Essen-Kettwig. Es war einer der Läden, in denen man vor Schulbeginn noch ein Heft oder Stift kaufen konnte. Wir waren vor der Schließung noch einmal dort.
Sie hat schon des Öfteren in ihrem Leben ein neues Kapitel aufgeschlagen, einmal sogar ganz die Zelte in Deutschland abgebrochen. Und immer war dieser Umbruch auch ein kreativer Aufbruch für die Kettwigerin Doris Krumey. Am Samstag (14. Dezember) stand sie nun zum letzten Mal hinter der Theke ihres Ladens; das Schreibwarengeschäft „Paper-La-Papp“ in der Kirchfeldstraße schließt. Für die 70-Jährige wieder ein Aufbruch – diesmal in den Ruhestand. „Es ist genug. Ich möchte die Zeit genießen, die ich noch habe“, sagt sie und in ihrer Stimme schwingt doch Wehmut mit.
„Schon als Kind konnte ich an keinem Schreibwarenladen vorbeigehen. Es ist der Geruch von Papier und ich mag diese Haptik. Dazu kommt, dass ich ein Faible für schöne Schreibgeräte habe.“ Einen eignen Schreibwaren- und Bastelladen zu führen, die Idee kam aber erst viel später. „Ich habe Chemie studiert im ersten Leben, aber ohne Abschluss.“ Später arbeitete Doris Krumey im Büro eines Mineralölgroßhandels. Im Fernstudium eignete sie sich Kenntnisse in Betriebswirtschaft an. Sie heiratete, bekam drei Kinder.
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Schreibwarenladen in Essen-Kettwig war Anlaufpunkt für Schüler
1996 kam dann das Ende von Karstadt in Kettwig. „Auch Flothmann machte zu, es gab also keine Möglichkeit mehr, Schreibwaren in Kettwig zu kaufen.“ Nahezu täglich habe sie in der Zeitung Überschriften gelesen wie „Müssen die Kettwiger jetzt für jeden Stift nach Essen fahren?“. Da war die Idee von „Paper-La-Papp“ geboren. Neben dem klassischen Schreibwaren gab es auch Bastelbedarf. Vom Ladenlokal in der Hauptstraße zog sie 2005 um in die Kirchfeldstraße – mit immerhin knapp 200 Quadratmetern Verkaufsfläche plus Lager.
Schnell war der Laden Anlaufpunkt für die Schüler aus den nahe gelegenen Schulen. Schon morgens vor dem Unterricht (geöffnet war ab 7.30 Uhr) besorgten sie sich noch flugs Hefte, Patronen und Tintenkiller. Die frühe Öffnungszeit hat sie nach der Corona-Pandemie allerdings wieder abgeschafft. „Durch die Digitalisierung wird einfach weniger Schulmaterial gebraucht.“
Ein neues Kapitel schlug Doris Krumey im Jahr 2012 auf. Sie verkaufte das Geschäft und erfüllte sich einen Lebenstraum: Mit dem Motorrad für ein Jahr die Panamericana fahren. Das legendäre Schnellstraßennetz verbindet Feuerland und Alaska über gut 35.000 Kilometer. „Ich beneide Dich“ habe ihr Vater damals gesagt. Denn auch er hatte diesen Traum.
Die Panamericana war immer der Lebenstraum der Kettwigerin
Es war Anfang der 1960er Jahre. Doris Krumey ging mit ihrem Vater ins Kino. Auf dem Programm stand der Dokumentarfilm „Traumstraßen der Welt“ von Hans Domnick. Vater und Tochter waren fasziniert und infiziert. „Unendlich viele Male fuhren unsere Finger in den folgenden Jahren über den Globus, die Panamericana entlang.“
Mit 20 Jahren hatte sie als einzige Frau damals in einer Mülheimer Fahrschule den Motorrad-Führerschein gemacht, frönte seitdem der Zweirad-Leidenschaft vor allem in der hiesigen Region. 2012 wagte die Kettwigerin dann das große Abenteuer auf dem amerikanischen Kontinent. Allein auf ihrer BMW-Maschine. „Der Vorteil ist, dass man allein viel schneller Kontakte findet“, sagt sie augenzwinkernd. Zwei Monate war sie beispielsweise mit zwei Australiern unterwegs, weitere Etappen fuhr sie mit einem polnischen Pärchen sowie einem englisch-spanischen Pärchen. Nach einem Jahr und vielen Erlebnissen kehrte sie an die Ruhr zurück.
Ein weiteres Kapitel stand an: In der Kettwiger Altstadtgalerie baute sie 2015 einen neuen Laden auf. Mit „Verflixt & Zugenäht“ konnte Doris Krumey eine andere Leidenschaft verwirklichen – das Nähen und Stricken. Doch dabei sollte es nicht bleiben. Schon drei Jahre später kehrte sie an ihren alten Standort in der Kirchfeldstraße zurück, übernahm erneut das „Paper-La-Papp“. Das Angebot wurde vergrößert. Seitdem gab es dort neben dem Schreibwaren- und Bastelbedarf auch Wolle, Stoffe und Kurzwaren zu kaufen.
So sieht ihr Zukunftsplan aus: Endlich ein Buch schreiben
Ihr „viertes Kind“, wie sie das „Paper-La-Papp“ gerne nennt, führte Doris Krumey durch die Corona-Zeit. Doch die Energiekrise und die zunehmende Discounter-Konkurrenz haben die Branche verändert. Mit dem großen Sortiment an Schul- und Bürobedarf, Hobby- und Bastelartikel, Geschenkpapier und Wolle am Markt zu bestehen, fiel Krumey zuletzt immer schwerer. Irgendwann reifte der Entschluss, in den Ruhestand zu gehen.
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Der Ausverkauf läuft. Die Wollbestände nimmt ein befreundeter Händler, die Stoffe werden wohl auf einem Flohmarkt angeboten. Anderes geht an ein Sozialkaufhaus. Noch Anfang der Woche sei sie verblüfft gewesen, erzählt die Kettwigerin, wie schnell das Datum der Geschäftsaufgabe näher rücke. „Es ist wie damals, als mein Motorrad verschifft wurde. Als es da festgezurrt stand, fiel eine Klappe bei mir. Da erst habe ich begriffen: Jetzt geht es los.“ So ähnlich empfinde sie es auch aktuell.
„Es ist wie damals, als mein Motorrad verschifft wurde. Als es da festgezurrt stand, fiel eine Klappe bei mir. Da erst habe ich begriffen: Jetzt geht es los.“
Wobei sie sich schon einiges für die Zeit danach vorgenommen hat: Endlich das Buch über ihre Panamericana-Erlebnisse schreiben zum Beispiel. Sich wieder mehr bei Kett-In einbringen, wo sie früher einmal im Vorstand war.
Und andere Länder erkunden? „Ja, aber nicht mehr mit dem Motorrad. Das Reisen wird anders, aber bestimmt genauso schön“, ist sich Doris Krumey sicher.
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