Kalkar. Im Kalkarer Hauptausschuss wurde noch mehrheitlich für die Einführung von Benimmregeln gestimmt. Im Rat wurde der Kodex abgelehnt. Die Gründe.

Der Kodex zur Diskussionskultur im Rat der Stadt Kalkar wurde am Donnerstagabend abgelehnt.

Nachdem der Hauptausschuss in der vergangenen Woche noch mehrheitlich – bei drei Enthaltungen – dafür gestimmt hatte, kam es in der Ratssitzung am 12. September zu einer überraschenden Wende. Mit einer Mehrheit von neun Nein-Stimmen, 15 Enthaltungen und nur sechs Ja-Stimmen wurde der Kodex abgelehnt.

Verschriftlichung unnötig

Die Abstimmung sei fraktionsübergreifend uneinheitlich verlaufen, so Fachbereichsleiter Martin Lindau. Im Verlauf der Ratssitzung änderte sich das Stimmungsbild. In Stellungnahmen wurde beispielsweise auf die vielen negativen Rückmeldungen aus der Bevölkerung hingewiesen. Der Kodex würde demnach mehr schaden als nützen.

Die Diskussionskultur im Rat funktioniere bereits gut, eine formale Verschriftlichung sei unnötig.

****Das wurde bisher berichtet****

Der Hauptausschuss der Stadt Kalkar hat am Donnerstagabend ein positives Votum zur Einführung eines Kodexes für die Diskussionskultur im Rat der Stadt Kalkar abgegeben. Mit acht Ja-Stimmen und drei Enthaltungen empfiehlt der Hauptausschuss dem Rat, die Verhaltensregeln für die Ratsarbeit einzuführen. Bürgermeisterin Britta Schulz äußerte in der Sitzung in einer emotionalen Rede ihren Unmut über die Berichterstattung der NRZ zu diesem Thema.

Kritik an NRZ-Berichterstattung

Schulz betonte in ihrem Statement, dass sich die Ratsarbeit in Kalkar positiv entwickelt habe und man konstruktiv und sachlich miteinander umgehe. Die Überschrift der NRZ „Nach Pöbeleien im Stadtrat: Kalkar stellt Benimmregeln auf“ suggeriere, dass im Rat ständig gestritten und gepöbelt werde. Dem sei nicht so. Vielmehr sei das Anliegen der Drucksache ins Gegenteil verkehrt worden: Statt über die positive Entwicklung zu sprechen, werde nun über Pöbeleien im Rat diskutiert. Im Kalkarer Stadtrat werde nicht gepöbelt.

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Der Kodex werde auch im Hinblick auf die neue Ratsperiode aufgestellt, so Schulz. Die Politik in Deutschland gebe derzeit ohnehin ein schlechtes Bild ab. „Das will doch keiner mehr hören“, so die Bürgermeisterin.

„Wir haben hier eine gute Diskussionskultur.“

Ansgar Bossmann, CDU Kalkar.

Hart in der Sache, aber nicht persönlich

Boris Gulan (FDP) berichtete, dass er in den letzten Tagen mehrfach angesprochen worden sei: „Was ist denn bei euch im Rat los? Es gebe durchaus kontroverse Diskussionen, aber es werde nicht persönlich, so Gulan. Er beantragte zu Beginn der Sitzung, den Tagesordnungspunkt zum Kodex von der Tagesordnung zu nehmen, da er aus seiner Sicht überflüssig sei. Man diskutiere anständig miteinander.

„Wir haben hier eine gute Diskussionskultur“, sagte Ansgar Bossmann (CDU). Es werde hart in der Sache, aber nicht über Personen diskutiert. Günter Pageler (FBK) betonte, dass er in den letzten zehn Jahren keine Pöbeleien wahrgenommen habe.

Beispiele in Erinnerung rufen

In einer Sitzungspause durfte NRZ-Redakteur Andreas Gebbink, der Adressat der Kritik war, den Ratsvertretern einige Beispiele in Erinnerung rufen, wo in der Vergangenheit nicht sachlich miteinander diskutiert wurde. So habe es in der Vergangenheit teilweise ein tiefes Misstrauen zwischen Rat und Verwaltung gegeben, das mehr als einmal zum Ausdruck gekommen sei. So berichtete die NRZ zum Beispiel über die „verhärteten Fronten beim Bauhof-Neubau“, und im Wahlausschuss 2020 eskalierte es zwischen Rat und Verwaltung derart, dass Stadtbaurat Frank Sundermann der Lüge bezichtigt wurde. Er betreibe „Rufmord“ gegenüber einem CDU-Vertreter, hieß es. Sundermann warf dem CDU-Vertreter daraufhin vor, „Lügengeschichten“ zu erfinden.

Auch die Sanierung des Schulzentrums sorgte für heftige Diskussionen. Ein Vertreter der Grünen warf der Verwaltung damals vor, den Rat „übertölpelt“ zu haben. Er fühle sich „arg hinters Licht geführt“. Und: „So eine Missachtung des Rates habe ich in meiner parlamentarischen Laufbahn noch nie erlebt“. Schulz verwahrte sich daraufhin gegen diese „Rundumschläge mit permanenten Beschuldigungen gegen die Verwaltung“. Sie sei es leid.

