Kreis Wesel. Angebote wie verkaufsoffene Sonntage sollen im Kreis Wesel die Kauflust wecken. Doch die Kunden halten ihr Geld zusammen, klagt der Einzelhandel.

Für den heimischen Einzelhandel hat jetzt die wichtigste Zeit des Jahres begonnen: Das Weihnachtsgeschäft läuft an, doch es ist mit Ungewissheit verbunden. Große Hoffnung liegt dabei auch auf den verkaufsoffenen Sonntagen, ein paar davon stehen in der Region noch bevor. Doris Lewitzky, Geschäftsführerin des Handelsverbands Niederrhein, schaut verhalten auf die kommenden Wochen.

Ihr Dachverband, der Handelsverband Deutschland, rechnet mit einem „nominalen Plus von 1,3 Prozent“ im November und Dezember gegenüber dem Vorjahr. „Das ist unter dem Strich ein Nullsummenspiel“, sagt Lewitzky, denn in dieser Zahl sind Preissteigerungen und Inflation nicht einberechnet. Es sei also nicht zu erwarten, dass die Monate November und Dezember den Einzelhandel komplett aus seiner Misere holen wird. Als Grund dafür nennt sie das nach wie vor zurückhaltende Kundenverhalten.

Spontaneinkäufe sind deutlich seltener

Das sei, wie bereits im vergangenen Jahr, deutlich bewusster und zielgerichteter als in vielen Vorjahren. Das Geld sitzt nicht mehr so locker, das spüren auch die Einzelhändler im Kreis Wesel. „Wir vermissen Spontankäufe, die Kunden schauen nicht mehr rechts und links oder lassen sich dazu inspirieren, noch etwas Ungeplantes mitzunehmen.“

Ein zentraler Schlüssel zum Erfolg seien deshalb Angebote wie die verkaufsoffenen Sonntage. Tage, an denen die Menschen entspannt durch die Städte bummeln, „nicht im Stress nach Feierabend eine Liste abarbeiten, sondern auch mal stehen bleiben und einen Kaffee trinken“, so Lewitzky. Kunden, die Muße und Zeit haben, lassen sich eher zu Spontankäufen verführen. „Hier müssen Pakete geschnürt werden, es braucht Gastronomie und Kulturangebote.“ Einkaufen soll einen Freizeitwert haben.

Onlinehandel bleibt eine Konkurrenz

Darüber hinaus ist das Engagement der Einzelhändler gefragt, sie müssen investieren, in erster Linie in ihre Kundenbindung. „Es braucht Zeit, den Kontakt zu halten, die Kunden anzusprechen, um die Stammkundschaft zu halten und sie nicht ans Internet zu verlieren“, sagt die Fachfrau. Zwar stellt der Handelsverband Deutschland fest, dass der Online-Handel kein Wachstumstreiber mehr sei. Ein wichtiger Faktor bleibe er dennoch: „Online ist inzwischen kein Selbstläufer mehr“, so Lewitzky. Eine ernsthafte Konkurrenz bleibe das Internet trotzdem.

Vor allem chinesische Billiganbieter wie Temu und Shein, die Ware zu Niedrigstpreisen anbieten, seien aktuell für junge Kundinnen und Kunden attraktiv. Dass es hier häufig an der Qualität der Produkte mangelt, „scheint für diese Altersgruppe nicht so wichtig zu sein“. Auch Aktionen wie der „Black Friday“ seien im heimischen Handel deutlich spürbar. „Der Online-Handel verschwindet nicht einfach, aber er stagniert.“ Der Boom aus den Coronajahren lasse sich nicht endlos fortführen. „Wir stellen fest, dass die Menschen wieder gern in die Innenstädte gehen.“ Ein Pfund, mit dem sich wuchern lässt, etwas Kreativität vorausgesetzt.

Forderungen an die Politik

Investieren müssen die Einzelhändler allerdings auch in ihre Unternehmen, und hier sieht Doris Lewitzky die Politik in Zugzwang, denn die Kostenspirale drehe sich schnell. „Ich erwarte, dass Investitionen belohnt werden, dass es mehr Abschreibungsmöglichkeiten gibt“, sagt sie. „Die Politik muss das erkennen, sonst haben die Einzelhändler keine Möglichkeiten mehr, werden immer mehr abgehängt und verpassen den Anschluss.“ Öde Innenstädte in der Region wären eine mögliche Folge.

Laut Handelsverband Deutschland ist die Erwartungshaltung der Einzelhändler bundesweit je nach Branche recht unterschiedlich. 53 Prozent der Nicht-Lebensmittelhändler erwarten demnach ein schlechteres oder deutlich schlechteres Geschäft als in der vergangenen Vorweihnachtszeit. Optimistischer blickten die Händler von Sportartikeln, Spielwaren, Unterhaltungselektronik, Uhren und Schmuck auf die kommenden Wochen.

Im Bereich Spielwaren werde mehr als die Hälfte des gesamten Jahresumsatzes in dieser Zeit erreicht, doch alle Sparten brauchen das Weihnachtsgeschäft zum Überleben. „Die letzten zwei Monate sind für die Einzelhändler sehr wichtig. Der Umsatz ist schon am Anfang des Jahres fest einkalkuliert“, weiß die Geschäftsführerin des Handelsverbands Niederrhein.

Verkaufsoffene Sonntage und Weihnachtsmärkte

Wie sieht die Prognose 2024 für den Einzelhandel im Kreis Wesel aus? „Ich bin hoffnungsvoll“, sagt Doris Lewitzky. Im Prinzip sei der heimische Handel gut aufgestellt, „er hat, was die Kunden wünschen“. Neben den verkaufsoffenen Sonntagen sorgten die zahlreichen Weihnachtsmärkte für eine Belebung der Innenstädte und Einkaufsstraßen und damit für Kunden in den Geschäften. „Wir müssen positiv an die Sache herangehen.“