Goch/Kleve. Der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) überprüfte den Bedarf einer Babyerstausstattung in Uniform. Ein Unding, finden Sozialberater. Die Einzelheiten.

Die Vorwürfe sind schon heftig: Setzt die Stadt Goch wirklich ähnlich wie Polizisten uniformierte Mitarbeiter ein, wenn der Bedarf einer Baby-Erstausstattung ermittelt werden soll, um Bedürftige abzuschrecken? Zumindest äußern Frank Schagarus und Herbert Looschelders diesen Verdacht. Die beiden sind für den Verein für Sozialberatung Selbsthilfe mit Sitz in Kleve tätig. Looschelders ist dessen Geschäftsführer, Schagarus ehrenamtlicher Berater für Goch.

Das Duo kritisiert das Vorgehen der Stadt Goch scharf, damit würde die Weberstadt zudem eine unerklärliche Ausnahme im Kreis Kleve darstellen.

Looschelders: „Betroffene und Nachbarn sind verängstigt“

Die beiden Berater schildern detailliert, worum es geht: Frank Schagarus berichtet, dass er von zwei Fällen der Bedarfsüberprüfung einer Baby-Erstausstattung erfahren habe, bei der die Hausbesuche durch uniformiertes Personal der Stadt Goch durchgeführt worden seien. Die Betroffenen – sowie Nachbarn – seien verängstigt gewesen, da die Männer auf den ersten Blick wie Polizisten gewirkt hätten. „Ich glaube, dass das eine Einschüchterung ist“, wertet Looschelders dieses Vorgehen und fragt: „Ist das nicht diskriminierend?“

Warum geht die Stadt Goch einen Sonderweg?

Nach Angaben von Schagarus und Looschelders gehe nur die Stadt damit diesen Sonderweg: „Alle anderen 15 Kommunen des Kreises Kleves ziehen den Außendienst des Jobcenters der Kreises für die Hausbesuche im Rahmen des SGB II/SGB XII heran.“

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Die beiden ehrenamtlichen Berater für Existenzsicherungs-Angelegenheiten erklären dazu: „Wir halten es für nicht hinnehmbar, den Außendienst von Jobcenter und Sozialamt durch uniformiertes Personal des Ordnungsamtes durchführen zu lassen!“ Die werde als abschreckend erlebt und: „Was können die Nachbarn alles denken, wenn uniformiertes Personal des Ordnungsamtes eine Familie besucht?“

Kinderwagen kosten schnell mal eine dreistellige Summe. Das kann sich nicht jeder leisten...
Kinderwagen kosten schnell mal eine dreistellige Summe. Das kann sich nicht jeder leisten... © dpa | (Symbolbild) Patrick Pleul

Berater fordern: Das Sozialgeheimnis muss auch in Goch gelten

Außerdem sehen es die Sozialberater kritisch, dass überhaupt das Ordnungsamt die Kontrollen durchführt, das sei eigentlich ein Fall fürs Sozialamt: „Wir halten eine Vermischung der Aufgaben von Jobcenter/Sozialamt mit den Aufgaben des Ordnungsamtes auch aus datenschutzrechtlichen Gründen für fragwürdig.“ Schließlich gelte in Deutschland das Sozialgeheimnis, erklärt Schagarus dazu. Herbert Looschelders stellt außerdem in Frage, ob Mitarbeiter des Ordnungsamtes überhaupt in der Lage seien, Fragen des Sozialamtes zu klären.

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Bei der Baby-Erstausstattung wie Kleidung und Babybett entstehen schnell Kosten von etwa 600 bis 700 Euro. Dass die Berechtigung überprüft werden müsse, befürworten auch die Berater. Nur auf die Form komme es an, betonen sie. Sollte die Berechtigung vorliegen, würde das Geld vom Jobcenter gezahlt.

Die Stadt Goch erklärt, sie könne bestätigen, dass der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) der Stadt Goch als Außendienst auch für das Sozialamt tätig ist.

Stadt Goch nennt Kostengründe für dieses Vorgehen

„Zu diesem Sachverhalt hat es bereits im November Kontakt zu den Herren Schagarus und Lohschelder gegeben. Ihnen ist dies ebenfalls bestätigt worden. Zudem wurden die Gründe für den Einsatz des KOD als Außendienst auch für das Sozialamt dargelegt. Wenn die Stadt Goch den Außendienst des Jobcenters des Kreises Kleve beauftragen würde, so müsste dies gesondert bezahlt werden. Auf diese Kosten kann verzichtet werden, da die Stadt Goch mit dem KOD einen eigenen Außendienst hat“, führt ein Stadtsprecher weiter aus.

Verkehrsversuch in Goch / Radfahrer in Vosstraße
Der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) der Stadt Goch im Einsatz: Michael Drechsel (links) und Jürgen Hanke sehen in der Fußgängerzone nach dem Rechten. © NRZ | (Archivfoto) Johannes Kruck


Die angesprochene Dienstkleidung diene keineswegs dazu, Menschen zu verschrecken sondern weise vielmehr auch visuell darauf hin, dass hier Mitarbeiter in offizieller Funktion unterwegs sind. Die Mitarbeiter des KOD seien gern gesehene Ansprechpartner für Bürgerinnen und Bürger in der Stadt. „Dass sie jemanden nur aufgrund Ihres Erscheinungsbildes verschrecken, weisen wir entschieden zurück“, heißt es von dem Sprecher der Weberstadt weiter.

Die Stadtverwaltung verweist auf das Sozialgesetzbuch

Auch aus datenschutzrechtlichen Gründen sei der Einsatz des Kommunalen Ordnungsdienstes keinesfalls fragwürdig. Das Sozialgesetzbuch regele, dass Dritte, in diesem Fall ist das eben unser Kommunaler Ordnungsdienst, mit entsprechenden Aufgaben betraut werden könnten. Diese Auffassung habe Frank Schagarus in seiner Mail vom 18. November der Stadt Goch auch bestätigt. „Auch hier sehen wir somit keinen Handlungsbedarf“, so die Gocher Stadtverwaltung abschließend.