Mülheim. Der 100-jährige Kurt Tittgen aus Mülheim erzählt, was ihm zu einem langen Leben verhilft: der Fußball und die Liebe – und wie das zusammenhängt.
100 Jahre Leben auf rund 100 Zeilen in der Zeitung nachzeichnen - das wird eine Herausforderung. Fragen wir den Jubilar, Kurt Tittgen, würde er es ganz optimistisch angehen. Hürden sind dazu da, um überwunden zu werden - so könnte seine Antwort darauf lauten. Einen Tag nach seinem 100. Geburtstag sitzt der Senior sichtlich zufrieden in seinem kleinen Apartment im Fliedner-Dorf in Selbeck und blickt zurück auf die immense Zeitspanne seines Lebens.
Als der gebürtige Heißener das Licht der Welt erblickt, heißt Deutschland noch Deutsches Reich, im Kino laufen Stummfilme in Schwarz-Weiß - und in Paris finden Olympische Sommerspiele statt. „Die laufen bei mir im Moment auch im Fernsehen“, erzählt der 100-Jährige hellwach. Sport, das ist seine große Leidenschaft, der Sportteil der Tageszeitung darf beim Frühstück niemals fehlen. Dem Sport hat er es auch - wohl neben seinen guten Genen - zu verdanken, dass er nun ein dreistelliges Lebensalter erreicht hat. Davon ist der Fußballfan überzeugt. „Zipperlein? Ich? Nee, die habe ich nicht“, sagt Kurt Tittgen im Brustton der Überzeugung und feixt augenzwinkernd: „Ich sehe doch nicht aus wie 100.“
Mülheimer, der 100 Jahre alt geworden ist: „Bier schmeckt mir nicht“
Doch: So lange so gesund zu bleiben, dazu gehöre durchaus Ehrgeiz - das will der Hochbetagte nicht verhehlen und erzählt, wie er seine Gesundheit in Schuss hält: „Ich habe nie geraucht und nie getrunken - Bier schmeckt mir nicht.“ Als er sich vor ein paar Jahren bei einem Sturz die Hüfte brach - gleich drei Mal - und mehrfach operiert werden musste, trainierte er diszipliniert, um wieder auf die Beine zu kommen. „Das war mein Ziel, ich bin ein ehrgeiziger Mann.“
Heute läuft er am Rollator - nur Treppen sind ihm ein Graus. Bis vor zwei Wochen hat er alleine in seiner Wohnung an der Kämpchenstraße gelebt, ging bis zu seinem Sturz stets selbst einkaufen - „immer samstags, damit hatte meine Frau nie etwas zu tun.“ Ohne einen strukturierten Tagesablauf geht bei Kurt Tittgen nichts - er steht immer zur selben Zeit auf, isst zur selben Zeit und geht immer um dieselbe Uhrzeit schlafen. „Selbst wenn der BVB spielt, geht er in der Halbzeit ins Bett“, berichtet Schwiegertochter Beate. Fußball also ist sein Lebenselixier. Als Steppke kickte er beim Turnerbund Heißen, später wechselte er zu Union 09 - und das viel mehr aus romantischen Beweggründen als aus sportlichen.
Für die Liebe wechselte Mülheimer sogar den Fußballverein
„Der Vater meiner Frau war ein Fußball-Fanatiker und hatte was zu sagen bei Union 09. Er forderte: ,Wenn du meine Tochter haben willst, musst du in meinen Verein kommen‘.“ Kurt Tittgen muss schmunzeln bei der Erinnerung an diesen Moment, der beinahe 75 Jahre zurückliegt. Die Augen des Seniors blitzen schelmisch auf und er fragt: „Wat blieb mir da denn anderes übrig?“ Zahlreiche Fotos in seiner kleinen Wohnung im Fliedner-Dorf zeigen ihn mit seiner Ilse, über sieben Jahrzehnte waren sie eng verbunden. „Ohne einmal richtig zu streiten“, blickt Kurt Tittgen zurück. Überhaupt: Dass er seine große Liebe getroffen hat, sei das schönste Erlebnis in seinem langen, reichen Leben gewesen, gesteht der Jubilar.
Wie hat er sie denn kennengelernt, seine Ilse? „Das war beim Tanzen in der Gaststätte ‚Rumbachtal‘ am Dickswall. Ich bin da hin mit meinen vielen Schallplatten voller schöner Musik.“ Von da an tanzten sie gemeinsam durchs Leben. Ein großes Glück, das sie später mit Sohn Wolfgang, Schwiegertochter Beate und den Enkeln Kristina und Fabian teilen konnten. Heute komplettieren die Urenkel Luca und Pepe die Familie.
Den Zweiten Weltkrieg hat der Mülheimer im U-Boot erlebt, landete in Kriegsgefangenschaft
Großes Glück hatte Kurt Tittgen auch zuvor gehabt, als er im Zweiten Weltkrieg kämpfen musste - bei der U-Boot-Flotte. Er war in Skandinavien stationiert, zuerst in Dänemark, später in Norwegen. „Da hatten wir Einsätze bis hoch zum Eismeer“. Von schlimmen Angriffen ist Kurt Tittgen weitestgehend verschont geblieben. Auch die Zeit in der Kriegsgefangenschaft hat der junge Soldat weggesteckt. „Hoch oben auf einem Lkw ging‘s dann zurück bis nach Weeze und von dort aus mit dem Zug zum Mülheimer Hauptbahnhof.“ Der lag damals übrigens nicht an der Stelle, an der er heute ist, sondern gegenüber der Friedrich-Wilhelms-Hütte, gewährt der Hochbetagte einen Blick in die Mülheimer Stadtgeschichte.
Beinahe selbst Geschichte geschrieben hat Kurt Tittgen, indem er 40 Jahre lang beim Elektrogroßhandel Niermann und Tautz arbeitete. „Selbst mit 70 habe ich da noch gerne ausgeholfen“, erzählt er wie beiläufig und meint: „Es macht doch keinen Unterschied, ob ich 70, 80 oder 100 bin. Jetzt steuere ich auf die 101 zu.“
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