Kleve-Reichswade. Die Kleverin Erika Haase ist mit 93 Jahren noch ungewöhnlich aktiv. Zum Tag des Apfels erklärt sie, warum ihr diese Frucht ihr so viel bedeutet.
„Gar mancher Apfel, um den man zankte, zu trauriger Berühmtheit g’langte. Vom Paradies – das weiß man ja. Und dann den von der schönen Helena. Der Tell, der war ein Ehrenmann, er wurd‘ dazu gezwungen nen Apfel wegzuschießen vom Kopfe seines Jungen. Der Reichsapfel gab nicht nur Würde, denn meistens drückte diese Bürde. Der Adamsapfel fängt beim Schlucken am Hals an auf und ab zu zucken…“
Dieses Gedicht schrieb die Wienerin Erika Haase, genauer Erika Leopoldine Haase, zum Tag des Apfels, der in Deutschland heute (seit dem Jahr 2010 am 11. Januar) gefeiert wird. Seit Jahren lebt die kreative Frau in Kleve Reichswalde und sie ist mittlerweile 93 Jahre alt. Grund genug, um einmal nachzufragen, ob das mit dem Apfel zu tun hat.
Mode hilft ihr dabei, achtsam zu bleiben
Am Kattenwald öffnet eine wirklich gut aussehende Frau, die sich für das Interview sympathisch zurecht gemacht hat, die Tür. Als erstes hält sie der NRZ ihren Pass entgegen. Sie weiß sehr wohl, dass sie viel jünger aussieht, als es ihr Alter vermuten lässt. Und tatsächlich: Am 19. Oktober 1929 erblickte Erika Haase als geborene Belgrad in Wien das Licht der Welt.
Sie hat in ihrem langen Leben viel gesehen und noch mehr erlebt. Schönes und Schlimmes, Frohes und Trauriges. Dabei aber nie ihre Würde oder ihren Stolz verloren. Und dass, so verrät sie, sei auch ein Geheimnis, um bis ins hohe Alter gesund und fit zu bleiben. „Ich habe nie besonders viel Wert auf die Ernährung gelegt, aber ich esse jeden Morgen einen Apfel und trinke Actimel“, lacht sie und zitiert die letzte Strophe ihres Gedichts: „Mein Frühstücksapfel ohne Frage bringt Kraft und Schwung mir alle Tage.“ Dann ergänzt sie: „Außerdem pflege ich mich sehr. Jeden Morgen mache ich mich vor dem Spiegel zurecht. Das führt dazu, dass man sich gegenüber achtsam bleibt.“
Sie geht täglich spazieren
Sport gehört übrigens nicht zu ihren Leidenschaften. Weder früher noch heute. „Aber ich gehe täglich spazieren. Früher mit unseren Hunden, heute eben mit Stock.“ Sie liebt die Natur, die Vögel, die Pflanzen. Das spiegelt sich auch in den vielen selbst gemalten Bildern der kreativen Frau wider, die in ihrem Reichswalder Wohnsitz auch immer ein Atelier betrieb. Besonders gut kann Haase übrigens schnitzen. Ein Handwerk, dass sie erst mit 50 Jahren in Österreich erlernte – jetzt aber nicht mehr ausübt.
Beruflich hat die umtriebige Wienerin alles ausprobiert, wie sie sagt. Aufgewachsen ist sie ab 1935 in Essen. Es folgten in den Kriegsjahren Zeiten der Evakuierung und Kinderlandverschickungslager. Ihren Vater kannte sie kaum und ihre Mutter zog die vier Mädels in den Wirren des Krieges alleine groß.
Eine schreckliche Ehe
Nach der Schulzeit – kriegsbedingt ohne Abschluss – scheiterte ihr Wunsch, Künstlerin zu werden. Mit 17 musste sie drei Tage ins Gefängnis, weil sie zu früh ein Tanzfest besuchte. Mit 19 heiratete sie ihren ersten Mann. „Er war ein brutaler Mensch. Das war eine schreckliche Zeit. Als ich 20 war bekamen wir eine Tochter und ich war eine wirklich schlechte Mutter“, gibt sie unumwunden mit großem Bedauern zu. „Schon deswegen, weil ich meinen Mann, der meine Tochter auch schlug, erst mit 27 Jahren verließ.“
Im Beruf war Erika Haase als Mannequin und später als Verkaufstrainerin erfolgreich. Bis sie mit 50 ihren 2. Mann kennen lernte und mit ihm nach Österreich zog und dort heiratete. „Er hatte schwer Diabetes, aber wir waren bis zu seinem Tod 25 Jahre lang sehr glücklich verheiratet und hatten einen großen und tollen Freundeskreis.“ Künstler und Opernsänger zählten zu den engen Freunden des hoch angesehenen Paares Haase.
Als Erika Haase Witwe wurde zog sie mit ihrer Tochter in ein gemeinsames Haus, in der eine Wohnung immer noch ihr heutiges Zuhause in Kleve-Reichswalde ist. „Leider verstarb meine Tochter 2016 an Krebs. Das war sehr traurig“, berichtet Haase. Ein Lichtblick sind die Enkelin und die Urenkel. Und die Familie ihrer Schwester, die in Spanien mit ihrer Familie lebt. „Da fahre ich jedes Jahr für zwei bis drei Monate hin. Das ist wunderschön“, strahlt Erika Haase. Überhaupt zählten Reisen und hier ganz besonders Schiffstouren immer zu ihren großen Leidenschaften.
Eine lebensfrohe Seniorin
„Bis 2019. Jetzt bin ich kürzergetreten, weil ich unter unangenehmen Schwindelanfällen leide“, berichtet die Reichswalderin, die sich im Laufe ihres Lebens einigen Krankenhausaufenthalten unterziehen musste. Geblieben ist eine beneidenswert lebensfrohe Seniorin, die trotz Pflegestufe immer noch ein eigenbestimmtes und im hohen Maße selbstständiges Leben führen kann. Dem Apfel sei auch Dank.