Bedburg-Hau/Kalkar. Geschäftsführer Deniz Oynak ist maßlos verärgert. Dass der Kreis Kleve seinen vorbildlichen Mitarbeiter abschieben wolle, sei nicht zu verstehen.
Deniz Oynak ist wütend, richtig wütend sogar. Der 44-jährige Geschäftsführer eines Bedburg-Hauer Kunststoff-Recycling-Unternehmens nimmt kein Blatt vor den Mund und ärgert sich maßlos über den deutschen Staat, der über die Ausländerbehörde des Kreises Kleve kürzlich angekündigt hat, Oynaks Mitarbeiter Mohamed Mokhles Fouad Attia bald abschieben zu wollen.
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„Leute, die bei uns friedlich leben, zuverlässig sind und sich gut integrieren – sowie sogar auf eigene Kosten Deutsch-Kurse besuchen, schiebt man ab. Aber Kriminelle und solche, die gar nicht arbeiten wollen und hier auf Kosten des Staates leben, dürfen bleiben.“ Das könne doch nicht richtig sein, moniert Oynak, der sich festlegt: „Hier wird der Falsche abgeschoben!“
Abenteuerliche Flucht über tausende Kilometer
Dann erzählen er und sein ägyptischer Mitarbeiter die abenteuerliche Geschichte einer Flucht, die man sich eigentlich gar nicht vorstellen kann: Der heute 22-jährige junge Mann wurde in Ägypten geboren, durchlief dort die Schule und schloss seine dreijährige Ausbildung zum Heizungs- und Sanitär-Installateur erfolgreich ab. „Dann gab es ein Problem“, sagt der sympathische junge Mann, zuckt beide Schultern und ergänzt ratlos: „Einfach keine Arbeit für mich!“
Grund für Auswanderung: Keine Perspektive in der Heimat
Sein Bruder, der zu diesem Zeitpunkt bereits in Bremen lebte und arbeitete, riet ihm, auch nach Deutschland zu kommen. Hier gebe es schließlich Arbeit genug. Das ließ sich Mokhles Fouad Attia nicht zweimal sagen. Er wanderte aus Ägypten aus – wobei man dies fast wörtlich nehmen muss: Denn nach seinem Flug in die Türkei setzte er seine Reise zu Fuß von Istanbul aus fort – drei Monate benötigte er für die fast 2500 Kilometer. Unterwegs sei er in Albanien von Polizisten wieder bis an die Landesgrenze zurückgebracht, sein Handy von der Polizei mutwillig zerstört worden und ihm seien von den Ordnungshütern Schläge angedroht worden, würde er nochmal in Albanien angetroffen.
Doch der junge Mann ließ sich nicht entmutigen und wanderte über eine andere Route weiter und erreichte tatsächlich Deutschland, wo er umgehend einen Asylantrag stellte. Zunächst landete er in der Zentralen Verteilstelle in Bochum, die ihn dann letztlich über Umwege nach Kalkar schickte, wo er jetzt wohnt.
Oynak: Der Staat hätte mehrere 1000 Euro sparen können
Statt nur tatenlos in der Unterkunft zu hocken, wollte sich der Ägypter nützlich machen und zog los, sich eine Arbeit zu suchen. Er fuhr mit einem Fahrrad dutzende Kilometer durch den Kreis Kleve und klapperte eine Firma nach anderen nächsten ab. So landete er auch im Hasselter Gewerbegebiet und stellte sich im April 2024 bei Oynak Kunststoffrecycling vor. Dessen Geschäftsführer Deniz Oynalk merkte schnell, dass er hier einen arbeitswilligen und zudem nicht ganz ungeschickten jungen Mann vor sich stehen hatte, den er in seinem Betrieb auch noch sehr gut gebrauchen konnte.
