Essen-Kettwig. Anlässlich der Eingemeindung vor 50 Jahren möchte Oberbürgermeister Thomas Kufen den Kettwigern eine historische Uhr wiedergeben. Was es damit auf sich hat.
Mit einer Überraschung wartete Oberbürgermeister Thomas Kufen beim Neujahrsempfang der Kettwiger Stadtgesellschaft im Alten Bahnhof auf: Die historische Predigeruhr, die im Essener Rathaus am Treppenaufgang zu den Sitzungssälen hängt, soll als „Dauerleihgabe“ Kettwig überlassen werden, wenn ein geeigneter Platz hierfür gefunden wird. Hintergrund ist das 50-jährige Jubiläum der Eingemeindung Kettwigs.
Eine Geste, die durchaus unerwartet kommt. Das Stadtoberhaupt hat seine Meinung über eine „Rückführung“ des historischen Gegenstands offensichtlich geändert. Im Jahr 2018 hatte er die Initiative einiger Kettwiger, die von der SPD-Fraktion sogar in einem Antrag in die Bezirksvertretung 9 eingebracht wurde, noch brüsk abgewiesen.
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Irritiert schrieb Kufen damals: „Das Ansinnen, ein der Stadt überreichtes Geschenk wieder zurückverlangen zu wollen, mutet doch eher merkwürdig an.“ Schließlich hatten die Kettwiger die Uhr 1979 – vier Jahre nach der Eingemeindung – großherzig für den Rathaus-Neubau am Porscheplatz gestiftet.
Mehrere Farbschichten bedeckten das historische Zifferblatt
Genau genommen handelt es sich auch nicht um eine Uhr, sondern um das Zifferblatt einer sogenannten Predigeruhr. Sie stammt aus dem Jahr 1749 und hatte ursprünglich ihren Platz in der evangelischen Kirche Kettwig. „Die Uhr war oberhalb der Orgel angebracht, zur Orientierung für den Pastor, wie lange er predigen musste“, berichtet Helmut Wißler, der die Abteilung Geschichte im Heimat- und Verkehrsverein (HVV) Kettwig leitet.
Bis zum Umbau der Orgel 1963 war die Predigeruhr in Betrieb. Dann wurde das Zifferblatt abgenommen. Das Uhrwerk indes gibt es noch heute hinter der Orgel, nur eine Funktion hat es nicht mehr. Die Kirchturmuhr wird längst elektronisch angetrieben.
Das Zifferblatt, ein im Laufe der Jahrhunderte mit mehreren Farbschichten bedecktes ein mal ein Meter großes Holzstück, landete auf dem Müll. Da fischte es der Vater von Wilfried Jürgens raus; der Küster nagelte damit eine Schießscharte im Kirchenturm zu, damit es nicht so zog. Auf Bitten von Wilfried Jürgens, der das bunte Holz interessant fand, tauschte der Küster das Brett Ende der 70er Jahre aus.
Für die aufwendige Restaurierung brauchte der Kettwiger drei Jahre
Wilfried Jürgens nahm Kontakt mit dem Museum Folkwang auf. Dort hielt man eine Restaurierung aber für zu aufwendig. Also machte sich der Kettwiger selbst daran und trug in Kleinstarbeit mit dem Skalpell sieben Farbschichten ab. Gut 300 Stunden Arbeit in drei Jahren investierten seine damalige Frau und er in die Aufarbeitung, die sogar Vergoldungen bekam.
„Das Stück passte aber nicht mehr in die Kirche, die Gemeinde hatte es ja auch weggeworfen. Da haben wir es der Stadt Essen angeboten. Damals wurde das Rathaus eingeweiht und dort sollte es einen würdigen Platz bekommen.“ Seither hängt das Zifferblatt, ausgestattet mit einem elektronischen Uhrwerk, im Aufgang zum Ratstrakt.
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„Die Uhr wird bei Führungen extra erwähnt. Kein anderer Essener Stadtteil ist so prominent vertreten wie Kettwig“, sagt der heute 85-jährige Wilfried Jürgens nicht ohne Stolz über sein „Baby“, wie er es nennt. Weshalb er die Ankündigung von Thomas Kufen auf dem Neujahrsempfang auch mit gemischten Gefühlen aufnimmt. Einen „würdigen Platz“ wünscht er sich für das Zifferblatt. Und: „Gut geschützt und sicher soll es ausgestellt sein, für jeden zugänglich.“ Dass es irgendwo in einem Trakt des Kettwiger Rathauses verschwindet, möchte Wilfried Jürgens auf keinen Fall.
Bezirksbürgermeisterin sucht nach einem geeigneten Standort
Die Entscheidungsfindung über den Standort hat Thomas Kufen der Bezirksbürgermeisterin Gabriele Kipphardt übertragen. Die sammelt seit Bekanntwerden der Nachricht Vorschläge. Zehn Stück seien es bereits, berichtet sie im Gespräch mit dieser Redaktion. „Eine zeitliche Vorgabe habe ich mir nicht gesetzt. Ich schaue, was an Vorschlägen kommt.“ Die Predigeruhr bleibe im Übrigen solange im Essener Rathaus hängen, bis es eine Entscheidung über einen Standort als „Dauerleihgabe“ gebe.
„Eine zeitliche Vorgabe habe ich mir nicht gesetzt. Ich schaue, was an Vorschlägen kommt.“
Indes freut sich SPD-Ratsherr Daniel Behmenburg: „Wie schön. Das historische Zifferblatt der Predigeruhr️ kommt wieder nach Hause. 2018 war es schon heißes Thema, wir konnten uns als SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung aber leider nicht durchsetzen, diese historische Relikt wieder nach Kettwig zu holen.“ Er begrüße, dass es nun von Seiten der Stadt eine Kehrtwende gebe. „Zwar ist es erst mal nur eine Leihgabe, aber schauen wir mal.“
Selbst CDU-Ratsherr Guntmar Kipphardt, der noch 2018 in der Diskussion in der BV äußerte, die Uhr habe einen „würdigen Platz im Essener Rathaus“, sagt nun: „Schön, wenn die Uhr wieder nach Kettwig zurückfindet.“
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