Mülheim. Als Corona die Reisebranche traf, fühlte sich ein Mülheimer wie der Prellbock zwischen Veranstalter und Kunden. Wieso er nun andere Wege geht.
André Schoof kann getrost als „Selfmademan“ bezeichnet werden. Kaum hatte er seine Ausbildung zum Reiseverkehrskaufmann abgeschlossen, übernahm er im Alter von gerade einmal 20 Jahren sein erstes Reisebüro in Düsseldorf. „Mein Ausbilder hat das Unternehmen damals verlassen und ein verbleibender Kollege und ich haben’s dann übernommen“, erinnert er sich. Das war 2004. „Der Start war gar nicht so einfach, denn zu Beginn litt die Reisebranche noch deutlich unter den Nachwirkungen der Terror-Anschläge vom 11. September“, so Schoof.
Zudem befand sich das Geschäft in einer Nebenstraße. „Ich war von unserer Arbeit sehr überzeugt und wollte unbedingt in eine Lauflage umziehen“, also eine Lage, in der mit mehr Laufkundschaft zu rechnen ist. Die beiden Geschäftspartner setzten das Vorhaben in die Tat um und der Plan ging auf. „Das hat geklappt – und dann ging’s ab!“, erinnert sich André Schoof. Nur vier Jahre später eröffnete er sein zweites Reisebüro in Broich. 2018 kam ein drittes Geschäft in Heißen dazu.
Mülheimer empfindet es als belastend, ständig Klagen der Reisekunden zu hören
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Dann kam Corona. „Das war für uns der absolute Stillstand.“ Ein halbes Jahr lang sei im Flugreise-Bereich gar nichts mehr gegangen. „Du konntest nirgendwo mehr hin.“ Obwohl zu diesem Zeitpunkt keine Kundinnen und Kunden mehr in persona in die Reisebüros durften, fuhr Andre Schoof dennoch jeden Tag hin und nahm die Anrufe verunsicherter und verärgerter Menschen entgegen, die Reisen gebucht hatten. „Ich habe mir dann jeden Tag von neun bis 18 Uhr den – nachvollziehbaren - Unmut der Leute anhören müssen, obwohl mich ja auch keine Schuld traf“, erinnert er sich mit Grausen an die damalige Zeit. „Es ging dann erst langsam wieder los – mit Maskenpflicht - und trotzdem flog keiner. Das wollte ja keiner.“
Da Reisebüros nur dann Geld verdienen, wenn die von ihnen vermittelten Reisen auch tatsächlich stattfinden, waren die damaligen Corona-Hilfen eine unverzichtbare Unterstützung. André Schoof musste für seine zu diesem Zeitpunkt noch vier Mitarbeitenden und sich selbst Kurzarbeiter-Geld beantragen. Seine Beteiligung an dem Reisebüro in Düsseldorf hatte er da bereits aufgegeben, um sich auf seine beiden Mülheimer Reisebüros konzentrieren zu können.
„Zu dem Zeitpunkt habe ich damals abends zu Hause neben meiner Frau auf der Couch gesessen und mir gedacht: ‚Das kann und will ich nicht mehr!‘“ Die Touristik sei definitiv seine Passion und bleibe es auch, aber die permanente Funktion als Prellbock zwischen Veranstalter und Kunden sei immer sehr belastend gewesen, so Schoof. Es musste eine Alternative her.
Mülheimer wagt den Schritt in die Selbstständigkeit in anderer Branche
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„Eines Tages bekam ich dann das Angebot, als Geschäftsführer in einem Caravan-Zentrum in der Nähe von Berlin anzufangen. Ich habe dann in Corona-Zeiten dort Probe gearbeitet und zum ersten Mal etwas gemacht, von dem ich keine Ahnung hatte.“ Er habe damals nicht mal zeigen können, wo bei einem Reisemobil der Frischwassertank zu finden ist. „Ich habe aber gesehen, dass das ein gutes Geschäft ist und gemerkt: Wenn man im Monat zwei Wohnmobile verkauft, dann entspricht das dem, was man in derselben Zeit damit verdient, in einem Reisebüro Reisen zu vermitteln.“
André Schoof, beschloss, einen Neu-Anfang zu wagen und suchte einen potenziellen Standort für seinen eigenen Reisemobil-Handel. Ein ehemaliger Kunde eines seiner Reisebüros vermittelte den Kontakt zu einem ehemaligen Autohaus in Coesfeld. „Das war zwar 85 Kilometer weg, aber ein sehr schöner, repräsentativer Standort.“ Ein Bekannter, ebenfalls dankbar für eine Job-Alternative, stieg in das Geschäft mit ein. „Wir waren von Anfang an auf einer Wellenlänge.“ Im März 2021 gründeten die beiden ihre Firma und nach nur zwei Jahren erfolgte der Umzug an den aktuellen, deutlich größeren Standort – ebenfalls in Coesfeld.
„Wir sind in einem Tempo gewachsen, das beinahe zu schnell ist“, blickt André Schoof zurück. „Wir bieten neue und gebrauchte Fahrzeuge, reparieren und warten sie und rüsten Fahrzeuge auch nach.“ In den gerade einmal drei Jahren seines Bestehens ist die Zahl der Mitarbeitenden bereits auf zehn angewachsen. Seinen mutigen Schritt in eine neue Karriere André Schoof nie bereut. „Ich würde mich freuen, wenn es jetzt einfach nur noch so gut weitergeht, wie bisher.“
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