„Dann habe ich monatelang gekämpft, um eine Arbeitserlaubnis für ihn zu bekommen“, berichtet der 44-Jährige, der sich darüber ärgert, dass dies dann noch bis zum 21. August 2024 gedauert habe. Er rechnet vor, dass jeder dieser Monate den Staat nicht nur die 570 Euro Unterstützung für Mohamed Mkhles Fouad Attia gekostet habe. Bei einer Festanstellung hätte der Staat über Steuern auch noch hunderte Euro zurückbekommen. Über 1000 Euro hätten an Kosten also pro Monat gespart werden können, so Oynak, der dafür null Verständnis aufbringt. Er nennt es „eine Sauerei, dass man die Steuergelder so aus dem Fenster wirft“.
Ägypten gilt als sicheres Herkunftsland
Dass seinem Mitarbeiter, der als Produktionshelfer zur vollsten Zufriedenheit seines Chefs arbeitet, nun angekündigt worden sei, er müsse damit rechnen, im Februar abgeschoben zu werden, weil sein Asylantrag abgelehnt wurde, schlägt für den Geschäftsführer dem Fass den Boden aus.
Auch hier redet er Tacheles: „Ich weiß ja, dass Ägypten ein sicheres Herkunftsland ist. Aber, um es mal deutlich auszusprechen, es gibt Arbeiten, die will der Deutsche einfach nicht machen. Doch wenn wir zum Glück jemanden haben, der das gerne macht, wo liegt das Problem? Wieso sollen wir so jemanden dann wieder aus dem Land werfen?“ Das ergebe doch überhaupt keinen Sinn. Ihm sei ja klar, dass nicht alle Flüchtlinge hier bleiben könnten, aber diesen jungen Mann abzuschieben, sei definitiv falsch.
Der Kreis Kleve setzt geltendes Asylrecht um
Die Kreisverwaltung als zuständige Ausländerbehörde erklärt dazu ganz grundsätzlich: „Der Kreis Kleve setzt geltendes Asylrecht um.“ Darüber hinaus gehe der Abschiebung ein Gerichtsurteil voraus. Außerdem sei für die Asyl-Gesetzgebung (Wer wird wann und warum abgeschoben?) der Kreis letztlich nicht der richtige Ansprechpartner, dies werde auf Landes- oder Bundesebene entschieden.
Wie ein Asylverfahren in Deutschland zurzeit abläuft
Generell läuft ein Asylverfahren so ab: Personen, die nach Deutschland geflüchtet sind, stellen ihren Antrag auf Asyl nicht beim Kreis Kleve, sondern beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Das BAMF prüft diesen Antrag und lehnt ihn möglicherweise ab. Es steht dann den Betroffenen frei, den Klageweg zu beschreiten. Bestätigen die Gerichte die ursprüngliche Entscheidung des BAMF, dass der Asylantrag abzulehnen ist, sind die Personen zur Ausreise verpflichtet. Die Entscheidung des BAMF im Asylverfahren ist zunächst völlig unabhängig von einem bestehenden Arbeitsverhältnis oder anderer rechtlicher Grundlagen für ein Aufenthaltsrecht zu betrachten.
Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Ausländerbehörde des Kreises Kleve außen vor. Unmittelbar nachdem der ablehnende Asylbescheid nicht mehr gerichtlich angefochten werden kann und damit bestandskräftig ist, nimmt der Kreis Kleve Kontakt zu den betroffenen Personen auf.
Ein Ermessensspielraum für den Kreis besteht nicht
Aufgabe der Ausländerbehörde ist jetzt die Umsetzung der BAMF- bezeihungsweise Gerichts-Entscheidung. Ein Ermessensspielraum besteht dabei nicht. Der Kreis Kleve informiert schriftlich über die generelle Pflicht zur Ausreise (Das ist noch keine Abschiebung) und stellt Folgen und Pflichten der Entscheidung des BAMF dar.
Mit diesem Schreiben erhalten die Betroffenen zudem einen zeitnahen Besuchstermin in der Ausländerbehörde und können bei diesem Termin alle für sie günstigen Umstände vorbringen und gegebenenfalls ein humanitäres Aufenthaltsrecht/Chancenaufenthaltsrecht beantragen. Gründe, die gegen die Umsetzung der Ausreisepflicht sprechen, sind beispielsweise ein unsicheres Herkunftsland, ein Beschäftigungsverhältnis und eine gute Integration.