Essen. Die Intendanten Marek Tůma und Armen Hakobyan erklären, wie sie die Zukunft des Essener Aalto-Balletts gestalten wollen.
Ben Van Cauwenbergh hinterlässt nach 16 Jahren Intendanz am Aalto-Ballett große Fußstapfen in Form von Choreografien und Charisma. Das Duo, das ihm folgt, muss jetzt beweisen, dass es das Publikum bei der Stange halten kann. Aber Marek Tůma (49) und Armen Hakobyan (45) haben einen Vorteil: Als ehemalige Tänzer, als langjähriger Ballettmanager und Ballettmeister kennen sie den Geschmack der Essener Zuschauerinnen und Zuschauer genau. In ihrem Antrittsinterview erzählen sie, warum sie in der ersten Spielzeit auf zwei Frauenfiguren setzen.
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Herr Tůma, Herr Hakobyan, Sie starten mit neuen Versionen von „Carmen“ und „Cinderella“. Beide Ballettstoffe waren vor nicht allzu langer Zeit am Aalto-Ballett zu sehen. Ist das nicht langweilig?
Tůma: Mal abgesehen davon, dass wir sehr kurzfristig ernannt worden sind und wenig Zeiten hatten, die Spielzeit vorzubereiten - der Reiz liegt darin, dass die Zuschauer vergleichen können. Der gleiche Stoff wird völlig anders getanzt und erklärt. Johan Inger zeigt mit seiner „Carmen“ ganz andere Ausdrucksmöglichkeiten als Ben. Ähnlich ist es mit Jean-Christophe Maillot und Stijn Celis. Dass die Wahl auf zwei Frauen fiel, ist Zufall.
Hakobyan: Wir sind froh, dass wir diese Choreografien bekommen haben. Das zeigt, welches Standing das Essener Ballett hat. Wir wollen akademischen Bühnentanz zeigen. Nicht jede Compagnie könnte das tanzen.
Essener Doppelspitze spricht über Unterhaltung und Intellekt am Ballett
Welche Ausrichtung soll das Aalto-Ballett künftig haben?
Hakobyan: Wir wollen es nachdenklich gestalten, etwas für Kopf und Phantasie einbringen.
Tůma: Das Publikum soll eine gute Balance zwischen Unterhaltung und etwas Intellektuellem mit nach Hause nehmen. Wenn „Carmen“ funktioniert, wollen wir weitere Handlungsballette machen. Es sollte auch etwas Abstraktes dabei sein. Armen ist unser Hauschoreograf mit einer Choreografie in zwei Spielzeiten.
Was würden Sie gerne auf dem Spielplan sehen?
Hakobyan: Choreografien von Mats Ek und William Forsythe gehören dazu. Eks „A Sort Of“ und „Bernardas Haus“ wären Wunschmusik.
Welche Erfahrungen waren in Ihrer Laufbahn als Tänzer prägend?
Tůma: Für mich waren die Arbeiten mit Valery Panov und Stijn Celis eine Bereicherung.
Hakobyan: „Mozart“ von Uwe Scholz war sehr intensiv, „Othello“ von Youri Vámos, Mats Ek war unbeschreiblich. Aber das Highlight (beide) war die Begegnung mit Jiří Kylián, diese paar Tage in Essen, die er die Proben (für „Archipel“) begleitet hat.
Essener Doppelspitze über den Wechsel der Tanzenden in der Compagnie
Die Ballett-Compagnie hat sich personell verändert. Mussten Tänzerinnen oder Tänzer wegen des Intendantenwechsels gehen?
Tůma: Die Leute, die mit Ben in Essen angefangen haben, sind mit ihm in Rente gegangen. Das ist eine ganz natürliche Aussortierung. Aber sie sind größtenteils weiter am Haus beschäftigt. Adeline Pastor arbeitet im Ticketcenter, Denis Untila als Orchesterwart, Elisa Frascetti in der Orchesterdisposition, Maria Lúcia Segalin als Mitarbeiterin der Intendanz. Ige Cornelis ist nach Monaco gegangen.
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Vor allem bei den Männern gibt es Bedarf. Sind Sie fündig geworden?
Hakobyan: Wir haben Tänzer im Bereich klassisch und modern gesucht. Es gab über 700 Bewerbungen, 18 haben wir ausgewählt und einen guten Jungen gefunden. Mit seinem Potenzial kann er aufsteigen. Es ist nicht nur das Künstlerische, das passen muss. Er muss auch menschlich zur Compagnie passen. Wir nehmen Menschen in unsere Familie auf.
Menschlich soll auch die Beziehung zum Publikum gestaltet werden mit „Open Classes“. Welche Einblicke ermöglichen Sie damit?
Hakobyan: Es bringt uns näher zum Publikum. Sie sehen, wie wir den Körper warm machen, wie das Produkt entsteht. Die Zuschauerinnen und Zuschauer können uns aus einer anderen Perspektive betrachten.
Essener Doppelspitze über das große Erbe von Ben Van Cauwenbergh
Wie ist es um das Schulprojekt „Queeny“ bestellt? Wird es den Abend „Ptah“ weiterhin geben, bei dem Ensemblemitglieder eigene Choreografien zeigen konnten?
Tůma: „Queeny“ ist noch zu nah an Ben Van Cauwenbergh dran. Es wird aber andere Kinder- und Jugendprojekte geben. Bei „Ptah“ sind wir auf die Unterstützung der Grillo-Bühne angewiesen. Mit dem Ende der Casa hat das Schauspiel keine Möglichkeit auszuweichen und wir müssen das streichen.
Spielplan am Essener Ballett
„Carmen“ von Johan Inger hat am 13. Oktober Premiere am Aalto-Theater. Es folgt Jean-Christophe Maillots „Cinderella“ ab 19. April 2025.
Choreografien von Ben Van Cauwenbergh oder Abende, an denen er beteiligt ist, stehen weiter auf dem Programm: „Last“ ab 14. November, „Tanzhommage an Queen“ ab 15. November, „Schwanensee“ ab 14. Dezember, „Romeo und Julia“ ab 7. Februar 2025, „Smile“ ab 20. März 2025.
Karten unter 0201 8122 200 oder online auf www.theater-essen.de
Das heißt: Sie wollen nach Ben Van Cauwenbergh etwas Neues auf die Beine stellen? Aber seine Choreografien bleiben im Programm - von „Tanzhommage an Queen“ bis zu Klassikern wie „Schwanensee“.
Tůma: Es wäre unklug, Bens erfolgreiche Produktionen wegzuschmeißen. Es gibt ganz wenige Compagnien, die klassische Produktionen wie „Schwanensee“ anbieten können.
Welche Wünsche haben Sie für Ihre Intendanz?
Tůma: Es ist großartig, Ben beerben zu können und wir hoffen, dass uns das Publikum treu bleibt. Dass es uns die Chance gibt, uns vorzustellen. Und ich wünsche mir, auch ein jüngeres Publikum anzusprechen.
Sie sind beide Väter. Sollen Ihre Kinder in Ihre Fußstapfen treten?
Hakobyan: Meine Tochter ist 5 Jahre. Wir drängen sie nicht dazu.
Tůma: Meine Söhne haben nicht einmal Interesse gezeigt. Sie interessieren sich für Medizin und Jura.
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