Niederrhein. Schafzüchter, Politik und Verwaltung trafen sich auf einem Hof in Hünxe. Wieder wurden Schafe gerissen, alle Rezepte gegen den Wolf helfen nicht.

Sieben Schafe hat der Gartroper Schäfer Erich Specht in diesem Jahr bereits an Wölfe verloren, zuletzt in den Nächten auf den 24. und den 25. August. Für die Schafzüchter nimmt das Drama kein Ende, jetzt haben sie Politik und Presse auf Spechts Hof eingeladen. „Der Herdenschutz in NRW ist am Ende“, sagt Moderator Stefan Steinkühler und er bleibt unwidersprochen. Maik Dünow, Berufsschäfer aus Wesel und Vorsitzender der Schafhalter im Kreis Wesel, spricht auch für seine Kollegen, wenn er weiter geht: „Der Herdenschutz frisst die Betriebe auf!“

Hilflosigkeit prägt diese Diskussion, an der Schäfer, Poltiker, Verwaltung, Deichschützer und andere beteiligt sind, es ist ordentlich was los auf dem abgelegenen Hof an diesem Tag. Diese Hilflosigkeit sei nicht neu, sie habe sich nur vertieft, attestiert Steinkühler.

Thema Herdenschutz: Am Tag der Versammlung prangert eine Arbeitsgemeinschaft des Nabu Kreis Wesel, Kreis Borken und Stadt Bottrop unter dem Titel „Gelegenheit macht Diebe“ an, dass bis zu drei Viertel aller Nutztierrisse laut Dokumentationsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) hinter mangelhaften Zäunen stattfänden. „Rund um Schermbeck dürfte der Prozentsatz noch höher liegen“, lässt sich Rolf Fricke vom Nabu Bottrop in der Mitteilung zitieren. „Und so lange das so bleibt, wird es keinen Frieden mit dem Wolf in der Region geben. Denn erst die Gelegenheit macht hier zu oft die Diebe.“

Ein hoher Zaun, Strom gegen das Überspringen: Herdenschutz ist teuer und hilft offenbar wenig.
Ein hoher Zaun, Strom gegen das Überspringen: Herdenschutz ist teuer und hilft offenbar wenig. © FUNKE Foto Services | Erwin Pottgießer

Wie war das auf dem Hof Specht? „Wir dachten, alle Zäune sind richtig“, sagt Erich Specht traurig, sie seien auch fachlich geprüft worden, Schwachstellen habe es nicht gegeben. 50.000 Euro habe er in den Herdenschutz investiert, 20.000 erstattet bekommen, jährlich koste es ihn zwischen 3000 und 5000 Euro, sie auf Stand zu halten. „Wir wissen nicht, wie die Wölfin hineingekommen ist.“ Da ist sie, die Hilflosigkeit. Specht fordert, und ist sich mit dem Nabu und allen Anwesenden offenbar einig, ein besseres Wolfsmonitoring des Landes NRW: professioneller, schneller, unterstützender. Während die großen Fragen geklärt werden – Abschuss? Wenn ja, wie? Ist das auch gerichtsfest? – sollte das Land eine Task Force einrichten, mit Fachleuten, die sofort anrücken, wenn es einen Riss gegeben hat, einen Schutz für die Nacht aufbauen, also ganz praktisch helfen. In Rheinland-Pfalz sei so etwas Alltag, sagt jemand.

In der Nacht gibt es keinen Schutz vor dem Wolf

Eine große Frage aktuell formulierte Steinkühler aus: Wie können die Schafhalter nachts ihre Tiere schützen? Eine Antwort darauf gebe es nicht, das Optimum von 1,20 Metern sei erreicht und Hunde nicht die Allroundlösung. Höhere, mobile Zäune seien nicht mehr zu handhaben. Das Monitoring in NRW sei zudem aktuell zu passiv und zu langsam. In diesem Punkt herrscht Einigkeit, es dauere zu lange, bis ein Riss als solcher anerkannt wird und der individuelle Wolf auch per DNA identifiziert ist.

Bliebe die Forderung, sogenannte Problemwölfe zu töten, allen voran „Gloria“. Voraussetzungen dafür sollte die Novelle der Wolfsverordnung des Landes im vergangenen Jahr schaffen, auch gab es bereits eine Verfügung des Kreises Wesel, die Wölfin schießen zu lassen. Sie hat bereits einiges Geschick im Überwinden von Schutzzäunen gezeigt und gehörigen Schaden angerichtet. Klaus Horstmann, Fachdienstleiter für den Bereich Naturschutz, Landwirtschaft, Jagd und Fischerei der Kreisverwaltung Wesel, findet ernüchternde Worte. Den Abschuss von Gloria hatte das Oberverwaltungsgericht Münster verboten. „Landauf, landab werden Verfügungen von den Gerichten einkassiert“, berichtet er. Man habe erkannt, dass der Kreis der Wölfin auf diese Weise nicht beikommen kann. „Es ist notwendig, von der obersten Ebene bis unten hindurch die Gesetze zu ändern“, so Horstmann. Wo immer jemand gegen eine Verfügung klage, werde sie sonst gekippt.

Nabu: Gloria sollte geschossen werden, Wölfe gehören aber nicht ins Jagdrecht

Immer im Fokus der Wolfsdiskussion steht auch der Nabu, sein streitbarer Kreisvorsitzender Peter Malzbender ist ebenfalls zur Versammlung gekommen. Zum Thema Gloria sagt er, sie müsse „gekillt, geschossen“ werden, den beschönigenden Begriff „entnehmen“ lehne er ab. Forderungen, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen hingegen erteilt er eine Absage, es gebe keine Überpopulation wie es etwa bei Wildschweinen der Fall sei. Auch ganze Rudel zu schießen sei nicht hinnehmbar.

Landespolitiker von SPD, CDU und FDP sind auch auf Spechts Hof gekommen. Stephan Wolters, CDU, fordert: „Wir müssen in Deutschland den Schutzstatus des Wolfes dringend übrarbeiten.“ Dietmar Brockes von der FDP stimmt zu, er erwarte „schnell und dringend, dass Gesetze auf nationaler Ebene angepasst werden“. Den Umstehenden steht es ins Gesicht geschrieben: So etwas dauert Jahre, vermutlich ist die nicht mehr so junge Gloria bis dahin an Altersschwäche eingegangen. Vorwürfe, wie der der SPD-Landtagsabgeordneten Julia Kahle-Hausmann, die Landesregierung habe handwerkliche Fehler gemacht, fruchten da wenig, „das war unter der Vorgängerregierung nicht anders“, kommt es zurück. So klingt Hilflosigkeit auf allen Ebenen.