Mülheim. Einer der ältesten Mülheimer Läden schließt. Schlagstöcke, Pistolen, Messer werden abverkauft. Wie Waffen und Stahlwaren Pips so lange überlebte.
Das kleine Schaufenster an der Bachstraße in der Mülheimer Altstadt ist fast leer, die Auslage sehr überschaubar. Eine Steinschleuder für 9,80 Euro. Zwei Döschen Pfefferspray. Ein Teleskopschlagstock. Mehrere Messer, darunter ein Wurfmesser und das Modell „Black Rambo“. Das war‘s. In wenigen Wochen werden auch die gelben Firmenschilder an der Fassade verschwunden sein. Das Traditionsgeschäft Waffen und Stahlwaren Pips schließt - nach 101 Jahren.
Auch im Laden hat Inhaber Thomas Pips kaum noch Ware. Etwas Munition, ein Schweizer Messer, zwei Schrotflinten, die er selber behalten will. „Ich habe keine Fensterwerbung gemacht, dass wir schließen“, sagt er. Der Ausverkauf läuft von selbst. Mit Bestellungen hält er sich zurück. Er wolle nicht am Ende noch auf fünfstelligen Warenwerten sitzen bleiben, meint der 69-Jährige.
Mülheimer Waffenhändler: „Leute, die hier reinkommen, sind nicht alle mein Typ“
Mit einiger Wahrscheinlichkeit werden auch die letzten Stücke noch Abnehmer finden. Schlagstöcke, Gaspistolen, Wurfmesser sind frei verkäuflich ab 18 Jahren, dürfen nur nicht ohne Weiteres mitgeführt werden. Im Zweifel lässt sich Pips den Ausweis zeigen. Wozu seine Kunden die Waffen benutzen, danach fragt der Geschäftsmann nicht. Er sagt: „Die Leute, die hier reinkommen, sind nicht alle unbedingt mein Typ.“ Doch solange sie sich ordentlich verhalten, würden sie bedient. „Sollten sie sich schlecht benehmen, bekommen sie nichts.“
Mit dieser Linie war der Mülheimer, der das Geschäft in dritter Generation führt, offenbar immer recht erfolgreich. Bis letzten Monat, als noch genügend Ware verfügbar war, habe er sehr gute Umsätze gemacht, berichtet der Waffen- und Stahlwarenhändler. Doch die richtig goldenen Zeiten liegen lange zurück. Sein Großvater habe das Geschäft gut aufgebaut, sagt Thomas Pips, sein Vater habe es „hervorragend geführt“. Auf diesem starken Fundament habe er selber gearbeitet. „Ich bin stolz, dass ich 100 Jahre Pips erlebt habe.“
Geschäft feierte im Vorjahr 100-jähriges Bestehen - kein Nachfolger
In 2023 konnte das alteingesessene Mülheimer Geschäft sein 100-jähriges Bestehen feiern. Das Jubiläumsdiplom der IHK liegt nun neben den letzten Stücken im Schaufenster. Thomas Pips ließ ein exklusives Schweizer Taschenmesser von Victorinox designen - mit dem Firmenlogo auf der Klinge. Fast 700 Stück der Sammlermesser hat er bis heute verkauft.
Pips, der selber keine Kinder hat, hoffte zunächst noch auf einen Nachfolger für sein Geschäft. Er erwähnte einen Interessenten in seinem Kundenkreis sowie einen Studenten, der es gerne als Onlinehandel weiterführen würde. Daraus wurde nichts. Ende September läuft der Mietvertrag aus. Nach den Sommerferien soll eine Firma anrücken, um den Laden auszuräumen. Ende August wird wohl der letzte Öffnungstag sein, genau legt Pips sich noch nicht fest.
Großvater und Vater waren Büchsenmacher-Meister
Erinnerungsstücke werde er behalten, sagt der 69-Jährige. Die nostalgische, grüne Registrierkasse auf der Theke. Den gerahmten Meisterbrief seines Großvaters Paul Pips, ausgestellt 1923 in Königsberg, der das Büchsenmacherhandwerk beherrschte, ebenso wie später sein Sohn Heinrich, genannt Henner. Das wuchtige Elchgeweih an der Wand will einem „netten Ehepaar“ schenken. Der Großvater habe den Elch in Ostpreußen selber geschossen.
An der Eppinghofer Straße 28 befand sich das Ursprungsgeschäft von Pips, das 1923 eröffnete. Es musste Anfang der siebziger Jahre für den Bau des Mülheimer City Centers, dem heutigen Forum, weichen, zog um und lag viele Jahre am Fuß des ehemaligen Iduna-Hochhauses. Die geräumige Waffen- und Stahlwarenhandlung mit eigener Werkstatt führte unter anderem vielfältige Haushaltsscheren und -messer, Jagdbekleidung, Zinnteller, Sportpokale. „In der ganzen Mülheimer Innenstadt hatte kein Schaufenster so eine Verweilqualität wie unseres“, sagt Thomas Pips stolz.
Industrielle kauften Jagdwaffen für 15.000, 20.000 D-Mark
Die ganze Familie arbeitete mit, mehrere Angestellte hatte der Laden früher. Dank guter Vernetzung in entsprechende Kreise hätten bis in die achtziger Jahre hinein viele Bosse aus der Schwerindustrie bei Pips Jagdwaffen gekauft, erzählt der letzte Inhaber gerne, etwa von Thyssen Schachtbau oder Krupp. „Sie haben nicht nur für ihren persönlichen Bedarf eingekauft, sondern auch Geschenke für Geschäftspartner - Waffen für 15.000 oder 20.000 D-Mark.“
Seit 1990 befindet sich Waffen Pips am heutigen Standort an der Bachstraße, wo längst in bescheidenerem Rahmen gehandelt wird. Der Onlinehandel habe dem Geschäft sehr geschadet, stellt Thomas Pips fest, aber offenbar hat es sich immer noch gelohnt. Er selber steht seit mehr als vier Jahrzehnten täglich im Laden, seit dem Tod von Henner Pips vor 24 Jahren ist es ein Ein-Mann-Betrieb. Thomas Pips hatte zuletzt schon die Geschäftszeiten reduziert, montags und donnerstags öffnet er erst um 15 Uhr.
Viele Leute sagen: „Pips ist eine Institution in Mülheim“
Er weiß: „Jedes Fachgeschäft, das wegfällt, reißt eine Lücke.“ Doch im Gegensatz zu den früheren Generationen wird er nicht bis zu seinem Lebensende die Stellung halten. Der 69-Jährige könnte sich allenfalls vorstellen, noch etwas Onlinehandel zu betreiben. Häufiger reisen möchte er in Zukunft, mehr Sport treiben, vor allem Radfahren, und einen Sprachkurs belegen: Italienisch. „Mir ist nicht bange vor der Zukunft. Es wird sich finden.“
Viele hätten von der Schließung schon Wind bekommen, sagt Thomas Pips. „Es kommen unheimlich viele Leute rein, die es bedauern und sagen: ,Pips ist eine Institution in Mülheim.‘ Sie haben unser Geschäft als ewigen Laden angesehen. Das macht mich glücklich.“
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