Mülheim. In unserer Serie blicken wir auf „spektakuläre Blaulicht-Einsätze“ in Mülheim. Darunter der Mord an Luise Stöcker in 1965 - bis heute ein Rätsel.
In die zahllosen Fälle ungeklärter schwerer Verbrechen, die die deutsche Kriminalgeschichte wie ein roter Faden durchziehen, gehört der mysteriöse Gewalttod der Mülheimer Lehrerin Luise Stöcker, deren Mörder nie gefasst worden ist. Die brutale Tat spielt im Jahr 1965. Tatort ist das Haus Großenbaumer Straße 55 in Speldorf, ein altes Jugendstilgebäude, das heute noch – unweit des Lokals „Waldschlösschen“ – steht.
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Die damals 56 Jahre alte Lehrerin der Volksschule an der Bülowstraße taucht am 30. März des Jahres, einem Dienstag, nicht an ihrem Arbeitsplatz auf. Schnell macht man sich in der Schule Sorgen, da Luise Stöcker immer pünktlich war und ein unentschuldigtes Fernbleiben von der Arbeit so gar nicht ins Bild von ihr passt. Nicht ein einziges Mal hatte sie in den letzten zehn Jahren auf der Arbeit gefehlt. Als sie um 9 Uhr immer noch nicht in der Schule ist, machen sich zwei Kolleginnen von ihr auf den Weg zur Großenbaumer Straße. Dort wird auf Klopfen allerdings nicht reagiert. In der Wohnung bleibt es still. Die Lehrerinnen bekommen es mit der Angst zu tun. Nach kurzer Zeit werden ein Angehöriger von Frau Stöcker und der Hausmeister der Schule hinzugezogen. Der Hausmeister schlägt die Scheibe der Eingangstür ein, die in die Wohnung führt.
Mülheimer Polizisten finden Luise Stöcker tot auf
Im Wohnzimmer können die besorgten Besucher zunächst nichts Auffälliges sehen. Auf dem Tisch stehen lediglich zwei Gläser und ein paar Flaschen. Der Blick ins Badezimmer bringt dann allerdings den Schock. Die entsetzten Helfer sehen die Leiche von Luise Stöcker vollständig bekleidet und mit einer blutigen Kopfwunde auf dem Boden liegen, neben ihr eine zerbrochene Flasche. In der Wunde zeigen sich kleine Glassplitter. Es sieht so aus, als sei sie mit der Flasche totgeschlagen worden.
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Die Polizei wird alarmiert und schnell laufen die Ermittlungen an. In der Kriminalhauptstelle Essen, die für Mülheim zuständig ist, wird eine Mordkommission eingerichtet, die sich in einigen Räumen der Mülheimer Polizei in der Von-Bock-Straße eingerichtet. Die Mülheimer Kripo wird in die Ermittlungen eingebunden. Eine Obduktion der Leiche ergibt, dass die erste Annahme, Luise Stöcker sei erschlagen worden, fehl geht.
Ermordete Mülheimerin galt als lebenslustig
Tatsächlich ist sie von ihrem unbekannten Mörder erwürgt worden, wie die Rechtsmediziner feststellen. Die Flaschen und Gläser auf dem Tisch im Wohnzimmer lassen den Schluss zu, dass die Frau vor ihrem Tod noch Besuch gehabt hat. Von Interesse sind die Fragen, wo die Lehrerin am Montag, dem letzten Tag, an dem sie in der Schule war, gesehen wurde und wen sie möglicherweise zu Hause empfangen haben könnte. Lediglich eine Schülerin meldet sich, die die Pädagogin am späten Nachmittag noch in der Stadt gesehen haben will.
Luise Stöcker wird von Menschen, die sie gut gekannt haben, als lebenslustig mit vielen Sozialkontakten beschrieben. Und so wird in ihrem großen Bekanntenkreis ermittelt. Nachbarn geben Hinweise auf ein weißes Auto, das in den Tagen vor Stöckers Tod mehrfach vor dem Haus der Frau gesehen worden ist. Der Wagen kann von niemandem genauer beschrieben werden, auch ein Kennzeichen wird nicht genannt. Das Auto soll auch am Montag, dem mutmaßlichen Todestag, wieder vor dem Haus in der Großenbaumer Straße gestanden haben. Interesse weckt bei den Ermittlern die Aussage eines Zeugen aus der Schule, dass die Lehrerin am Montag noch Geld abholen wollte. Kann hier ein Tatmotiv liegen? Diese Spur schwächt sich allerdings ab, als festgestellt wird, dass es auf dem Konto der Verstorbenen am Montag keine Kontobewegung gegeben hat.
