Essen. Schockiert sind Tierpfleger fast täglich: Die kleine Katze Yuna kam in Paketband umwickelt an. Auch Kater Phoenix kämpfte um sein Leben.

Mit Klebeband umwickelt kam die kleine Katze im Tierheim an, verschnürt wie ein Paket. Yuna war schwer krank und zudem verstümmelt von ihrem Besitzer. Diese dramatischen Fälle häufen sich im Essener Tierheim, sie sind inzwischen Alltag. Das bedeutet großes Leid, intensive Pflege, aber auch hohe Kosten und einen gestiegenen Platzbedarf, weil die Tiere viel länger an der Grillostraße bleiben müssen. „Keine Katze kommt gesund zu uns“, schildert Leiterin Jeanette Gudd. Rund 200 sind es derzeit, die Katzenzimmer sind voll. Deshalb war ein neues Katzenhaus schon lange nötig, nun wird es gebaut.

Es war ein Mann, der Yuna ins Tierheim brachte. Viele Worte machte er nicht: „Die gehörte meiner Freundin und die ist weg.“ Damit entledigte er sich auch des Kätzchens, dessen kleiner Körper samt Hinterbeinen und Schwanz mit Paketklebeband verklebt war. „Wir haben sie sofort in die Klinik gebracht, wo selbst die Ärzte schockiert waren“, berichtet Jeanette Gudd. Erst als das Klebeband unter Narkose entfernt worden ist, wurde deutlich, welche Qualen das Tier hat erleiden müssen. „Die Hölle“, kommentiert die Leiterin den erbärmlichen Zustand von Yuna, die ihren Haltern offenbar lästig geworden war, weil sie Durchfall hatte.

Derzeit betreut das Tierheim Essen allein rund 200 Katzen

Die Katze kam zu einer Arzthelferin auf eine Pflegestelle, als nur tags darauf ein Gassigeher des Tierheims die Polizei rief. „Er hatte beobachtet, wie eine Frau einen Hund in einen Container geworfen hatte“, sagt Gudd und macht deutlich, dass diese Dramen auch vor Hunden, Kaninchen oder Vögeln nicht Halt machen. „Mann denkt irgendwann, man hat schon alles gesehen. Und dann kommt es noch schlimmer“, sagt sie traurig über diese Erlebnisse, die längst keine Einzelfälle mehr sind. So betreut das Tierheim Jahr für Jahr zahllose Tiere, darunter junge, alte, tragende Katzen oder solche, die gerade Kitten bekommen haben.

Tierheimleiterin Jeanette Gudd (li.) und Elke Esser-Weckmann, Vorsitzende des Tierschutzvereins, stellen Mandy und Shakira vor, die gemeinsam ein neues Zuhause suchen.
Tierheimleiterin Jeanette Gudd (li.) und Elke Esser-Weckmann, Vorsitzende des Tierschutzvereins, stellen Mandy und Shakira vor, die gemeinsam ein neues Zuhause suchen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

„Die Kastrationspflicht 2015 hat da nichts bewirkt“, sagt Elke Esser-Weckmann. Hart erkämpft haben die Tierschützer diese samt einer Registrierungspflicht. Zunächst sei es besser geworden, nun aber herrschten die gleichen Zustände wie zuvor. Kontrollen seien zwar vorgesehen, Sanktionen aber nicht, nennt sie ein Problem. Hinzu kommt, dass Katzen Hunden den Rang eins als Lieblingshaustier abgelaufen hätten. Das macht sich auch im Tierheim bemerkbar, wenn dann die plötzlich ungewollte und oftmals ebenfalls kranke Katze dort landet.

Die finanzielle Situation im Tierheim

Das Tierheim Essen hat einen Etat von 2,2 Millionen Euro. Der deckt Personalkosten und Tierversorgung. Dafür kümmern sich die Mitarbeiter auch um Fundtiere und sichergestellte Tiere: eine Aufgabe, die Pflicht der Stadt ist. Weil es kein städtisches Tierheim in Essen gibt, zahlt die Stadt jährlich 950.000 Euro an das Heim. Eine Bilanz, wie hoch die Kosten für Fundtiere und sichergestellte Tiere nun tatsächlich gewesen ist, steht laut Elke Esser-Weckmann, Vorsitzende des Tierschutzvereins, noch aus.

Fest steht, dass es ein langer Weg gewesen ist, bis die Stadt ihre Summe den tatsächlich Kosten angepasst hat. Noch 2014 erhielt das Tierheim gerade einmal 200.000 Euro, ein Jahr später wurde der Betrag nach zahlreichen Verhandlungen auf 260.000 Euro angehoben. Dass es nun eine knappe Million ist, ist wohl auch der Hartnäckigkeit der Tierschützer geschuldet, die immer wieder auf die städtische Pflichtaufgabe verwiesen und die Kosten nicht weiterhin auf sich abwälzen lassen mochten.

Im Tierheim Essen arbeiten 56 Kräfte verteilt auf 42 Vollzeitstellen, darunter sind Mitarbeiter in der Verwaltung (6) und Technik (4) wie im medizinischen Bereich (3). Die Tierarzt-Stelle ist derzeit nicht besetzt, ein Kollege oder eine Kollegin wird dringend gesucht.

