Essen-Bergerhausen. Wie sich eine Essener Feinkosthändlerin seit fünf Jahren am Markt behauptet – und welche Steine ihr in den Weg gelegt werden.

Drei bis fünf Jahre, sagt man, braucht es, um sich als Unternehmen am Markt zu etablieren. Sabrina Smieja hat diese magische Grenze in diesem Jahr erreicht. Im April 2019 hat die gelernte Floristin in Essen-Bergerhausen das Feinkostgeschäft i-Tüpfelchen eröffnet. Ein Lebenstraum, für den sie mittlerweile treue Stammkunden gewonnen hat. Doch ihr Fazit nach fünf Jahren als Einzelhändlerin fällt pragmatisch aus: „Corona war nicht so schlimm wie jetzt.“ Mehr Unterstützung wünscht sich die Unternehmerin unter anderem von der Politik vor Ort.

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Die Regale in dem kleinen Lokal an der Rellinghauser Straße sind randvoll gefüllt mit Essig, Ölen, Senf, Marmeladen, Pralinen, Lakritz, Secco und Gin. Dazwischen finden sich Postkarten, Kerzen, Servietten, mit Blumen verzierte Schokoladen und Gummibärchen, die aussehen wie von Hand geformt. Die Welt der Feinkost riecht süß nach Tee aus Feigen und Rosen. Und sie hat ihren Preis: Die Manufaktur-Schokolade kostet 6,50 Euro die Tafel, der Fruchtaufstrich geht für knapp sieben Euro über die Theke, das sizilianische Olivenöl mit Trüffeln für 23 Euro. Preise, die der Supermarkt um die Ecke und erst recht der nächste Discounter locker unterbieten können.

Essener Feinkost-Händlerin stellte Sortiment um

Ein Problem, das auch Smieja nur allzu gut kennt. „Aktuell spart jeder, alle müssen aufs Geld gucken, weil schon die normalen Lebensmittel mehr kosten als sonst. Dieses Jahr ist wirklich vieles in der Schwebe.“ Auch bei den Weihnachtsfeiern, traditionell ein guter Markt für den Feinkost-Bereich, seien viele Menschen derzeit noch zurückhaltend. „Ich würde nicht gleich sagen, dieses Jahr ist hart, aber es ist anders. Vorher war es einfacher, die Leute für außergewöhnliche Produkte zu begeistern.“

Gebrannte Mandeln und andere Leckereien gibt es im i-Tüpfelchen in Bergerhausen.
Gebrannte Mandeln und andere Leckereien gibt es im i-Tüpfelchen in Bergerhausen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

„Vorher“, das meint tatsächlich die Pandemie-Jahre: „Damals waren die Menschen abgeschottet, haben aber online oder telefonisch bestellt, und ich habe dann alles ausgeliefert. Die Menschen haben sich, vielleicht weil sie in dieser Situation waren, auch einfach mal etwas gegönnt. Damals gab es mehr Aktion mit den Kunden.“

Eine Entwicklung auf die man als Einzelhändler, gerade in der Nische Feinkost, reagieren muss. Smieja hat ihr Sortiment daher noch einmal umgestellt und setzt jetzt verstärkt auf Fair Trade und Manufaktur-Qualität aus kleinen deutschen Familienbetrieben, vor allem von der Mosel. „Von denen haben sich viele auf ein Produkt – auf Marmeladen, auf Senf – spezialisiert, und die unterstütze ich wirklich gern.“

Am besten mit Siegel, vegan oder glutenfrei

Keine Massenproduktion also, sondern „außerordentliche Qualität“. Und das Konzept geht durchaus auf. Denn auch das hat die Geschäftsfrau in den vergangenen Jahren festgestellt: „Wenn es schon höhere Preise bei Lebensmitteln sein sollen, dann müssen es auch wirklich tolle Produkte sein, mit Siegel am besten, vegan oder glutenfrei. Das wird den Leuten immer wichtiger. Und darauf muss ich mit meinem Angebot natürlich reagieren.“

Kundenbindung ist tatsächlich ein enorm wichtiges Stichwort für die Unternehmerin: Das beginnt mit einem Online-Shop und eigenen Social-Media-Kanälen, die sie regelmäßig unter anderem mit Rezepten bespielt, jetzt im Herbst beispielsweise zum Thema Kürbisse. Sie bietet ein Tee-Abo an und regelmäßige Verkostungen, das nächste Mal im Dezember.

