Mülheim. Hier sollen alle Platz haben: Autos, Busse, Radler und Fußgänger. Doch im Alltag, so erweist sich nun in Dümpten, bleibt mancher auf der Strecke.
Alles so schön neu hier: Asphalt ohne Schlaglöcher, leuchtend weiße Linien auf der Fahrbahn und ebensolche Fahrrad-Piktogramme, eine Verkehrsinsel als Querungshilfe, 30er-Schilder und ein frisch gelegter, ebener Bürgersteig. Hier, auf der oberen Oberheidstraße in Dümpten nahe der viel befahrenen Aktienstraße, sieht es nach dem umfangreichen und langwierigen Umbau verkehrstechnisch beinahe aus wie im Paradies. Doch zufrieden sind Anwohner mit der neuen Regelung, die Radfahrern zwar mehr Platz einräumt, aber das Parken verhindert, keineswegs.
Schon von Weitem hört man ihn kommen, sein Brummen ist unverkennbar. Dann biegt der Bus auch schon in die Kurve ein, die eigentlich keine besonders scharfe ist, aber ihre Tücken zu haben scheint. Genau dort, wo die kleine Stichstraße Schönebecker Straße abgeht und die Oberheidstraße einen leichten Bogen beschreibt, wird‘s eng. Jan-Hinrich Nissen zeigt auf den Bürgersteig, auf dem an dieser Stelle nicht viel Platz für Passanten bleibt. Hier werden wohl gleich die rechten Reifen des Busses drüber rollen, prophezeit der Anwohner.
Stadt Mülheim räumt Engstelle an Bürgersteig ein
An der Mauer zum nächsten Grundstück steht ein Stromkasten, dann bleibt nicht viel Fläche für Fußgänger. „Sie müssten mal sehen, wenn hier jemand mit Rollator hergeht, vielleicht noch behangen mit gefüllten Einkaufstaschen. Oder jemand mit Kinderwagen und Kleinkind an der Hand“, malt Nissen ein Szenario, das übel ausgehen könnte. Denn regelmäßig überfahre der Bus an dieser Stelle die Bordsteinkante des ohnehin schmalen Bürgersteigs, weil es ihm ansonsten nicht gelinge, die Kurve zu kriegen und vor der neuen Verkehrsinsel einzuscheren.
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Die Stadt räumt auf Nachfrage ein, dass „am Stromkasten tatsächlich eine punktuelle Engstelle vorliegt, die gerade den Mindestmaßen genügt, um mit einem Kinderwagen, Rollstuhl oder Rollator passieren zu können. Dies ist im Stadtgebiet an generell schmalen Gehwegen leider häufiger der Fall“. Die vorhandenen Querschnittsbreiten in diesem Bereich der Oberheidstraße reichten nicht, um alle Nutzungsansprüche optimal zu erfüllen. So konnten etwa nicht optimale Gehwegbreiten erfüllt werden, ebenso reichten die Querschnittsbreiten nicht für Radfahrstreifen oder separierte Fahrspuren für eine Begegnung von Lkw. Stattdessen, so erläutert das zuständige Amt, konnten nur Schutzstreifen, die von Bussen und Lkw im Begegnungsfall überfahren werden dürfen, realisiert werden. „Planung ist immer ein Kompromiss und eine Abwägung zwischen allen Belangen“, heißt es dazu aus der Verwaltung.
Anwohner einer 30er-Zone in Mülheim-Dümpten: „Das ist eine Rennstrecke“
Gezielt auf das Manövrieren des Busses an der Engstelle angesprochen, erläutert die Stadt: „Die Kurvenfahrt ist für Busse ohne das Überschleppen der Gehwege möglich. Das wurde rechnerisch mittels dynamischer Schleppkurven für den Gelenkbus nachgewiesen.“ Auch von der Ruhrbahn wurden in den regelmäßigen Abstimmungsrunden diesbezüglich keine solchen Hinweise gegeben, schildert die Verwaltung.
Anwohner Nissen, der seit rund 20 Jahren an der Oberheidstraße lebt und neben der langwierigen Umbauphase auch die Zunahme des Verkehrs - „das hier ist eine Rennstrecke, 30 fährt hier kaum einer“ - mitbekommen hat, kann darüber nur den Kopf schütteln. Seine Bemühungen, die Problematik an der oberen Oberheidstraße bei der Stadt vorzubringen, sei bislang im Sande verlaufen. „Die wollten jemanden rausschicken“, erzählt der 68-Jährige. Dabei sei es allerdings bislang geblieben.
Nach Straßenumbau: Anwohner können nicht mehr vor ihren Häusern halten
Wie seine Nachbarin auch ärgert Nissen sich über weitere Veränderungen nach dem Umbau. Durch die Radwege, die nun auf beiden Seiten der Oberheidstraße eingezogen worden sind, sei das Parken oder Halten vor den Häusern nicht mehr gestattet. „Wenn man hier seine Einkäufe auspacken will, muss man ein ganzes Stück laufen“, sagt Melitta Deuschtner, die seit fast zwei Jahrzehnten in dem Mehrfamilienhaus mit dem Laubengang zur Straße wohnt.
„Auch Lieferdienste haben es hier echt schwer, um zu halten“, hat die 70-Jährige mehrfach beobachtet und fragt: „Was sollen denn die Anwohner machen, die keine Einfahrt haben.“ Die nächsten öffentlichen Parkplätze sind die vor dem Dümptener Friedhof, rund 150 Meter die Oberheidstraße hoch. Für Menschen, die nicht mehr gut zu Fuß seien, etwa einen Rollator nutzen müssten, sei das mitunter ein weiter Weg, weiß die Anwohnerin.
Die Dümptenerin wundert sich, dass die Oberheidstraße so umfassend für Fahrradverkehr umgebaut worden ist, denn: „Für die vier, fünf Räder, die an sonnigen Tagen hier durchkommen...“ Ihr wäre ein anderes Miteinander der Verkehrsteilnehmer lieber gewesen: „Warum hat man nicht auf einer Seite den Radweg angelegt und die andere Seite freigegeben, damit Autos parken können.“
Radwege am Straßenrand, aber kein Platz für Autos, Busse oder Lkw
Auf Bitte dieser Redaktion reagiert die Stadt auf die Kritik der Anwohner und legt dar: „Die Schaffung von durchgehenden Radverkehrsanlagen ist ein wesentlicher Aspekt für das Ziel der Verkehrswende und die Erreichung der Klimaneutralität.“ Dass auf Radfahrstreifen nicht gehalten werden dürfe, sei gesetzlich so vorgeschrieben. „Auch vor dem Umbau existierten in diesen Bereichen keine legalen Parkmöglichkeiten“, heißt es in der Stellungnahme weiter, „parkende Fahrzeuge standen auf dem Gehweg. In den betroffenen Bereichen bestehen Grundstückszufahrten, die zum Be- und Entladen genutzt werden können.“
Anwohnern wie Melitta Deuschtner reicht das nicht. Die 70-Jährige sagt, dass das Mehrfamilienhaus, in dem sie wohne, keine eigene Einfahrt habe, aber eben von vielen mobil eingeschränkten Menschen bewohnt werde. Die Rentnerin fühlt sich von den Verantwortlichen bei der Verwaltung nicht richtig verstanden: „Die Stadt hat kein Ohr für uns Anwohner.“
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