Mandy (20) und ihre Tochter Shakira (17) sind wiederum gekommen, weil ihre Besitzerin gestorben ist. Auch sie werden wohl länger bleiben, bis sich jemand findet, der zwei so alte Katzen zusammen aufnehmen wird. Bei diesem enormen Platz- und Pflegebedarf gab es bereits 2015 erste Ideen, das Katzenhaus zu erweitern. Diese seien wegen zu hoher Kosten verworfen worden. „Dann liebäugelten wir 2018 mit einem Teil des benachbarten Grundstücks der Jugendverkehrsschule“, erinnert sich Elke Esser-Weckmann. Schließlich schlugen sie ein Jahr später ein, als die Stadt ihnen die Fläche auf der anderen Seite des Tierheims anbot. Das Grundstück des Tierheims hat sich damit auf insgesamt 7500 qm vergrößert, für die ein Erbbaupachtvertrag noch 45 Jahre läuft.

Das Problem damals: „Laut Flächennutzungsplan war das neue Stück eine Grünfläche. Fraglich war, ob wir dort überhaupt bauen dürfen“, sagt die Vorsitzende. Der dringend benötigte zweigeschossige Katzenbau sei völlig ausgeschlossen gewesen. Also mussten sie umdenken, es entstand auf dem neuen Grundstück zunächst die Hundekrankenstation (Kosten 1,8 Millionen Euro), die im September 2024 eingeweiht wurde. Kaum eine Woche später begann der Abriss des ehemaligen Hundebereiches und auch der alten Katzenkrankenstation, um Platz zu schaffen für das neue, zweigeschossige Katzenhaus.

Die Kosten für das Katzenhaus im Tierheim Essen belaufen sich auf etwa 3,1 Millionen Euro

Entstehen soll eine Katzenkrankenstation (34x25 Meter) mit acht Vermittlungs- und Quarantäneräumen samt Außenbereich und Schleuse im Erdgeschoss. Die einzelnen Räume sollen 16 Quadratmeter groß sein, auf denen bis zu fünf Katzen untergebracht werden können. Im Obergeschoss soll es acht weitere Krankenzimmer mit Balkonen geben. Auf jeder Etage sind Futterlager sowie ein Putzraum mit Waschmaschinen geplant.

Die Kosten für das Katzenhaus belaufen sich auf etwa 3,1 Millionen Euro, von denen ein Drittel aus Rücklagen (etwa aus Spenden oder Erbschaften) des Tierheims kommt. Ein weiteres Drittel wird über einen Kredit finanziert, für das übrige Drittel werden weitere Spenden benötigt. Die Tierschützer sind zuversichtlich und hoffen nun, auf einen Baubeginn noch in diesem Jahr, um die neue Katzenkrankenstation spätestens Ende 2025 beziehen zu können. Dann endet für alle an der Grillostraße die lange Zeit der Improvisation, das Leiden hört damit aber noch lange nicht auf.

Das Modell zeigt, wie das neue Katzenhaus des Tierheims Essen aussehen soll.
Das Modell zeigt, wie das neue Katzenhaus des Tierheims Essen aussehen soll. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Yuna ist tot. Das erfahren Jeanette Gudd und Elke Essen-Weckmann an diesem Vormittag. Zu schwer waren die Verletzungen und Folgeerkrankungen, die erkennbar wurden, als Ärzte das Paketklebeband von dem kleinen Tierkörper mühsam entfernt hatten. Die Halter hätten offenbar ihre Darmerkrankung nicht in den Griff bekommen und sie stattdessen umwickelt, damit sie die Wohnung nicht beschmutzt.

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Der Hund im Müllcontainer hat durchaus noch gelebt, als er dort landete. Seine Halterin habe angeblich geglaubt, er sei gestorben und habe ihn so entsorgen wollen, erzählt die Leiterin auch die Geschichte des kniehohen Terriers, der allerdings noch lebte: mit Herzproblemen, Tumoren und eingewachsenen Krallen. Eine medizinische Großbaustelle und gleichzeitig ein ganz freundlicher Hund, der sich jetzt auf einer Pflegestelle erhole.

Perserkatze Spirelli musste zur Zahnbehandlung, ihr geschorenes Fell wächst langsam nach.
Perserkatze Spirelli musste zur Zahnbehandlung, ihr geschorenes Fell wächst langsam nach. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Im Tierheim hörten sie bei solchen Fällen immer wieder Vorwürfe, sie würden die Tiere „vergolden“. Das aber sagten offenbar Menschen, die gar nicht wüssten, was eine Tierarztbehandlung oder ein Aufenthalt in einer Klinik koste. Allein für die Zahnsanierung samt erforderlichen Röntgenbildern bei Perserkatze Spirelli waren 2000 Euro fällig. „Wir werden täglich damit konfrontiert, dass Menschen ihrer Verantwortung und Pflege nicht nachkommen“, sagt die Leiterin. Irgendjemand müsse das dann ja tun.

Die Kosten für Phoenix werden wohl noch höher gewesen sein, denn der winzige Kater wurde zwei Wochen lang intensivmedizinisch betreut. Kaum sechs Wochen alt kam er an Durchfall, Erbrechen und Katzenseuche leidend im Tierheim an und landete gleich in der Klinik. Weil seine Erkrankung bei jungen und alten Tieren oftmals tödlich verlaufe, bangten sie alle mit dem kleinen Kater. Bis das große Wunder geschah: Phoenix lebt und liegt nun laut schnurrend auf dem Arm von Jeanette Gudd, die Tränen in den Augen hat: „So ein Tier gibt man doch nicht einfach auf.“

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