Kreis Wesel. Eine Kette nach der anderen meldet Insolvenz an oder schließt Filialen. Das bedeutet Leerstände – was Kommunen und Einzelhandel tun können.
Wankende Einzelhandelsketten wie etwa Hussel, Esprit oder Depot, leer gezogene Kaufhäuser – die Negativmeldungen häufen sich. Was bedeutet das für die Innenstädte im Kreis Wesel? Verlieren die verbliebenen Einzelhändler noch mehr Kunden ans Internet, weil die Einkaufsmeilen unattraktiv geworden sind oder können neue, individuelle Geschäfte die Lücken füllen?
Doris Lewitzky, Geschäftsführerin des Einzelhandelsverbandes Kreis Wesel/Duisburg, führt die Schwäche der Ketten darauf zurück, dass es nach Corona eine Krise nach der anderen gegeben habe, einige von ihnen ohnehin schon kränkelten. „Das Konsumverhalten hat sich verändert und es war in Wellenbewegungen ein jahrelanges Auf und Ab, meist leider eher ein Ab.“ Sie nennt die Inflation im vergangenen Jahr als eines der größten Probleme, die Menschen haben mehr aufs Geld geguckt.
Wie geht es weiter, wenn die Kaufhäuser sich aus dem Bild verabschieden und gleich mehrere Ladenlokale leer stehen? Neue Konzepte müssten her, sagt Lewinsky, doch es gebe bereits Ansätze. Kommunen und Wirtschaft seien auf die neue Situation eingestellt. Einkaufsbummel in der City soll ein Erlebnis sein, verbunden mit Gastronomie und attraktiven Veranstaltungen, „wir müssen permanent dran bleiben, brauchen neue Strukturen und Ideen“. Solche, die die Jugend in die Stadt holen, ihr dort Raum bieten, etwa, und solche, die den Besuch in der City zum kurzweiligen Familienausflug machen.
Das Problem ist erkannt: „Wir brauchen starke Wirtschaftsförderungen, Werbegemeinschaften, ein gutes Stadtmarketing. Viele Kommunen im Kreis Wesel investieren hier.“ Sowohl die Städte, als auch die einzelnen Händler stehen zudem vor der Herausforderung, stärker in den sozialen Medien vertreten zu sein, „Menschen informieren sich häufig per Handy über das örtliche Angebot“, weiß Lewinsky. An diesem Punkt ist es wichtig, dass sie auch fündig werden, so die Idee.
Als Beispiel für eine gelungene Kommunikation nennt die Fachfrau einen Einzelhändler, der sich wöchentlich per Instagram bei seinen Kunden meldet, sein Team zeigt, Neuheiten ankündigt, und das mitunter mehrmals. So etwas komme an, wirke auch über Stadtgrenzen hinaus und sei wichtig für die Kunden.
Längst ist man über die reinen Konzeptideen hinaus, der Niederrhein sei bereits gut unterwegs. Lewinsky nennt die Kreisstadt Wesel als positives Beispiel, mit ihren Veranstaltungen über das ganze Jahr, das starke Stadtmarketing und die Wirtschaftsförderung. Es sei noch eine Herausforderung, freie Flächen neu zu bespielen, die des Kaufhofs beispielsweise. Moers sei mit seinem Stadtmarketing ebenfalls sehr aktiv, der Rat habe sich letztlich auch in Sachen verkaufsoffener Sonntag bewegt, Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn sieht sie mit ihrem Stadtmarketing auf einem guten Weg. Es gilt etwas zu bieten, das das Internet nicht kann und ein Sorgenkind bei diesem Thema könne sie im Kreis Wesel nicht ausmachen.
Kreative Neueinsteiger sollen es leichter haben
Bleibt dennoch das Problem mit den wegbrechenden Filialisten, wer soll und kann sie ersetzen? Doch sind es tatsächlich die Ketten, die eine Innenstadt attraktiv machen, oder sorgen sie eher für Austauschbarkeit und Anonymität, weil es sie in beinahe jeder Stadt gab oder gibt? Lewitzky berichtet von Modellen, bei denen Start-ups preiswertere Mieten in guten Lagen angeboten werden: Vermieter, das Land NRW, die Kommune und die Eigentümer leisten ihren Beitrag, um die Mieten befristet auf ein paar Jahre niedrig zu halten und Neueinsteigern so eine Chance zu geben, sich zu etablieren. Das könnte mehr individuelle, inhabergeführte Geschäfte in die Stadt bringen, mehr Flair, mitunter sogar dauerhaft. „Möglicherweise hat sich gezeigt, dass die Ketten nicht mehr den Kundenwünschen entsprechen“, sagt Doris Lewitzky, „sie suchen eher das Individuelle im Handel“. Dieses Etwas, das sie nicht per Mausklick haben können, das ihnen mehr bietet, denn: „Die Kunden sind anspruchsvoller geworden“. Darauf muss der Handel eine Antwort finden, sollen die Innenstädte weiter Anziehungspunkte sein, die Einzelhändler ihr Auskommen haben und quirliges Leben in die Städte kommen. Allerdings haben es auch die kleinen Läden schwer. Lewitzky zeigt sich dennoch optimistisch, dass das gelingen wird, „der Handel hat eine besondere Faszination, er bietet andere Erfahrungen. Das ist seine Chance.“