Mülheim. Mülheims Verwaltung setzt auf „multifunktionale“ Klassenräume für Unterricht und OGS. Eine Mülheimer Schule aber geht bewusst einen anderen Weg.

Farbgestalter Peter Hoheisel versteht sich aufs Lasieren. An diesem Morgen ist er im OGS-Neubau der Mülheimer Waldorfschule mit einem Quast zugange, verteilt geschickt warmes Blassrosa auf den Wänden. „Die Kinder sollen sich hier wohlfühlen“, sagt Pädagogin Britta Dressel-Vogel. Anders als geplant, können die Erst- bis Viertklässler das schicke neue Holzhaus allerdings noch nicht beziehen. Seit Monaten passiert auf der Baustelle immer wieder Unvorhergesehenes, ploppen zusätzliche Aufgaben auf, die es noch zu erledigen gibt.

Das Waldorf-Team hofft jetzt, dass es mit dem Einzug vielleicht zu St. Martin klappt - und die unerfreuliche Übergangszeit endlich vorbei ist.

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202 Mädchen und Jungen zählt die Waldorf-Grundschule aktuell, 140 von ihnen haben einen Platz im offenen Ganztag. Aufgeteilt sind sie auf fünf Gruppen, noch vor wenigen Jahren kam man mit drei Einheiten aus, erzählt Dressel-Vogel, die sich um die Öffentlichkeitsarbeit kümmert. So wie überall zieht auch an der Blumendeller Straße die Nachfrage an: Rund 70 Prozent der Kinder haben Bedarf an Nachmittagsbetreuung, „und es wird noch mehr“, schätzt Geschäftsführer Andreas Müller. Das beunruhigt das Duo nicht: Man ist auf das Inkrafttreten des Rechtsanspruchs auf einen OGS-Platz ab 2026 vorbereitet, könnte „notfalls“ auch allen Schülern Platz anbieten, wenn das Haus fertig ist. „Wir rechnen aber damit, dass das nicht nötig wird und sich die Zahlen bei gut 80 Prozent einpendeln.“

Eine Million Euro fließt in das Mülheimer Projekt, zu dem auch die Erweiterung des Außengeländes gehört

Farbgestalter Peter Hoheisel, der einst selbst zwei Kinder auf der Mülheimer Waldorfschule hatte, kümmert sich um die Wandgestaltung.
Farbgestalter Peter Hoheisel, der einst selbst zwei Kinder auf der Mülheimer Waldorfschule hatte, kümmert sich um die Wandgestaltung. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Zwei der fünf Gruppen sind aktuell behelfsmäßig in Nebenräumen untergebracht, die anderen drei genießen die Räume des angestammten OGS-Gebäudes, das durch bunte Farben, gemütliche Kuschelecken, großzügige Kochzeilen und viel, viel Holz besticht. Um diesen Standard allen Betreuten bieten zu können, hat sich das Team der staatlich anerkannten Ersatzschule vor zwei Jahren zur Erweiterung entschlossen. Noch beträgt die OGS-Fläche 180 qm, nach dem Ausbau werden es 300 qm sein. Laut Müller investiert die Schule circa eine Million Euro ins Projekt, zu dem auch eine Erweiterung des Außengeländes gehört. Rund 20 Prozent der Summe hofft man über Fördermittel eintreiben zu können, „der Rest wird über Rücklagen und einen Kredit finanziert“.

Anders als an manch herkömmlicher Schule setzt man an der Waldorfschule auf viel Platz im Ganztag, betont Dressel-Vogel, „und vor allem auf eine klare Trennung von Schule und Freizeit“. Die Pädagogin, die Teil des jüngst aufgestockten, zehnköpfigen OGS-Teams ist, kritisiert das für viele Mülheimer Standorte angedachte Konzept der multifunktionalen Klassenräume, die vormittags für Unterricht und nachmittags für die Betreuung genutzt werden sollen. „Das ist nicht gut für die Kinder, die Trennung der Bereiche ist wichtig. Andernfalls fühlt sich Schule vormittags an wie ein Spielraum - und hört Schule nachmittags gar nicht mehr auf.“ Der Alltag sei für die Kleinen anstrengend genug, „da ist es wichtig, dass sie im nachschulischen Bereich eine Art zweites Zuhause haben“.

„Wir sind hier auf Bergbaugelände und mussten sehr tief ausschachten und viel Sondermüll abtransportieren“

Das neue OGS-Gebäude auf dem Gelände der Mülheimer Waldorfschule. Schon vor Monaten sollte es fertiggestellt sein.
Das neue OGS-Gebäude auf dem Gelände der Mülheimer Waldorfschule. Schon vor Monaten sollte es fertiggestellt sein. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

So wollte man es längst auch für den Neubau, ein Fertighaus, das innen wie außen vor allem aus Holz besteht. Eigentlich war der Einzug fürs Frühjahr geplant. Doch immer wieder kam und kommt es zu Verzögerungen; nun wurde die Einweihungsparty erneut verschoben. Schon zu Beginn der Arbeiten Mitte 2023 gab es Probleme, „wir sind hier auf Bergbaugelände, mussten tief ausschachten und viel Sondermüll abtransportieren“, so Müller. Passende Handwerker finden, zügig Material geliefert bekommen, alle erforderlichen Gutachten und Zertifikate zeitnah vorlegen - das alles war eine Herausforderung. „Als wir vor knapp 20 Jahren gebaut haben, war das noch viel unkomplizierter.“ Zu allem Übel brannte auch noch eine Halle beim Möbellieferanten ab, alle bestellten Tischbeine wurden zerstört. Und in den Sommerferien 2023 blieb die Baugenehmigung über Wochen bei der Post liegen, erinnert sich das Duo.

Blick in eines der neuen, noch nicht fertig eingerichteten OGS-Zimmer im Fertighaus: Auch die Decke, der Boden, die Fenster, die Türen und ein Großteil der Küche bestehen aus Holz.
Blick in eines der neuen, noch nicht fertig eingerichteten OGS-Zimmer im Fertighaus: Auch die Decke, der Boden, die Fenster, die Türen und ein Großteil der Küche bestehen aus Holz. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller
Blick in einen der schon seit Jahren genutzten OGS-Räume.
Blick in einen der schon seit Jahren genutzten OGS-Räume. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Nun aber ist man auf der Zielgeraden. Und zum Glück seien die meisten Eltern, die über ihre Beiträge rund ein Viertel des Schulbetriebs finanzieren, auch geduldige Menschen. „Bei manchen aber waren Unmut und Enttäuschung zuletzt schon groß“, weiß Dressel-Vogel. „Die haben dann auch mal geschimpft. Letztlich aber wollen hier alle nur eins: dass es am Ende gut wird.“

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