Große Bestattung in Mülheim: mehrere hundert Besucher
Schnell kommen die Kripo-Beamten zu dem Ergebnis, dass der Täter offenbar versucht hat, Tatspuren zu verwischen. In einem Aschenbecher im Wohnzimmer findet sich zwar jede Menge Asche. Die Zigarettenkippen, die dazu gehört haben müssen, fehlen allerdings alle. Bemerkenswerterweise hat der Täter auch das Licht ausgeschaltet, als er die Wohnung verlassen hat.
Das Mordopfer wird am 5. April auf dem Broicher Friedhof beigesetzt. Mehrere hundert Menschen nehmen an der Bestattung teil. Luise Stöcker, die in Bonn, Tübingen und Münster studiert hatte, hatte ursprünglich Studienrätin werden wollen, war dann aber in den Volksschuldienst gegangen und seit 1942 als Lehrerin tätig. Kurz nach dem Krieg, 1946, hatte sie eine Anstellung an der evangelischen Grundschule in der Bülowstraße gefunden und arbeitete seither dort.
Mülheimer Polizei geht verschiedenen Spuren nach
5.000 Mark setzt die Staatsanwaltschaft kurz nach der Tat für Hinweise aus, die zur Ermittlung des Täters von Frau Stöcker führen. Überall sieht man in Mülheim, Essen, Kettwig, Duisburg und Oberhausen Fahndungsplakate, die den Fall schildern und mit denen um sachdienliche Hinweise gebeten wird. So sehr sich Staatsanwaltschaft und Polizei auch bemühen: Die Ermittlungen treten auf der Stelle. Es kann lediglich festgestellt werden, dass Luise Stöcker am späten Montagnachmittag mit einem hellen Pkw, dessen unbekannter Fahrer in Richtung „Waldschlösschen“ wegfuhr, mitgefahren war.
Um 19 Uhr stand der Wagen einem anderen Zeugen zufolge wieder vor dem Haus, nun in Fahrtrichtung Stadtmitte. Wie lange der Wagen dann dort gestanden hat, diese Frage kann niemand beantworten. Die Spur erweist sich schließlich aber als falsch. Der Wagen gehört einer Frau, die eine gewisse Ähnlichkeit mit der Lehrerin hat. Es kommt noch ein weiterer weißer Pkw, vermutlich ein Renault Dauphine, ins Spiel, der gegen 19 Uhr vor dem Mordhaus gestanden haben soll. Nachbarn wollen einen etwa 40 Jahre alten Mann gesehen haben, der aus diesem Wagen ausgestiegen und auf das Haus der Lehrerin zugegangen war.
Mord an Mülheimerin landet bei „Aktenzeichen XY“
Insgesamt gehen 171 Spuren zum Mordfall Stöcker ein. Sie zeichnen ein Bild einer Frau, die „einem zupackenden Flirt“ nicht abgeneigt war, gerne schon einmal ein Gläschen trank. Einige ihrer Männerkontakte waren über Heiratsanzeigen zustande gekommen. Gleichwohl: Der Täter kann nicht ermittelt werden. 1977 wird von der Polizei noch einmal ein Anlauf unternommen. Inzwischen haben sich die kriminaltechnischen Untersuchungsmöglichkeiten beim Landeskriminalamt verbessert.
So kann festgestellt werden, dass ein weißes Stofftaschentuch mit einem Monogramm „M.M.“ nicht von der Verstorbenen stammt. Bluthaftungen an dem Tuch enthalten eine andere Blutgruppe als die der Frau. Der Fall wird nun in der Fahndungssendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ zum Thema gemacht. Doch die Hoffnung auf eine späte Klärung der Tat erfüllt sich nicht. Der Mörder von Luise Stöcker wird niemals gefasst. Vielleicht lebt er heute noch – möglicherweise sogar in Mülheim.
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