Mülheim. Die Liste der Vorurteile ist lang, wissen die Gründer einer der ersten Cannabis-Clubs Mülheims. Wie das Prinzip des Vereins funktioniert.
„Zum Schwarzen Peter“ steht in altdeutschen Lettern über der ehemaligen Kneipe in der Styrumer Feldstraße. Die Tür zum schon seit Jahren leerstehenden Lokal steht offen. Der altgediente Tresen vor beige-braunem Fliesenspiegel könnte vermuten lassen, dass hier bald wieder frisch gezapftes Pils über die Theke wandert - dabei ist es ganz anders: Schon bald soll es hier Cannabis geben. Im „Fruity Bloom“, wie sich der Cannabis-Club nennt, sollen Vereinsmitglieder künftig an „Gras“ aus kontrolliertem Anbau mit hoher Qualität kommen. Und das alles vollkommen legal.
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Mit dem Cannabisgesetz, kurz CanG, gab es eine Reform und Legalisierung des Cannabis-Anbaus und -Konsums. Das Gesetz, das Ende Juni in Kraft getreten ist, reglementiert den privaten Eigenanbau von Cannabis durch Erwachsene zum Eigenkonsum und den gemeinschaftlichen, nicht-gewerblichen Eigenanbau von Cannabis in Anbauvereinigungen. Genau so eine ist „Fruity Bloom“. Der eingetragene Verein, der sich selbst als „Cannabis Social Club“ bezeichnet, will noch in diesem Jahr mit der Ausgabe des Cannabis beginnen.
Mülheimer Cannabis-Club „Fruity Bloom“: Ein Blick hinter die Kulissen
Wer aber steckt hinter „Fruity Bloom“? Ein Besuch vor Ort - wir lernen die Organisatoren der Anbauvereinigung kennen. Daniel Lüdeke (36) ist der erste Vorsitzende und treibende Kraft im Unterfangen „Fruity Bloom“. Der staatlich geprüfte Techniker geht offen mit seinem Cannabis-Konsum um, in der Jugend kam er erstmals mit Marihuana in Kontakt. Es ist ihm ein Anliegen, mit Vorurteilen über „Kiffer“ aufzuräumen und den Konsum von Cannabis zu entkriminalisieren und zu enttabuisieren. An seiner Seite: der zweite Vorsitzende (31) und die Schatzmeisterin (45) des Vereins. Beide möchten zu ihrem Schutze lieber anonym bleiben.
„Es herrscht viel Unwissenheit rund um das Thema“, sagt Daniel Lüdeke. Auch wenn der Anbau und Konsum von Cannabis durch das neue Gesetz angepasst wurde, sei es als Konsument längst nicht so einfach, an qualitativen Stoff zu kommen - zumindest nicht auf legalem Wege. „Der private Anbau ist in einer gewöhnlichen Wohnsituation gar nicht so einfach“, erklärt der erste Vorsitzende. So dürften Marihuana-Pflanzen etwa nicht auf Balkon oder Fensterbank platziert werden, wo sie für die Allgemeinheit sichtbar sind. „Und einen extra Raum nur für den Anbau haben die wenigsten.“
Mülheimer Cannabis-Club-Gründer haben schon über 40 Mitglieder
Und das Interesse gibt „Fruity Bloom“ recht: Mehr als 90 Menschen haben sich bereits um eine Mitgliedschaft beworben, etwas über 40 Personen sind fester Bestandteil des „Cannabis Social Club“. Geplant ist, dass alle Mitglieder ihrer Mitwirkungspflicht nachkommen. „Die hauptsächliche Arbeit, was das Pflegen und Ernten angeht, werden wir übernehmen“, so Daniel Lüdeke. „Aber wir werden Hilfe brauchen.“ Auf etwa 19 Quadratmetern Blütefläche sollen im ehemaligen „Schwarzen Peter“ künftig mehr als 30 Sorten verschiedenster Cannabis-Pflanzen auf sogenanntem „living soil“ (Deutsch: lebender Boden) angebaut werden. Eine automatische Bewässerung soll die Pflanzen befeuchten, ein geschlossenes Klimasystem vor Schimmel schützen.
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Ein großes Investment, sowohl finanziell als auch zeitlich - wieso der ganze Aufwand? „Wir wünschen uns einfach, dass der Cannabis-Konsum nicht mehr so negativ gesehen wird“, sagt Daniel Lüdeke. „Und dass es zuverlässige Beschaffungswege gibt.“ Alle Mitglieder von „Fruity Bloom“ zahlen einen Mitgliedsbeitrag, der sich je nach Bedarf zwischen 5 und 500 Euro bewegt. Anhand dessen wird bemessen, wie viel Cannabis sie im Monat erhalten. „Wir gehen von einem Durchschnitt aus, der bei 20 Gramm im Monat pro Person liegt.“
„Viele wünschen sich einen entkriminalisierten, hochwertigen Konsum und die Verbindung zu Gleichgesinnten.“
„Fruity Bloom“ in Mülheim: Mitglieder sind 19 bis 72 Jahre alt
Das jüngste Mitglied bei „Fruity Bloom“ ist nach Abgaben des Vereins 19 Jahre alt, das älteste 72 Jahre. Nur wenige benötigten das „Gras“ aus medizinischen Gründen. „Viele wünschen sich einen entkriminalisierten, hochwertigen Konsum und die Verbindung zu Gleichgesinnten“, sagt Daniel Lüdeke, der die Vorbehalte aus eigener Erfahrung gut kennt. „Ich zum Beispiel rauche lieber Cannabis, statt Alkohol zu trinken“, zieht er den Vergleich. Mit ihrem Club wollen die Gründer ein Gegenangebot zum Schwarzmarkt schaffen, ein lukratives Geschäft ist es nicht. „Wir sind eine gemeinnützige Organisation. Alles, was wir erwirtschaften, wird reinvestiert.“
Noch sind Cannabis-Clubs längst nicht verbreitet, geschweige denn in der gesellschaftlichen Mitte angekommen. Laut Google gibt es in Mülheim drei Clubs, zumindest mit offiziellen Homepages. Die Bezirksregierung Düsseldorf erklärt auf Nachfrage, aus Mülheim bislang den Genehmigungsantrag eines Cannabis-Clubs vorliegen zu haben. Zum Vergleich: Im gesamten Regierungsbezirk sind es laut Pressestelle 21 Anträge. „Genehmigt oder abgelehnt wurde noch keiner. Das gilt sowohl für unser Haus als auch die anderen Bezirksregierungen“, heißt es von einer Sprecherin.
Bis es also hochoffiziell losgehen kann, ist an der Feldstraße noch einiges zu tun. „Wir sind mittendrin und haben noch einiges vor uns“, so Daniel Lüdeke. Von außen zu erkennen sein wird der Cannabis-Club jedenfalls nicht - „das ist gar nicht gestattet“. Weder Logo noch Schriftzug sollen verraten, welchen Zuzug es in der Styrumer Wohngegend gibt. „Aber wir sind da ganz offen. Jeden Samstag haben wir einen Tag der offenen Tür. Wer Fragen hat oder neugierig ist, kann gerne vorbeikommen.“
Mehr Infos gibt es unter www.fruitybloomclub.de.
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