Essen. In der Manteuffelstraße sprang am Donnerstag eine 19-Jährige nackt aus dem Fenster. Die Polizei ermittelt. Helfende Zeugen werden nun diffamiert.

Nach den dramatischen Ereignissen in der Manteuffelstraße am Donnerstag (23. Januar) stehen Zeugen, die sich nach dem Vorfall öffentlich äußerten, unter erheblichem Druck. Sie werden nicht nur im Internet öffentlich beschimpft. „Man hat auch schon mehrfach tagsüber und nachts versucht, uns aus dem Haus zu klingeln“, berichtet ein Betroffener.

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Am späten Donnerstagnachmittag waren Anwohner der Straße im Essener Südostviertel gegen 17.15 Uhr durch Hilfeschreie aufgeschreckt worden. Eine 19-Jährige wollte nackt aus dem Fenster einer Wohnung im ersten Stock springen. Ein Mann, ebenfalls nackt, hielt sie an den Haaren fest. Die Frau ließ sich fallen, als Passanten sich unters Fenster stellten. Die 19-Jährige überstand den Fall aus etwa drei Metern Höhe ohne äußere Verletzungen. Sie hatte geschrien: „Ich sterbe heute, ich werde vergewaltigt!“

Polizei Essen ermittelt wegen eines Sexualdelikts

Der Vorfall löste einen Großeinsatz von Polizei und Rettungsdienst aus. Die 19-Jährige, die völlig aufgelöst wirkte, wurde in ein Krankenhaus gebracht. Die Polizei, die wegen eines Sexualverdachts ermittelt, sicherte noch Stunden nach der Tat alle möglichen Spuren in dem Apartment, das regelmäßig an Geschäftsreisende vermietet wird. Auch zum Zeitpunkt des dramatischen Vorfalls war die Wohnung für mehrere Tage von einer Firma angemietet worden. Die Beteiligten des Zwischenfalls sind dem Vernehmen nach Angestellte dieser Firma.

Die 19-jährige Anwohnerin, die gegenüber wohnt, war ebenfalls durch die Hilfeschreie aufgeschreckt worden, hatte das bizarre Geschehen aus ihrer Wohnung gesehen und ein Foto gemacht. So beschrieb sie den Moment auch vor laufenden Kameras eines Privat-Fernsehsenders. Seit der Ausstrahlung des Interviews gibt es einen regelrechten Shitstorm gegen die Frau: Nutzerinnen und Nutzer werfen der Anwohnerin Voyeurismus vor. Ihr Vater verteidigt sie massiv: „Meine Tochter hat ein Foto gemacht, weil sie der Polizei dabei helfen wollte, den mutmaßlichen Täter zu überführen.“ Außerdem habe sie sich erst erkundigt, ob Hilfe unterwegs sei, zudem seien bereits viele Ersthelfer vor Ort gewesen. Seiner Tochter war es wichtig, den Tatverdächtigen zu fotografieren, denn man sei in den letzten Jahren häufig Zeuge von Verbrechen in direkter Nachbarschaft geworden. Er selbst war es, der vor zwei Jahren einen Raubüberfall auf eine Seniorin vereitelte. Dafür wurde er Anfang 2024 sogar von der Polizei ausgezeichnet.

„Widerwärtige Shitstorms“ im Netz, nächtliches Geklingel an der Haustür

Im Internet, berichtet der Anwohner, seien nach dem Vorfall vom Donnerstag „widerwärtige Shitstorms“ aufgekommen. Seine Tochter, die kurz vor der Abschlussprüfung ihrer Berufsausbildung steht, habe sich jetzt krankschreiben lassen müssen. Man habe wegen der Bedrohungen sogar beschlossen, sagt der Mann, künftig nicht mehr zu helfen.

Die Manteuffelstraße liegt im Südostviertel zwischen Ruhrallee und Steeler Straße. Das Viertel hat durchaus bürgerliche Straßenzüge. Überhaupt beherbergte das gesamte Südostviertel, die Quartiere rund um die Steeler Straße, einst eine solide, mittelständische Bürgerschaft, viele Kaufleute wohnten hier und rund um den Parkfriedhof. Man sieht das an der durchaus gehobenen Bausubstanz. Doch was man der Steeler Straße ansieht – Verfall und Verarmung seit Jahrzehnten –, schlägt sich auch in den Wohnquartieren nieder. Erst vor zwei Jahren wurde eine Frau (50) auf offener Straße von ihrem Schwiegersohn erstochen. „Der Vorfall jetzt“, sagte der Anwohner im Gespräch mit unserem Reporter nach dem Drama am Donnerstag, „ist bestimmt der zehnte große Polizei-Einsatz, seit wir hier wohnen.“ Vor sechs Jahren war die Familie in dieses Viertel gezogen.

Unterdessen gehen die Vernehmungen der Tatbeteiligten weiter, berichtet die Polizei Essen auf Anfrage. Neue Erkenntnisse gebe es aber noch nicht.

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