Essen-Kupferdreh/Überruhr. Marode Mauern, Sicherheit, fehlendes Fachwissen: Radweg-Stück zwischen Überruhr und der Kampmannbrücke am Baldeneysee soll doppelt so teuer werden.
Mehr als 40 Jahre Wartezeit und knapp drei Millionen Euro: Diese Zahlen gehören zur Planung eines Radweges, der lediglich 1,5 Kilometer lang werden soll. Entstehen soll diese Strecke zwischen Überruhr und der Kampmannbrücke am Baldeneysee. Stattdessen aber gab es bislang lediglich Zeitverzögerungen und steigende Baukosten. Warum sich diese inzwischen verdoppelt haben, erklärt die Stadt.
Noch klafft die Lücke auf dem Stück, wo der neue Geh- und Radweg zwischen dem östlichen Ruhrufer und der Bahntrasse (Linie S9) vorgesehen ist. Errichtet und asphaltiert werden soll er mit einer Breite zwischen 2,5 und 3 Metern zwischen dem Bahnübergang Holthuser Tal und der Kampmannbrücke in Kupferdreh. Bis dahin aber werden etwa Radfahrer weiterhin ab Holthuser Tal die stark befahrene Langenberger Straße nutzen. Während dieser Wechsel Gefahren birgt, sorgt die erneute Ankündigung über die Kostensteigerung für Kopfschütteln und Unverständnis.
Stadt Essen erklärt, welche Umstände zu erhöhten Kosten führen
Stimmt der Rat der Kostensteigerung zu, werden die Baukosten für das Teilstück immerhin mehr als 2,9 Millionen betragen - statt der ursprünglich angedachten 1,4 Millionen Euro. Der Ratsbeschluss, den Radweg zu bauen, fiel bereits 2021. Seinerzeit ging man von einem Baubeginn im Herbst und der Fertigstellung nach einem Jahr aus. Statt eines Weges gab es jedoch Hindernisse und Verzögerungen. Dabei reichen Pläne für einen Radweg in dem Bereich sogar mehr als 40 Jahre zurück. Den letzten Sachstand gab es dann Anfang 2024, nun folgt die Vorlage für den Rat mit der Verdoppelung der Baukosten – und weiteren Erklärungen.
So befinden sich laut Stadt sieben ehemalige Stollen und fünf Tagesöffnungen im Plangebiet des geplanten Geh- und Radwegs. Als Notwendig sei daher auf der gesamten Länge des geplanten Wegs ein Geogitter (4 m breit). Zudem müsse die Baumaßnahme fachgutachterlich begleitet werden, damit auf Anzeichen von eventuellen Bodenbewegungen sofort reagiert werden könne. Mehrkosten: ca. 150.000 Euro.
Etwa 600.000 Euro zusätzlich werden benötigt, um Stützmauern entlang des geplanten Geh- und Radwegs zu sanieren, die den Höhenunterschied zwischen Plangebiet und Ruhr auf einer Länge von ca. 340 Metern abfangen. „Die Mauern stammen vermutlich aus dem 19. Jahrhundert, als der Bahnhof Kupferdreh der Knotenpunkt für die Abförderung der Steinkohle zwischen Duisburg und dem Bergischen Land war“, teilt die Stadt mit.
Nach der jüngsten Überprüfung der Standsicherheit ergab sich die Sanierungsbedürftigkeit. Erschwert würden die Arbeiten dadurch, dass sie in stark beengten Verhältnissen, mit schlechter Zugänglichkeit, zwischen der S-Bahnstrecke und der Ruhr ausgeführt werden müssen. Einige Arbeiten werden Taucher übernehmen müssen.
Teurer wird der Radwegbau weiterhin durch Auflagen rund um das Thema Sicherheit. Für das gesamte Plangebiet gilt wiederum, dass es wegen seiner direkten Lage zur Bahnlinie, ohne eine sogenannte Bahnsicherung, nicht betreten werden dürfe. Die Vorkehrungen und Sicherheitsmaßnahmen, die sich daraus ergeben (Registrierung im System der Bahn, Begleitung durch externes Sicherungsteam etc.) kosten 460.000 Euro.
Rund 200.000 Euro Mehrkosten entstehen, die die Wege-Planung und insbesondere der Ingenieurbauwerke mit Stützfunktion entlang des Bahndamms von Fachleuten übernommen werden müssen. Also von einem Ingenieurbüro, das über Spezialkenntnisse im Bereich Bahnsicherung und Arbeiten entlang von Bahnanlagen sowie im Überschwemmungsbereich verfügt. Dieses Fachwissen liege bei Grün und Gruga nicht vor.
Wegen beengter Platzverhältnisse können Rodungsarbeiten nur mit kleineren Maschinen ausgeführt werden
Verglichen mit diesen Posten erscheint die Summe beinahe gering (55.000 Euro), die zusätzlich benötigt wird, um den Bahndammbereich mit Hilfe von Stützmauern zu verbreitern und zu stabilisieren. Weil die Böschungslinie auf Höhe des Kanuclubs (Langenberger Straße 664a) in einem geringen Abstand parallel zur Bahnlinie verläuft, ist dieser Arbeitsschritt zwingend erforderlich, um in diesem Bereich den Geh- und Radweg bautechnisch umsetzen zu können, erklärt die Stadt.
Wegen der Nähe zu der Bahnanlage wiederum müssten sämtliche für die Rodungsarbeiten benötigten Maschinen gesondert geerdet werden, was den Bewegungsradius deutlich einschränke. Durch die beengten Platzverhältnisse könnten die Rodungsarbeiten nur mit kleineren Maschinen ausgeführt werden. Die Folge: ein mehrmaliges Umsetzen der gerodeten Gehölze bis zum Abtransport, das die Bauzeit verlängert und die Kosten erhöht. Um etwa 80.000 Euro.
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All diese Pläne und Kostensteigerungen sind der Bezirksvertretung bereits vorgestellt worden. Die Reaktionen reichten von Fassungslosigkeit (Enno Gerd Schmischke, CDU) bis zur Erleichterung (Dorothea Blümer, Grüne), da die Maßnahme immerhin größtenteils vom Land NRW gefördert werden soll (80 Prozent). Beantragt wurden laut Stadt Mittel über das Programm „Förderrichtlinie Nahmobilität“.
Dennoch mag sich mancher mit Blick auf Dauer und Kostenexplosion wundern. So zweifelt etwa Bezirksbürgermeister Wilhelm Kohlmann angesichts von knapp drei Millionen Euro doch beinahe an der Sinnhaftigkeit der Maßnahme, während Christian Sieg (SPD) Unverständnis darüber zeigt, dass zwar Jahrzehnte lang die Züge über die Schächte gefahren seien, nun aber, da der Radweg gebaut werden soll, plötzlich eine marode Mauer die Verkehrssicherheit in Frage stelle. Jetzt ist der Rat an der Reihe, über die recht kurze Strecke und die großen Auswirkungen zu entscheiden.
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