen gefunden“. Im Januar wolle man den Vertrag unterschreiben und notariell beurkunden. Dann stehe Geld für das „Gnadenbrot“ bereit - unabhängig davon, wer letztlich Erbe sein wird. „So oder so muss den Willen der Erblasserin respektiert werden.“ Und dieser ging es darum, dass es den Pferden dauerhaft gut geht. Für Friederike Lauritzen ist die Neuigkeit vom Donnerstag mehr als nur ein Hoffnungsschimmer: „Wenn das tatsächlich so läuft wie angekündigt, wäre ich wahnsinnig erleichtert.“

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