Mülheim. Drei Männer erfüllen sich in Mülheim-Winkhausen den Traum von der Selbstständigkeit. Ihre Geschichte ist auch die einer gelungenen Integration.

Sie arbeiten seit Monaten durch. Haben gestrichen, gefliest, geputzt. Nach Angeboten gefahndet, Ware bestellt, Regale bestückt. Nun sind Zardasht und Zhedur Hassan auf der Zielgeraden: Am Wochenende geht ein langersehnter Traum in Erfüllung.

Mit dem „Weld“-Supermarkt an der Kreuzung der Aktien- mit der Nordstraße in Mülheim-Winkhausen machen sich die Brüder selbstständig. Ein erhabener Moment für den 29-jährigen Zardasht, der Anlagenmechaniker ist, und den 28-jährigen Zhedur, der bisher als Verkäufer bei „Netto“ gearbeitet hat. Dort war auch der Dritte im Bunde, Cousin und Einzelhandelskaufmann Delder Sleman, angestellt. Keiner von ihnen war restlos erfüllt von seinem Job. Und immer war da die Überzeugung, dass es noch etwas Besseres geben muss, erinnern sich die Brüder im Gespräch mit der Redaktion. Weil der Cousin und sie zusammen aufgewachsen sind und bis heute jede freie Minute miteinander verbringen, war von Anfang klar: Wenn wir was wagen, dann nur zusammen.

Mülheimer Ladeninhaber: „Wir haben von Anfang gespürt, dass es diesmal klappen könnte“

Delder habe anfangs von einem Kiosk gesprochen, „doch wir haben vorgeschlagen, etwas Größeres zu machen“, so Zardasht. Der Mut war da, aber leicht wurde es nicht. „Wir haben uns viel angeschaut“, doch immer gab es Absagen. „Die Leute wollten uns keinen so großen Laden anvertrauen“, glaubt er. Den Vermietern habe es möglicherweise an Sicherheit gefehlt. Dann aber kam sie doch, die ersehnte Chance: Die drei Geschäftsmänner erfuhren von einem Bekannten, dass Rossmann seine Filiale neben der Barbara-Apotheke aufgibt. Sie nahmen Kontakt zum Eigentümer auf, erzählten frank und frei von ihrem großen Traum und wie sie diesen umzusetzen gedenken. Und endlich ließ sich jemand auf ihre Ideen ein - „wir haben von Anfang gespürt, dass es diesmal klappen könnte“, freuen sich die Brüder noch immer.

Am Mittwochvormittag sind noch einige Regale leer, etliche Pakete müssen noch ausgepackt werden, auch Preisschilder fehlen. Doch die Chefs sind zuversichtlich, dass Mülheim schon am Wochenende einen neuen Supermarkt hat.
Am Mittwochvormittag sind noch einige Regale leer, etliche Pakete müssen noch ausgepackt werden, auch Preisschilder fehlen. Doch die Chefs sind zuversichtlich, dass Mülheim schon am Wochenende einen neuen Supermarkt hat. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Dass man das Leben in die Hand nehmen und sich etwas trauen muss, wissen die Beiden seit frühester Kindheit. Die Hassans stammen aus dem Nordirak. Vater Khalil ging 2000 nach Deutschland, um dem harten, freudlosen Leben zu entkommen. 2012 flohen auch seine Frau und die vier Kinder. Zardasht und Zhedur waren mittlerweile Teenager. In Bayern, unweit des Chiemsees, fanden sie das große Glück: „Wir wurden herzlich aufgenommen, haben uns gefühlt wie im Paradies.“ Die Schule und die kleine Gemeinde hätten „supergroßen Wert auf Integration gelegt“, erzählt Zhedur, „wir hatten jeden Tag allein vier Stunden Deutsch“. Vor einigen Jahren ging es für die Familie dann ins Ruhrgebiet, wo schon viele Landsleute und Freunde zu Hause waren.

Umfangreiche Renovierung: „Rossmann hat uns viel Arbeit hinterlassen“

Intensive Monate liegen nun hinter den drei Ladeninhabern. Mitte April haben sie den Schlüssel zum Geschäft erhalten. Sofort war klar: „Rossmann hat uns viel Arbeit hinterlassen.“ An einer umfangreichen Renovierung der 400 Quadratmeter Verkaufsfläche führte kein Weg vorbei. Zum Glück gab es jede Menge helfender Hände aus der Familie. Während sie da so vor sich hin werkelten, dachten die Brüder auch immer mal wieder über den Namen für ihr Schätzchen nach: Letztlich habe man sich für „Weld“ entschieden, einem Wort, in dem natürlich das Wort Welt drinsteckt, das aber auch gleichzeitig für ein bisschen Verwirrung und Neugierde sorgen und schon von daher in Erinnerung bleiben soll.

Der Eingang zum neuen Supermarkt an der Ecke Aktienstraße/Nordstraße in Mülheim. Bis vor einigen Monaten befand sich dort eine Rossmann-Filiale.
Der Eingang zum neuen Supermarkt an der Ecke Aktienstraße/Nordstraße in Mülheim. Bis vor einigen Monaten befand sich dort eine Rossmann-Filiale. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Zum „Weld“-Sortiment gehören zum ganz überwiegenden Teil Lebensmittel, die in klassischen deutschen Märkten angeboten werden. „Wir besorgen viel über Edeka“, sagt Zardasht, „wir sind kein Discounter.“ Ergänzt wird die Palette durch indische, afrikanische und arabische Produkte. Am Mittwochvormittag sind noch einige Regale leer, etliche Pakete müssen noch ausgepackt werden, auch Preisschilder fehlen. Doch die Chefs sind zuversichtlich, bis zum Wochenende alles erledigt zu haben. Dann verschwindet endlich der Sichtschutz von den Schaufenstern, dann öffnet sich die Tür für die ersehnte Kundschaft.

Mülheimer Hausverwalter: „Das ist eine gute Geschichte, die die drei da geplant haben“

Im Eingangsbereich zwischen Kasse und Backwaren kann diese sich künftig übrigens einen Kaffee aus dem Automaten ziehen. Vielleicht lässt sie sich beim Schlürfen des Heißgetränks auch mal auf ein spannendes Gespräch mit den ambitionierten Inhabern ein. Hausverwalter Marc Ostrowski jedenfalls, mit dem das Trio damals Kontakt aufgenommen hatte, um mehr über den Laden zu erfahren, ist nachhaltig beeindruckt: „Das ist eine gute Geschichte, die die Drei da geplant haben. Wir sind zuversichtlich, einen langfristigen Mieter gefunden zu haben. Und hoffen sehr, dass das Geschäft den Stadtteil weiter beleben wird.“

Der „Weld-Supermarket“ wird von montags bis samstags von 7 bis 20 Uhr geöffnet sein.

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