Essen. Der „Akkordeonherbst 2024“ bot famose Musik. Die internationale Musikszene sorgte für ein ausverkauftes Werdener Bürgermeisterhaus.

Über kaum ein Instrument wird in Musikerkreisen so viel Hohn und Spott verbreitet wie über das Akkordeon: „Bestens dazu geeignet, aus guter Luft schlechte Musik zu machen.“ Was natürlich völliger Blödsinn ist, wie sich jetzt beim wunderbaren „Akkordeonherbst“ mal wieder zeigte. Und zwar im Werdener Bürgermeisterhaus, wo das 2016 von dem Essener Avantgarde- und Jazz-Akkordeonisten Ralf Kaupenjohann gegründete Festival nun erstmals zu Gast war.

Bemerkenswert, dass bereits das Eröffnungskonzert des polnischen Virtuosen Bartosz Kołsut nahezu ausverkauft war. Einen Abend später sah es bei dem französischen „Avéz Duo“ kaum anders aus – offenbar wussten die Zuhörer das oft geschmähte Handzuginstrument bereits im Vorfeld zu schätzen und ahnten, dass sie Bach, Mozart und mehr in attraktiven Neudeutungen erleben würden.

Adaptierte Transkriptionen bekannter Werke

Mangels Original-Literatur – ihr Instrument wurde erst Anfang des 19. Jahrhunderts erfunden und findet bis heute bei Komponisten kaum Resonanz – müssen Interpreten nämlich auf für ihr chromatisches Knopfakkordeon adaptierte Transkriptionen bekannter Klavier- oder Orchesterwerke zurückgreifen. Fasziniert, wie delikat Bartosz Kołsut zunächst die „Partita Nr. 2 c-Moll“ von Johann Sebastian Bach fein-duftig ziselierte, um dann Mozarts „Fantasia d-Moll, KV 397“ mit Esprit zu kredenzen. Wer genau hinhörte, erkannte da eine Inspirationsquelle von Astor Piazzolla, dessen „Adiós Nonino“ im zweiten, nun modernen Teil des Abends erklang.

Der begann imposant mit „Misterioso“ des jungen polnischen Komponisten Pawel Janas, wo der Akkordeonist sein Instrument fabelhaft neutönerisch fauchen und hauchen ließ. Schade, dass seine Version des „New York Tango“ von Richard Galliano, die der französische Großmeister schon oft in Essen darbot, da bei aller Rasanz nicht mithalten konnte – lautstark gefeiert wurde Bartosz Kołsut dennoch und dies zurecht.

Impressionistische Farben kamen ins Bürgermeisterhaus

Unter dem sprechenden Titel „Jeux de timbre“ brachte Ambre Vuillermoz mit der Pianistin Elena Soussi als „Avéz Duo“ am zweiten Abend dann impressionistische Farben ins Bürgermeisterhaus. César Francks „Prelude, fugue et variation“ für Harmonium und Klavier blieb naturgemäß dicht am Original, während sich die vierhändigen Klavier-Fantasien „Ma mère l’Oye“ von Maurice Ravel, nun mit beflügeltem Akkordeon, in filigran durchgezeichnete Kleinode verwandelten. Ein reizvoller Kontrast zu den für die beiden Musikerinnen von Tobias Feierabend (*1993) komponierten „Oiseaux gris“ (Graue Vögel), die rhythmisch vertrackt nicht etwa schnatterten, sondern äußerst pointiert delikat differenzierte Klangmuster atmeten – quasi aus schlechter Luft erstklassige Musik gemacht.

Grandios, aber als Ambre Vuillermoz und Elena Soussi nach der Pause sich an Igor Strawinsky und dessen „La sacre du printemps“ wagten, da stockte ihren Zuhörern endgültig der Atem. Es war virtuose Überwältigungsartistik par excellence in unerhört mitreißender Farbigkeit als Krönung dieses sonnigen „Akkordeonherbst 2024“ – großer Jubel.

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