Essen-Schonnebeck. Ein Jahr lang organisierten Eltern einen „Fahrrad-Bus“: Kinder konnten sicher zur Schule radeln. Doch das Projekt kann nicht fortgeführt werden.

Über Elterntaxis wird immer wieder geschimpft, und auch viele Schulen in Essen haben damit zu kämpfen, dass manche Eltern die Kinder mit dem Auto am liebsten bis auf den Schulhof fahren würden. Weil er eine konkrete und sichere Alternative bieten wollte, startete der Essener Dennis Wegner im Sommer 2023 das Projekt „Bici-Bus“: Jeden Freitag sammelte sich eine Gruppe Grundschüler mit ihren Fahrrädern auf dem Schonnebecker Markt, um dann, begleitet von Wegner und anderen Eltern, zur Schillerschule zu radeln.

Etwa ein Jahr lang lief das Projekt, dann war Schluss: Wegners Tochter Nina besucht mittlerweile ebenso wie die Kinder der anderen beteiligten Eltern eine weiterführende Schule. Dennis Wegner teilt sich seine Zeit nun anders ein: angepasst an den neuen Schulrhythmus.

Essener Schulleiterin: Projekt als Hilfe gegen Verkehrschaos vor der Grundschule

Jeden Freitag trafen sich die Kinder mit ihren Fahrrädern auf dem Schonnebecker Markt. (Archivbild)
Jeden Freitag trafen sich die Kinder mit ihren Fahrrädern auf dem Schonnebecker Markt. (Archivbild) © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Beim Bici-Bus sei es nicht allein um die Fahrt zur Schule gegangen, erklärt Wegner. Sie hätten sich immer ein wenig früher am Markt versammelt und mit den Kindern auch ein paar Spiele gemacht, wie Slalom um Hütchen fahren beispielsweise, damit sie sicherer auf dem Rad unterwegs sind. Die mitunter sehr großen und schweren Schultaschen habe er mit seinem Lastenrad transportiert, um den Kindern die Fahrt bergauf zu erleichtern. „Es waren auch Zweitklässler dabei, für die wäre das sonst zu schwierig geworden.“ Vom Markt aus ging es über die Straßen Westbergkamp, Reickskamp, Gerhardstraße, Westbergstraße bis Auf dem Stapel, dann auf die Immelmannstraße, an der die Schule liegt.

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Auch die Leiterin der Schillerschule, Nicole Brandenberg, bezeichnet das Projekt als „gewinnbringend und zielführend“: Die Kinder hätten das Fahrradfahren üben und dabei „geschützt den Straßenverkehr kennenlernen“ können. Zudem habe der Bici-Bus geholfen, das Verkehrschaos vor der Schule zu vermeiden.

Obwohl die Gruppe mit fünf bis maximal zwölf teilnehmenden Kindern überschaubar blieb, fand Wegner keinen Nachfolger, der das Projekt übernehmen wollte. Manche Eltern würden selbst nicht mit dem Rad fahren, sagt er, andere hätten keine Zeit. Er selbst sei in der glücklichen Lage gewesen, seine Arbeitszeit flexibel einteilen zu dürfen, viele andere aber nicht. Und jetzt?

Vom Markt ging es mit dem Rad zur Schillerschule; die Schultaschen transportierte Dennis Wegner mit dem Lastenrad. (Archivbild)
Vom Markt ging es mit dem Rad zur Schillerschule; die Schultaschen transportierte Dennis Wegner mit dem Lastenrad. (Archivbild) © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Jetzt würden die Kinder eben wieder gebracht, so Wegner, vielleicht mit dem Auto, vielleicht sogar zu Fuß, doch mit dem Fahrrad fahre wohl keines von ihnen. „Das verstehe ich auch.“ Die Radinfrastruktur sei weit weg von dem, was man in einer Großstadt erwarten dürfe. Im Essener Norden sehe es an vielen Stellen besonders schlecht aus. Beispiel Schonnebeck: „Hier ist eigentlich gar keine Radinfrastruktur vorhanden. Vom Markt aus gibt es drei bis vier verschiedene Wege zur Grundschule“, so Wegner, „doch ohne einen einzigen Meter Radweg.“

Kreuzung in Essen-Schonnebeck wurde für den Radverkehr umgebaut – aber nur in eine Richtung

Nahe der Schule habe die Stadt zwar kürzlich eine Kreuzung fahrradfreundlich umgebaut, schildert Wegner, der sich auch beim Radentscheid Essen engagiert. Doch das Ergebnis sei alles andere als zufriedenstellend.
An der Huestraße steht nun eine neue Ampel, auch eine Fußgängerinsel wurde gebaut; zudem wurde die Stelle, an der Radfahrer auf die Kreuzung fahren sollen, rot gepflastert, der Weg über die Kreuzung entsprechend markiert.

