Mülheim. Fast alle Schüler an der Zunftmeisterstraße sind Nichtschwimmer. Ein mobiles Bad, das dort für einige Wochen steht, soll sie ans Wasser gewöhnen.

14 Prozent der Mülheimer Kinder können nach der Grundschule nicht schwimmen. Viele andere bewegen sich auf Seepferdchen-Niveau, können sich also gerade einige Meter über Wasser halten. Lediglich etwas mehr als die Hälfte aller Jungen und Mädchen ist beim Wechsel auf die weiterführende Schule sicher im Becken. Um diese Zahl deutlich zu erhöhen, und damit vielleicht auch Leben zu retten, engagieren sich in Mülheim verschiedene Akteure. Ihr jüngster Coup: Als eine der ersten Kommunen in NRW ist es ihnen gelungen, den mobilen Schwimmcontainer „Narwali“ in die Stadt zu holen. Kita- und Grundschulkinder aus Stadtmitte und Styrum profitieren davon in den kommenden Wochen.

Da ist zum Beispiel Levinia (7). Sie war „schon mal mit Papa im Schwimmbad“ und fand das „lustig“. Sich gefahrlos im Wasser bewegen, kann sie deshalb noch lang nicht. Und so geht es tatsächlich allen 27 Jungen und Mädchen aus der 2b der Grundschule an der Zunftmeisterstraße. „Niemand von ihnen kann schwimmen, viele hatten noch nicht mal Kontakt mit Wasser“, weiß Klassenlehrer Alex Kanonis. Dass nun ein Container mit 23 Kubikmetern und einer Bahn von drei mal acht Metern neben der Schule aufgebaut worden ist, begrüßt er: „So haben sie zumindest die Chance, erste Vorerfahrungen zu sammeln.“ Der Start in den regulären Schwimmunterricht ab Klasse 3 gelinge so sicher besser.

Mülheimer Klassenlehrer freut sich: „Angst hat hier zum Glück keiner“

Kanonis steht am Mittwochmorgen mit den Kindern im Wasser - „Angst hat hier zum Glück keiner“ - und zeigt ihnen, wie angenehm es ist, sich wie eine Seerose auf dem Rücken treiben zu lassen. Und wie viel sicherer man sich fühlt, wenn man ein Schwimmbrett zum Festhalten dabei hat. Jeweils sieben Kinder sind für eine Stunde im Pool. Im engen Container gibt es sogar Umkleiden, eine Dusche und eine Toilette. Unterstützung erhält Kanonis von Übungsleiter Denis Saltaev vom Schwimmprojekt „Flotte Flosse“. Beide behalten die Kinder akribisch im Blick, vermitteln Sicherheit durch Ruhe.

Die Mülheimer Grundschülerinnen (v.l.) Aisha (8), Levinia (7) und Naima (7) - hier neben Übungsleiterin Bärbel Klömpken - sind gerade fertig mit ihrer Schwimmeinheit und begeistert.
Die Mülheimer Grundschülerinnen (v.l.) Aisha (8), Levinia (7) und Naima (7) - hier neben Übungsleiterin Bärbel Klömpken - sind gerade fertig mit ihrer Schwimmeinheit und begeistert. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Wer den klassischen, weißen Übersee-Container als Besucher betritt, gerät sofort ins Schwitzen. Die Atmosphäre ist wie in jedem anderen Bad: feucht und heiß. Brillen beschlagen. Hinzu kommt dieser typische Geruch. Ein an die Wand gemalter Hai grinst die Schüler an, macht Mut. Lehramtsstudentin Michelle-Marie Trapp (23) begleitet Levinia, Aisha (8), Naima (7), Sara (9) und Yanko (9) gerade mit noch leicht nassen Haaren zurück ins Schulgebäude. Die Kleinen sind happy: „Die hatten alle Spaß. Auch weil sie wussten, dass nichts passieren kann.“ Diese Zuversicht zu vermitteln, ist eines der Hauptziele des großflächig angelegten Projekts. Jedes Kind, das mitmacht, bekommt deshalb auch das Pixi-Büchlein „Hurra, wir gehen schwimmen“ geschenkt.

Jedes Kind, das den Sprung ins Nass wagt, bekommt das Pixi-Büchlein „Hurra, wir gehen schwimmen“

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In allen fünf NRW-Regierungsbezirken gibt es seit kurzem solche Container, es ist auch ein Eingeständnis daran, dass es stetig weniger Flächen gibt, die sich zum Schwimmen eignen. Kommunen können sich darum bewerben, dass der Mini-Pool für sechs Wochen bei ihnen aufgestellt wird. Mülheims Verwaltung, Vereine, Sportbund, Sportservice und andere Akteure haben sich von Anfang an dafür interessiert, betont Bildungsdezernent David Lüngen beim Pressetermin. Federführend lag die Verantwortung beim größten Schwimmverein Deutschlands, dem SV Bayer Uerdingen 08, doch Mülheim habe aktiv mitgemischt. Und so sei es gelungen, als zweite Stadt nach Krefeld den Zuschlag für den Container zu bekommen.

Noch bis zu den Ferien steht die Anlage jetzt an der Zunftmeisterstraße und wird zwischen 8 und 16 Uhr auch von der Brüder Grimm Schule sowie umliegenden Kitas genutzt. Am Abend trainieren dann Schwimmer aus Mülheimer Vereinen im Mini-Pool, „das ist wegen der Gegenstromanlage interessant für sie“, so Lüngen.

„Wenn es gut geht, wird es aber sicher bald noch mehr Schwimm-Container im Land geben“

Laut Gunter Archinger, Geschäftsführer des SV Bayer Uerdingen 08, mussten für das Bad genau die gleichen Auflagen erfüllt werden wie für große Bäder. Das sei bei dem kompakten, mobilen Becken, das fest auf einem Hänger installiert ist, in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung gewesen. „Wir lernen noch immer jeden Tag dazu.“ Noch bis Ende 2025 fährt Narwali durchs Land. „Und wenn alles gut geht, wird es sicher bald noch mehr Schwimm-Container geben.“ Diese werden übrigens im leeren Zustand von A nach B transportiert und erst dort mit frischem Wasser aufgefüllt. Rund eine Woche dauert es jedes Mal, bis die Bedingungen im Bad so perfekt sind, dass wieder Schwimmanfänger vorbeikommen können.

Der Schwimmcontainer „Narwali“ steht aktuell an der Mülheimer Grundschule an der Zunftmeisterstraße.
Der Schwimmcontainer „Narwali“ steht aktuell an der Mülheimer Grundschule an der Zunftmeisterstraße. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Jacqueline Weber, Leiterin der Grundschule an der Zunftmeisterstraße, ist dankbar für die Unterstützung: „Bei uns steht der Container genau richtig. Unsere Kinder würden nämlich andernfalls fast alle zu den 14 Prozent gehören, die gar nicht schwimmen können. So aber können wir diese Zahl vielleicht senken.“ Weber hat beobachtet, dass das Projekt nicht nur die Kinder, sondern auch viele Eltern stolz macht. „Die können oft selbst nicht schwimmen. Nach der Erfahrung jetzt treten die Kinder ihnen vielleicht auf die Füße, dass sie endlich in den Schwimmkurs dürfen.“ Eine gute Gelegenheit seien übrigens auch Ferienschwimmcamps, die verschiedene Mülheimer Vereine anbieten, hieß es am Mittwoch.

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