Positive Entwicklung fortführen

In der Diskussion um das Friedhofskonzept warf die CDU der Verwaltung vor, seit sechs Jahren nichts getan zu haben. Sie stehe sich selbst im Weg. Der Baudezernent entgegnete damals, das sei „eine Unverschämtheit“. Er habe schon 700 Überstunden. Immer wieder war der Stellenplan Grund für Auseinadersetzungen. Hier fielen Worte wie „schäbiges Verhalten“, „Abwatschen des Rates“, „Unverschämtheit“, die Verwaltung würde das „Kriegsbeil gegen den Rat ausgraben“, und so weiter.

Der NRZ-Redakteur wies darauf hin, dass es weitere Beispiele für diese Art der emotionalen Auseinandersetzung im Kalkarer Stadtrat gebe, in denen nicht sachlich und konstruktiv, sondern ins Persönliche gehend diskutiert worden sei. Zum Beispiel beim geplatzten Verkauf des Wisseler Sees. Und diese Vergangenheit spiele ja wohl auch eine Rolle bei der Einführung eines Kodexes für die Diskussionskultur.

Bürgermeisterin Britta Schulz war es wichtig zu betonen, dass der Rat seit geraumer Zeit besser miteinander arbeitet. Und dies sei auch harte Arbeit gewesen. Wichtig sei es, diese positiven Erfolge zu unterstreichen. Der Kodex solle dabei helfen, diese Entwicklung fortzuführen.

So haben wir am Samstag, 24. August 2024 berichtet:

Nach Pöbeleien im Stadtrat: Kalkar stellt Benimmregeln auf

Im politischen Streit wird es schnell laut, aber Ratsvertreter sollten nicht die Contenance verlieren. Kalkar erstellt einen Leitfaden.

Kalkar. Vielleicht sollten sich Udo Weinrich von den Offenen Klevern und Udo Janssen von der CDU am 5. September einfach mal die Zeit nehmen und im Kalkarer Hauptausschuss vorbeischauen. Denn in Kalkar werden jetzt Benimmregeln für die Ratsarbeit aufgestellt und man muss sagen: Die beiden Klever Ratsherren könnten ein wenig Nachhilfe in Sachen Haltung gebrauchen.

Wenn es leidenschaftlich wird

Beim jüngsten Steuer- und Liegenschaftsausschuss zeigten die Vertreter wieder ihre ganze, herzliche Abneigung: Mit hochrotem Kopf schrien sie sich an, unterstellten sich Dinge und warfen sich verächtliche Blicke zu. Hohngelächter und wegwerfende Handbewegungen inklusive. Das ist nicht schön. Aber es ist auch verführerisch, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen und den politischen Kontrahenten am liebsten als „Saupillemannarschloch“ zu bezeichnen. Aber ein bisschen Contenance im zwischenmenschlichen Umgang ist auch nicht verkehrt.

In Kalkar musste die Verwaltung in der Vergangenheit auch schon mal einen raueren Ton im Ratssaal ertragen. Hier wird leidenschaftlich gestritten und diskutiert: Direkte Konfrontationen zwischen Verwaltung und Ratsmitgliedern nicht ausgeschlossen. Willibald Kunisch nimmt dabei kein Blatt vor den Mund und auch aus der CDU-Fraktion wird gerne mal ausgeteilt. 

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Keine Beleidigungen oder Anfeindungen

Aber der Ton habe sich schon gebessert, meint Bürgermeisterin Britta Schulz. Der respektvolle und sachlich-konstruktive Ton habe sich durchgesetzt, und damit das so bleibt, schlägt sie jetzt einen Kodex zur Diskussionskultur vor, der am Donnerstag, 5. September, besprochen werden soll. „Ziel soll es sein, einem respektlosen Umgang untereinander als Selbstverpflichtung Einhalt zu gebieten und die ehrenamtlich Tätigen vor einem rauen Ton, Beleidigungen oder sogar Anfeindungen zu schützen“, schreibt die Verwaltung. Und hat noch einen Nebeneffekt im Blick: „Des Weiteren schreckt ein respektloser Umgang nachweislich potentielle ehrenamtliche Politikerinnen und Politiker ab, die befürchten, in einem solchen Klima nicht konstruktiv arbeiten zu können und die sich Beleidigungen und Herabsetzungen nicht aussetzen möchten. Insbesondere Frauen schreckt diese Aussicht davon ab, sich zu engagieren.“

„Wir lassen einander ausreden und hören einander zu.“

Aus dem Kalkerer Diskussionskodex.

Wie Klassenregeln für Erwachsene

Der Kalkerer Kodex liest sich ein bisschen wie die Klassenregeln in der Grundschule. Da heißt es: „Wir gehen respektvoll und wertschätzend miteinander um.“ Oder: „Wir lassen einander ausreden und hören einander zu.“ Auch sollen Ratsvertreter Amt und Person innerhalb und außerhalb des Rates achten und jeglicher Form von Diskriminierung entgegentreten.

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Festgelegt werden soll auch, dass sachlich und faktenbasiert und nicht personen- oder themenbezogen diskutiert wird. „Auch wenn wir die Argumente des/der anderen inhaltlich ablehnen, würdigen wir den Menschen – und idealerweise den positiven Kern seines Anliegens - respektvolle Ablehnung“, heißt es im Kodex.

Wohltuend für die Debatten dürfte sein, wenn sich die Ratsvertreter vor den Sitzungen zu den jeweiligen Themen informieren. Das ist oft nicht der Fall. Im Kodex steht: „Wir antworten wahrheitsgemäß, halten uns an Fakten und unterlassen Spekulationen.“ Auch sollen Ratsvertreter auf die Länge ihrer Wortbeiträge achten: so kurz wie möglich, so lang wie nötig. Die Sitzungen sollen auf drei Stunden begrenzt werden.