Überall im Laden finden sich zudem kleine Probierstationen mit Häppchen – Schokolade oder Kürbiskerne mit Chili zum Beispiel. Um neugierig zu machen, auf das, was sie anbietet. Genau diese Mischung aus Vor-Ort-Beratung, echten und „digitalen Probehäppchen“ via Instagram und Facebook, sei heute, davon ist die Geschäftsfrau überzeugt, unerlässlich, um am Markt bestehen zu können. „Ich habe gerade zum Beispiel eine kleine Kollektion gepostet, und es kamen prompt Reservierungsanfragen.“

Zahlreiche verschiedene Essigsorten können in Essen-Bergerhausen gezapft werden.
Zahlreiche verschiedene Essigsorten können in Essen-Bergerhausen gezapft werden. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Bergerhausen sei für ihr i-Tüpfelchen dabei genau das richtige Pflaster: „Zum einen bin ich gebürtig aus Bergerhausen und wohne auch hier. Zum anderen gibt es in Stadtteilen wie Rüttenscheid schon genug Läden wie meinen. Hier ist das nicht so.“ Grundsätzlich sei das Verhältnis der Einzelhändler untereinander vor Ort sehr gut, „wir sind hier eine ganz tolle Community“.

„Tolle Community“ in Essen-Bergerhausen

Mit durchaus ähnlichen Problemen. Ein Stichwort: Parkplätze. „Die Parkplatzsituation hier an der Rellinghauser Straße ist wirklich katastrophal. Unsere Kunden müssen ja irgendwo hin. Und dann setzt man uns drei Car-Sharing-Plätze vor die Nase, wo jeden Tag jemand abgeschleppt wird, oder nimmt fünf Parkplätze für Fahrradständer weg.“ Auf die Parkmöglichkeit auf dem Garagenhof neben dem Geschäft macht Sabrina Smieja mittlerweile deshalb sogar schon in einer eigenen Instagram-Story aufmerksam. „Die Schranke öffnet automatisch, und in den Geschäften hier auf diesem Teilstück erhalten die Kunden eine Münze, damit sie auch wieder herauskommen.“

Außergewöhnliche Schokolade: Sabrina Smieja setzt auf Produkte von deutschen Familienbetrieben.
Außergewöhnliche Schokolade: Sabrina Smieja setzt auf Produkte von deutschen Familienbetrieben. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Ein stärkerer Blick aus Sicht der kleinen Unternehmen auf solche Probleme und mehr Rücksichtnahme auch bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen – das, sagt Smieja, würde dem krisenbehafteten kleinen Einzelhandel wirklich helfen. „Steuern und Krankenversicherung, das sind die beiden Punkte, die Unternehmerinnen wie mir irgendwann das Genick brechen werden. Das ist mehr als Steine in den Weg legen. Da wird einfach nicht mitgedacht. Da fallen die Voraus- und Nachzahlungen der Steuern zum Beispiel dann einfach mal in denselben Monat – und es ist den Verantwortlichen vollkommen egal, wie man das stemmen soll.“

Die Zeiten sind schwierig. Dennoch blickt Smieja optimistisch in die Zukunft. Den Wechsel aus ihrem Job als Floristin in die Anstellung als Feinkosthändlerin in Mülheim und dann in die eigene Selbstständigkeit bereut sie nicht. Feine Gewürze, außergewöhnliche Teesorten, hochwertige Produkte – genau das sei ihre Welt. „Ich mache weiter, weil ich das alles hier wirklich liebe.“

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