Moers. Immer weniger Ware, hohe Scham unter Kunden, beliebte Produkte fehlen: Die Tafel Moers hat viele Sorgen. Nun soll eine Großspende einiges ändern.

Per Knopfdruck Gutes tun: Dank dieses Prinzips hat die Moerser Tafel einen Scheck in Höhe von 15.000 Euro von dem Lebensmittelhändeler Lidl entgegengenommen. Durch Kundinnen und Kunden, welche bei der Flaschenrückgabe am Automaten ihr Pfand an den Dachverband der Tafeln gespendet und auf eine Auszahlung verzichtet haben, kommt die Summe zustande. Und findet bei der Sozialeinrichtung an der Wittfeldstraße dankbare Abnehmer.

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Die fünfstellige Spendensumme fließt in die Anschaffung eines Tiefkühlfahrzeuges ein. „Unser Fuhrpark war schon 16 Jahre alt und die Reparaturkosten sind hoch“, berichtet der 2. Vorsitzende der Tafel, Rainer Hellfeier. Weiteres Problem: Das bisherige Vehikel, mit dem die Ehrenamtler auf der Suche nach überschüssiger Ware bei Supermärkten, Landwirten und Lebensmittelerzeugern rund 20.000 Kilometer im Jahr „durchs halbe Ruhrgebiet“ gefahren sind, war ein reines Kühlfahrzeug. „Tiefkühlprodukte durften wir bis jetzt nicht abholen.“ Mit dem neuen Transporter, in welchem fünf Europaletten voller Waren Platz finden, sei die Moerser Tafel „viel flexibler“.

Überraschende Entwicklung: Tafel Moers verzeichnet rückläufige Kundenzahl

Diese Flexibilität kommt der Moerser Tafel entgegen: Immer schwieriger sei die Suche nach Lebensmitteln für Bedürftige geworden. Seit der Corona-Pandemie hake es bei den Abläufen der Produzenten, berichten die freiwilligen Helfer. Das führe dazu, dass bei den Tafelkundinnen und -kunden beliebte Waren oftmals fehlen würden. „Alle schreien nach Käse“, sagt Rainer Hellfeier. Man könne heute nicht kalkulieren, was übermorgen in der Ausgabe angeboten wird. Immerhin auf die Zusammenarbeit mit den benachbarten Tafeln sei Verlass: So verfügen etwa die Kolleginnen und Kollegen aus Neukirchen-Vluyn über einen guten Zugang zu Käse und anderen Milcherzeugnissen. „Es ist ein bisschen wie ein Tauschgeschäft unter den Tafeln“, fasst der 1. Vorsitzende Corda Raffaele zusammen. Dazu kommen saisonale Engpässe: Hat der hiesige Landwirt im Sommer mal enorme Mengen überproduzierter Tomaten abzugeben, macht sich die beliebte rote Frucht in den kalten Monaten in den Tafelregalen rar.

Durch Corona, Ukraine-Krieg und Inflation war die Zahl der Kundinnen und Kunden bei den Tafeln in ganz NRW – so auch in Moers – stark gestiegen. Dieser Trend scheint zumindest in der Grafenstadt offenbar gestoppt. „Wir beobachten seit etwa zwei Monaten eine rückläufige Kundenzahl“, berichtet Hellfeier. Statt 250 seien zuletzt nur noch 150 Menschen zu den Ausgabeterminen erschienen. Ein möglicher Grund seien Geflüchtete aus der Ukraine, die in den Arbeitsmarkt eingegliedert wurden oder in ihre Heimat zurückgekehrt sind, spekuliert der Vize-Chef. Nicht zu vernachlässigen sei jedoch die Dunkelziffer an insbesondere älteren Menschen, welche auf Hilfe angewiesen wären und trotzdem nicht zur Tafel gehen: „Viele Menschen in Armut schämen sich. Kürzlich haben wir mit einer älteren Dame gesprochen, die nur eine Scheibe Graubrot zuhause hatte. Da wird einem schon anders.“

Moerser Tafel: Standort ist laut Vorsitzenden nicht sicher

Mit der jüngsten Anschaffung des rund 70.000 Euro teuren Tiefkühlfahrzeugs hat die Moerser Tafel nun eine Grundlage, um noch mehr Moerserinnen und Moerser mit günstigen Lebensmitteln zu versorgen. Und der Vorstand blickt bereits auf die nächsten Großprojekte. Ein Tiefkühlhaus haben die Ehrenamtler bereits angeschafft und hoffen noch auf einen Sponsor. Dazu sei unklar, ob die Tafel bis zum Ablauf des Mietvertrags im Jahr 2027 – oder gar darüber hinaus – an der Wittfeldstraße bleiben könne, berichten die Vorsitzenden. Da kommen Aktionen wie die jährliche Pfandspendenübergabe von Lidl offenkundig gelegen. Insgesamt hat der Discounter so seit 2008 mehr als 4,3 Millionen Euro an nordrhein-westfälische Tafeln ausgeschüttet. „Ich kenne viele Menschen, die pro Einkauf eine Flasche á 25 Cent spenden“, schildert Torsten Sturies, Personalleiter der Lidl-Regionalgesellschaft Kamp-Lintfort, und ergänzt: „Die Menge macht den Unterschied.“