Essen. Voller Sorge und doch auch Hoffnung: Bewohner der Siedlung Litterode schreiben Essens Oberbürgermeister erneut. Sie fühlen sich getäuscht.
Gerade erst mussten sie einen Rückschlag verkraften, doch sie geben nicht auf: Mieter der Essener Siedlung Litterode wollen am Freitag, 25. Oktober, erneut vor der Zentrale des Allbaus demonstrieren. Sie kämpfen um ihr Zuhause, das einer Neubausiedlung weichen muss. Der Abriss hat bereits begonnen.
Es war für viele in der Siedlung ein Schock, als die Bagger anrollten. Abgerissen wurde bereits die frühere Kita. Dass die seit Jahren leer gezogenen Häuser nicht erhalten bleiben, damit haben sich die Mieter abgefunden. Ihr Zuhause aber, die 19 noch bewohnten Häuser, das wollen sie nach wie vor retten und hegten große Hoffnung, als es kürzlich einen Termin bei Oberbürgermeister Thomas Kufen gab.
Sie haben alternative Pläne für die Siedlung an Verantwortliche des Allbaus überreicht, die Professor Tim Rieniets von der Universität Hannover ausgearbeitet hat. Mit dem Vorschlag des Städtebau-Experten könnten zwölf Häuser bestehen bleiben und es könnte insgesamt mehr Wohnraum geschaffen werden, als der Allbau für das Vorhaben geplant hat. Der Allbau hat die Siedlung von der Stadt übernommen und inzwischen allen Mietern gekündigt, von denen einige bereits ausgezogen sind. Entstehen sollen auf dem Areal 73 neue Einheiten, 60 sozial geförderte Mietwohnungen und 13 Einfamilienhäuser zum Verkauf.
Für die Bewohner der Litterode gibt es Unterstützung von Anwälten, Architekten und Bauexperten
Zuvor müssen alle Bewohner die Litterode verlassen, die viele hier mit einer langen Geschichte und einer noch größeren Gemeinschaft verbinden. Denn als die frühere Obdachlosensiedlung bereits in den 1980er Jahren in Gefahr war, retteten ihre Väter die Häuser, indem sie diese in Absprache mit der Stadt selbst sanierten. Sie hatten Mietverträge und es gibt bis heute Familien, die hier mit ihren Kindern und Enkeln leben und gern wohnen bleiben möchten. Inzwischen haben sie Unterstützung von Anwälten, Architekten und Bauexperten - und die Hoffnung nicht aufgegeben.
„Wir haben geglaubt, dass die alternativen Pläne ernsthaft geprüft werden“, sagt Bewohnerin Hevres Becker nach dem Zusammentreffen im Rathaus. Noch vor einer Rückmeldung aber, sei ein Gebäude bereits zum Abriss vorbereitet worden, das nach der vorgelegten Alternative für eine Sanierung vorgesehen gewesen sei. Die Bewohner fühlen sich getäuscht und übergangen, sind wütend und auch frustriert.
Aus Sicht des Allbaus seien diese Pläne für den Standort jedoch völlig ungeeignet (fügen sich beispielsweise nicht in das quartiersbezogene Stadtbild ein), weiterhin habe es ein Informationsschreiben durchaus gegeben.
„Das Schreiben kam fast acht Stunden nach Bekanntgabe, dass das Haus abgerissen wird“, reagiert Hevres Becker entsetzt auf die Aussage. Die Bewohner wollen ihren Protest jetzt ein weiteres Mal vor die Zentrale des Allbaus tragen. Und dann haben sie sich wieder zusammengesetzt, haben erneut ein Schreiben an Oberbürgermeister Kufen abgeschickt. „Obwohl wir wissen, dass er im Urlaub ist, aber er hat ja drei Stellvertreter“, sagt die Bewohnerin. Da werde sich doch jemand zuständig fühlen, bevor weitere Fakten geschaffen würden. Erst hätten sie doch eine Reaktion auf die Alternative erwartet.
Bewohner der Essener Siedlung reichen Brief an OB mit vielen Argumenten ein
„Unsere Planungsvorschläge weisen gegenüber den Plänen der Allbau GmbH gleich mehrere Vorteile auf“, heißt es nun in dem Schreiben an den Oberbürgermeister: Eine höhere Zahl förderfähiger Wohnungen, die Vermeidung unnötiger Abrisse historischer Bausubstanz, höhere städtebauliche Qualitäten und Berücksichtigung der baulichen und historischen Eigenarten des Ortes sowie eine bessere CO₂-Bilanz über den gesamten Lebenszyklus aller Gebäude. Es blieben mehr und hochwertigere Freiflächen für gemeinschaftliche Nutzungen und für die Linderung der Folgen von extremen Wetterereignissen (Hitze, Starkregen), es entstünden weniger Bauabfälle und es würden weniger nicht erneuerbare Rohstoffe verbraucht werden.
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Daher bitten die Bewohner Thomas Kufen darum, den Rat über die Planungsvorschläge von Professor Tim Rieniets entscheiden zu lassen. „Die Bewohner und Bewohnerinnen der Litteroder Zechenhäuser müssten ihre Heimat nicht verlieren.“ Gleichzeitig hätte die Stadt Essen die Chance, an der Litterode ein Vorzeigeprojekt umzusetzen, das exemplarisch zeige, wie sich soziale, ökologische und wirtschaftliche Interessen miteinander verbinden ließen.
„Unsere Ihnen bekannten Experten haben die Restnutzungsdauer der Altbauten nochmals auf Herz und Nieren untersucht. Professor Rieniets hat die Förderfähigkeit der Wohnungen geprüft. Die Ergebnisse übergeben wir Ihnen gerne“, bietet Hevres Becker im Namen der Initiative „Rettet die Littrode“ an. Denn genau das bleibt ihr Ziel und ihre Hoffnung - ihr Zuhause zu retten.
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Termine in der Essener Innenstadt rund um die Siedlung Litterode
Die Demo am Freitag, 25. Oktober, beginnt um 17 Uhr vor der Allbau-Zentrale, Kastanienallee 25. Eine weitere Veranstaltung gibt es in der Essener Innenstadt am Mittwoch, 6. November, 19 bis 21 Uhr, im Forum Kunst & Architektur, Kopstadtplatz 12, zu der „Die Linke“ eingeladen hat.
Unter dem Titel „Nachhaltige Stadtentwicklung, sozialer Zusammenhalt, Litterode“ diskutieren Tim Rieniets, Professor für Stadt- und Raumentwicklung von der Universität Hannover; Peter Bdrenk, Vorstand des Bundes Deutscher Architekten Essen; Hevres Becker, Bewohnerin der Litterode; Martin Harter, Planungsdezernent Stadt Essen und Dirk Miklikowski, Geschäftsführer der Allbau GmbH.
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