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Aus dem Park, der Teil einer ausgewiesenen Radroute sei, kann man jetzt gut mit dem Fahrrad über die neue Ampel und den markierten Weg in die Immelmannstraße hineinfahren. Doch das war es auch schon: Denn die Straße selbst hat keinen Radweg, weder baulich abgetrennt noch durch Markierung auf der Fahrbahn. Beim Ortsbesuch stehen kurz hinter der Kreuzung schon geparkte Autos am Straßenrand, sodass nach der abgesicherten Querung direkt wieder Konflikte und Gefahrensituationen mit dem Autoverkehr drohen.

Ein weiterer Kritikpunkt Wegners: Der Rückweg von der Immelmannstraße Richtung Park ist unverändert geblieben. Man hätte wenigstens vorne an der Ampel einen Bereich für Radfahrer markieren können, damit sie gut sichtbar vor dem Autoverkehr warten. „Das wäre bloß ein bisschen Farbe auf der Straße gewesen.“

Essener Vater: Fahrradfahren für Grundschulkinder allein auf vielen Straßen zu gefährlich

SCHONNEBECK: Der Bici-Bus zur Schillerschule kann nicht mehr angeboten werden, doch die Kinder können den Weg nicht allein zurücklegen, da er zu gefährlich ist. Wir treffen uns mit Bici-Bus-Initiator Dennis Wegner und Schulleitung an einer Gefahrenstelle, die eigentlich durch Umbau entschärft werden sollte.
Am Zaun der Schule werben Banner dafür, den Schulweg zu Fuß zurückzulegen. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Dass Kinder, speziell Grundschulkinder, unter diesen Bedingungen allein mit dem Fahrrad unterwegs sind, hält Wegner für unmöglich. Aber sie könnten durchaus die letzten 200 Meter laufen, „man muss sie nicht bis auf den Schulhof fahren“. Auch an diesem Vormittag steht vor der Schule ein Auto mit laufendem Motor; am Zaun hängt ein Banner mit der Aufschrift: „Zu Fuß zur Schule“ und ein weiteres mit dem Spruch: „Frische Luft statt Elterntaxi.“

„Die Bringsituation ist gelegentlich schwierig“, sagt Nicole Brandenberg. Sie wisse allerdings nicht, ob es nun eher die Eltern der Schillerschule oder der benachbarten Johann-Michael-Sailer-Schule seien, die ihre Kinder mit dem Auto bis vors Tor brächten. Die beiden Schulen teilen sich den Schulhof und die Containerbauten, in denen der Unterricht stattfindet, seit sie das Schulgebäude vor gut drei Jahren wegen Bergbauschäden verlassen mussten.

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Welche Optionen also gibt es angesichts einer ungenügenden Radinfrastruktur? An der Gustav-Heinemann-Gesamtschule habe man sogenannte „Kiss-and-Ride-Zonen“ eingerichtet, erzählt Wegner. Dort könnten Eltern die Kinder mit dem Auto absetzen, damit sie den Rest des Weges zur Schule laufen. Ein ähnliches Konzept verfolgt die Altenessener Bückmannshofschule mit „Elterntaxi-Haltestellen“ im Umfeld der Schule.

Er könne sich auch vorstellen, so Wegner, dass sich Kinder künftig wieder auf dem Markt treffen, um dann in einer Gruppe zur Grundschule zu laufen. Aus seiner Sicht wäre, anders als beim Bici-Bus, dann keine Begleitung durch Erwachsene nötig. Trotzdem: Jemand müsste das Ganze organisieren, über eine Whatsapp-Elterngruppe beispielsweise. Immerhin hätten die Rückmeldungen der Familien gezeigt, dass der Markt grundsätzlich ein guter Treffpunkt sei. Bei der Planung des Bici-Bus-Projektes hätte indes ein anderer Faktor die Teilnehmerzahlen begrenzt: „Einige Kinder hier haben gar keine Fahrräder“, sagt Wegner, „das ist ein Problem, das mir vorher nicht klar gewesen ist.“

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