Kleve. Die Kleverin Erika Haase ist voller Energie und Lebenskraft. Die 95-Jährige erzählt, was für sie zu einem langen und guten Leben gehört.

Die sympathische Hausherrin empfängt ihren Besuch mit offenen Armen. Elegant gekleidet und mit streng nach hinten gekämmten Haaren, die zu einem Zöpfchen gebunden sind, begrüßt Erika Haase die NRZ am Vorabend des vierten Advents. Ihre nun 95 Jahre sieht man ihr nicht an. Mit kraftvoller Stimme und leuchtenden Augen freut sie sich über den zweiten Besuch aus der Redaktion. Denn bereits vor zwei Jahren durften wir sie in ihrem Reichswalder Haus aufsuchen und aus ihrer Lebensgeschichte berichten. Eine Lebensgeschichte, die für zehn Leben reichen würde, wie Erika Haase selbst sagt.

Heute lebt sie immer noch ein selbst bestimmtes und größtenteils eigenständiges Leben in den eigenen vier Wänden.

Gesellschaft, Gespräche, Gemeinsamkeit

Damals verriet sie mit einem Apfel-Gedicht, dass der tägliche Verzehr des Obstes sie fit und munter hält. Heute begrüßt sie den Gast mit weihnachtlicher Poesie. Außerdem kann sie überzeugend zeigen, dass die Sache mit der täglichen Apfel-Ess-Routine für ein relativ gesundes Altwerden offensichtlich funktioniert. Aber im Gespräch verrät die Kleverin, dass noch andere Faktoren für ein gesundes, hohes Alter eine Rolle spielen. Und ein paar davon gibt sie unseren Lesern gerne mit in die Weihnachtstage.

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Gesellschaft, Gespräche, Gemeinsamkeit sind wichtig. „Das ist der Grund, warum ich seit zwei Jahren an zwei Tagen in der Woche Tagesgast im Franziskus-Haus an der Spyckstraße bin“, berichtet Erika Haase. Denn ihre Tochter verstarb bereits 2016 an Krebs und ihre Enkelin und die beiden Urenkel wohnen weiter weg. Ebenso ihre Schwester, die in Italien lebt.

Kurzgeschichten und Gedichte

Erika Haase
Die Weihnachtsgrüße des Franziskus-Hauses. © NRZ | Anke Gellert-Helpenstein

Da ist für sie neben dem Fernseher im Haus die menschliche Gesellschaft an der Spyckstraße Familie geworden.

Dabei ist sie dort eher ein Mittelding zwischen Tagesgast und Unterstützerin des Betreuerteams. Von letzterem schwärmt sie sehr. „Ganz tolle Menschen engagieren sich dort!“ Und sie selbst schreibt und erzählt hier und da Kurzgeschichten, Gedichte, sie malt und spielt Gesellschaftsspiele. Das hält eben auch jung. Und den Zuspruch, den sie von den Menschen dort bekommt. So hat das Franziskushaus-Team eine Strophe ihres Weihnachtsgedichtes auf den Weihnachtsgruß für 2024 gedruckt: „Stille Zeit, du Friedensbringer, zieh in alle Herzen ein (...) Woll’n uns bei den Händen nehmen, keiner diesen Kreis zerreißt. Alle Menschen sollen spüren, dass die Botschaft Liebe heißt.“

„ „Schluss jetzt! Ich bin ab heute Optimist.““

Erika Haase war bis Mitte 50 eher pessimistisch eingestellt.

Viele Reisen in die weite Welt

Und eben auch und gerade in schweren Zeiten „Optimismus!“ Vielleicht die wichtigste Botschaft. Heute bestimmt. Erika Haase selbst hat für diese Erkenntnis länger gebraucht, war eher ein pessimistischer Mensch. Bis sie Mitte 50 die bewusste Entscheidung traf: „Schluss jetzt! Ich bin ab heute Optimist.“

Erika Haase
Erika Haase mag es, Gedicht zu schreiben. © NRZ | Anke Gellert-Helpenstein

Hat funktioniert – obwohl ihre Lebensgeschichte reich auch an schlechten und schlimmen Erfahrungen war. Aber eben auch an guten. Zu letzteren gehörten 25 glückliche Ehejahre mit ihrem zweiten Mann und ein kreatives, gesellschaftlich sehr gut gestelltes Leben in Österreich. Und Reisen. Jede Menge Reisen in die weite Welt. Außerdem ihre Tätigkeit als Holzschnitzerin, Malerin und ihr behagliches Zuhause mit Atelier in Reichswalde. Hier ist sie umgeben von ihren Kunstwerken und allen Erinnerungen. Und von „Picasso“. Einem prächtigen in Öl gemalten Pferd. Ihr Lieblingsbild. Aber nicht von ihr gemalt.

Krebs-OP gut überstanden

Sport und ausschließlich gesunde Ernährung spielten übrigens bei der 95-Jährigen nie eine große Rolle. „Bis auf den Apfel eben“, lacht sie verschmitzt. Aber auch der hat sie nicht vor einer schweren Krebserkrankung in diesem Jahr schützen können. „Brustkrebs!“ lautete die Schockdiagnose. Einer OP sahen die Ärzte angesichts ihres hohen Alters eher skeptisch entgegen. Aber Haase zeigte sich unbeirrt entschlossen und optimistisch. „Ich habe mich sofort operieren lassen und fühle mich wieder gut“, freut sie sich.

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Für das kommende Jahr und die Weihnachtstage wünscht sich die lebensfrohe und elegante Frau „noch weniger Einsamkeit und noch mehr gute Gespräche“. Auf den ersten Weihnachtstag freut sie sich sehr, weil es dann ein Wiedersehen mit den Urenkeln gibt. Und wer weiß – vielleicht dürfen wir die widerstandsfähige Ausnahmepersönlichkeit Erika Haase in zwei Jahren noch einmal besuchen. Und sie verrät uns dann die weiteren Geheimnisse ihres beneidenswert reichen Jungbrunnens.