Mülheim. Ausgerechnet während Mülheim seine Wälder zur Pflege an den RVR Ruhr Grün übergeben soll, geht Fachpersonal weg. Wer erledigt nun die Aufgaben?
Ein halbes Jahr hat der Regionalverband Ruhr Grün noch Zeit, bis die Pflege der Mülheimer Wälder - das sind etwa 1000 Hektar - vollständig in seine Verantwortung übergeht. Geplant ist das schon seit langem. Allerdings treten just, wo die Aufsicht schrittweise übergeben werden soll, Probleme auf, die dem RVR Grün einen unerwarteten Berg von Aufgaben hinterlassen. Was steht nun auf dem Spiel?
Denn ein Teil des städtischen Fachpersonals, das den RVR Ruhr Grün tatkräftig unterstützen sollte, soll überraschend gekündigt und sich wegbeworben haben. Ein Grund: „Es bestanden erhebliche Bedenken für den RVR arbeiten zu wollen“, wie Klaus Beisiegel vom Referat Umwelt, Planen und Bauen im Umweltausschuss mitteilte. Trotz vieler Gespräche mit dem RVR und dem Personalrat wollte man sich offenbar nicht darauf einlassen, für den Zeitraum des Vertrags an den Regionalverband Ruhr ausgeliehen zu werden.
Übernahme durch RVR Ruhr Grün: Mülheimer Mitarbeiter hatten „erhebliche Bedenken“
Nach den vorgesehenen Jahren der Erprobung bis Ende 2027 hätten die städtischen Mitarbeiter sich zwar entscheiden können, dauerhaft für den RVR Ruhr zu arbeiten oder zurück in die Stadtverwaltung zu gehen. Diese Lösung aber schien manchen nicht attraktiv genug, obwohl dort die gleichen Bedingungen für den öffentlichen Dienst bestünden wie in Mülheim.
Nun sind zwei der ohnehin zu wenigen Forstwirte, denn seit mehreren Jahren schon sind vier Stellen im Forstbetrieb unbesetzt, gegangen. „Die Personaldecke ist in der Tat dünner geworden“, so Beisiegel.
Vertraglich gerät nun der RVR Ruhr Grün gewaltig unter Druck, denn er muss die Leistungen eben erbringen, „mit welchem Fachpersonal und mit welchem Personalumfang oder mit Hilfe Dritter diese Aufgaben erledigt werden, ist für den Waldeigentümer (Anmerkung: die Stadt Mülheim) nicht relevant“, heißt es auf Anfrage der Redaktion.
Ein Berg von Arbeiten türmt sich kündigungsbedingt auf
Und wichtige Arbeiten drohen liegenzubleiben. Die Hoffnung etwa, dass der Wald bald wieder mit voller Personalstärke auf Vordermann gebracht werden kann. Dabei wäre gerade die Pflege angesichts der Auswirkungen von Klimaschäden (Trockenheit) dringend notwendig, wie die massiven Fällungen und Totholzbeseitigungen an Bäumen im Witthausbusch, Dennebusch und am Frohnhauser Weg im vergangenen Jahr zeigten. Die Mülheimer Arbeitsgruppe Wald hatte unlängst appelliert, Mülheims Wälder müssten nicht nur gepflegt, sondern ökologisch gefördert werden.
Für den RVR Ruhr wäre daran wohl kaum zu denken, wenn sich wegen der weiteren Kündigungen gerade ein Berg von Aufgaben auftürmt, die zum offiziellen Start des Vertrags am 1. Januar 2025 zusätzlich abgearbeitet werden müssten. Denn auch Forstwirte wachsen nicht auf Bäumen.
Noch nicht einmal Personal, um Aufträge auszuschreiben
Dazu gehört insbesondere die Verkehrssicherung im Wald. Bliebe diese Pflicht etwa in den kritischen Herbstmonaten liegen, müsste Mülheim sogar einen Teil der Wälder schließen, bis die Aufgabe nachgeholt sei - schlimmstenfalls alle. „Ja, die Gefahr besteht“, musste Klaus Beisiegel im Umweltausschuss einräumen.
Denn gerade sei die Situation wegen des verlorenen Personals „sehr angespannt“, insbesondere fehle es eben bei der Verkehrssicherung. Es sei im Forstbetrieb sogar so wenig Personal vorhanden, dass man Aufträge aktuell nicht einmal ausschreiben könne, um so etwa den RVR - der jetzt noch als externer Betrieb gilt - mit Baumkontrollen beauftragen zu können. Und selbst dann könnte es auch beim RVR Personalengpässe geben, erläuterte eine Sprecherin des RVR im Umweltausschuss, weil alle Kommunen Schwierigkeiten mit der Verkehrssicherung hätten und „wir prioritär nicht alles gleichzeitig abarbeiten können“.
Schlüsselstelle des Mülheimer Forstbeauftragten noch unbesetzt
Auch noch nicht besetzt, ist die Schlüsselstelle des Forstbeauftragten. Dessen Aufgabe ist es, die Leistungen des RVR Ruhr Grün zu kontrollieren und die Interessen der Stadt gegenüber dem Betrieb zu vertreten. Und damit verbunden sind eben auch Ansprüche, falls die Leistungen nicht wie vereinbart erbracht werden sollten. Erst Ende Juni soll sie ausgeschrieben werden und zum 1. Januar 2025 loslegen.
Im Umweltausschuss zeigte sich die Politik recht konsterniert über die offenbar bisher unbekannte schwere Misere: „Personal bricht weg, der RVR hat keine Ansprechpartner - wie will man das nächste halbe Jahr gewährleisten, dass es rund läuft?“, fragte die CDU.
„Wir werden im zweiten Halbjahr gemeinsam noch ein bisschen Gas geben müssen“, antwortete Beisiegel. Verkehrssicherungsmaßnahmen sollen von der Försterin notgedrungen ohne Ausschreibungsverfahren direkt an „Firmen ihres Vertrauens“ - sprich den RVR - vergeben werden können. Da bestimmte Waldsicherungsmaßnahmen durch Personalmangel „nicht ausgeschöpft“ würden, könne man den RVR zum Jahresbeginn dieses eingesparte Geld mit dem „Berg an Aufgaben“ übergeben. Gespräche dazu würden in den kommenden Wochen geführt, man sei, so Beisiegel, „auf einem guten Weg“.
Zusätzlicher Vertragspunkt für Mülheims Kreisjägerschaft aufgenommen
Nahezu eins zu eins seien die von der Politik im vergangenen Jahr beschlossenen Leistungen in den Vertrag eingegangen, versicherte Klaus Beisiegel. Zusätzlich aufgenommen wurden etwa die Wünsche der Kreisjägerschaft. Die Nutzung von Gebäuden und Einrichtungen an der Försterei soll ihr weiterhin möglich sein.
Für die Leistungen des RVR Ruhr Grün sind nun vertraglich 883.500 Euro im Jahr vereinbart. Rund 141.000 Euro macht dabei die Mehrwertsteuer aus. Die Summe soll in mehreren Schritten quartalsweise gezahlt werden.
Darin eingeschlossen soll ein jährlicher Personalkostenanteil von 440.300 Euro sein. Der Sachkostenanteil von rund 443.200 Euro soll bis Ende 2027 unverändert bleiben. Wird der Vertrag danach weitergeführt, können diese Kosten jährlich erhöht werden.
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