Essen. Nach der Absage von „Löwen“-Wirt Lars Becker hat das Essener Bürgerbündnis umgebucht. Der EBB-Chef findet den Vorgang nicht nachvollziehbar.

Der „Löwe“ am Kopstadtplatz hat ihn ausgeladen, nun wird die für Freitag Abend (6.9.) geplante Diskussionsveranstaltung des Essener Bürgerbündnisses EBB mit dem bayerischen stellvertretenden Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger im „Select Hotel Handelshof“ am Hauptbahnhof stattfinden. EBB-Fraktionschef Kai Hemsteeg zeigte sich auf Anfrage allerdings sehr verwundert über die kurzfristige Absage von „Löwen“-Wirt Lars Becker.

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„Natürlich hat er das Recht, in seiner Gastronomie Veranstaltungen anzunehmen und zu stornieren, wie er das will“, betont Hemsteeg. „Ich finde aber schade, dass Herr Becker diese Chance nicht nutzt.“ Man habe es für naheliegend und charmant gehalten, mit dem bayerischen Wirtschaftsminister und Chef der Freien Wähler in ein Lokal zu gehen, das auf der Homepage mit „Bayerisches Brauhaus seit 2003“ wirbt und noch dazu in der nördlichen Innenstadt liegt.

„Löwen“-Wirt Lars Becker benutzte markige Worte: „Landwirt vom Dorf muss mir nichts erklären“

Inhaltlich seien die Gründe, die Becker für seine Absage nennt, für ihn nicht nachvollziehbar, so Hemsteeg. Der Gastwirt hatte sich an der Stoßrichtung der gesamten Veranstaltung gestört, die sich kritisch mit der Sicherheitslage und der Situation des Einzelhandels in der Essener Innenstadt auseinandersetzen will. Die Innenstadt sei aber besser als ihr Ruf, das sei ihm, Becker, wichtig.

Der „Löwen“-Wirt benutzte am Dienstag (3.9.) markige Worte für seinen Unmut: „Ich wohne und arbeite in der Essener Innenstadt, und mir braucht kein bayerischer Landwirt vom Dorf erklären, was hier los ist“, erklärte er in Anspielung auf Aiwangers Herkunft.

Im Select Hotel Handelshof hat das Essener Bürgerbündnis nun für Aiwanger gebucht.
Im Select Hotel Handelshof hat das Essener Bürgerbündnis nun für Aiwanger gebucht. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

EBB: Mit Schönfärberei ist der Innenstadt nicht geholfen

Kai Hemsteeg zufolge geht es dem EBB nicht darum, die Innenstadt generell schlechtzureden, allerdings sei mit Schönfärberei eben auch niemandem geholfen. „Ich habe meine Geschäftsstelle seit zehn Jahren an der Kreuzeskirchstraße und bekomme die Entwicklung hier hautnah mit.“

Es sei Fakt, dass die Sicherheitslage sich verschlechtert habe, dass Clans vielfach das Straßenbild bestimmten, immer mehr Drogenhandel stattfinde und dass der klassische Einzelhandel leide. „Vor allem viele Ältere trauen sich kaum mehr in die Innenstadt“, weiß Hemsteeg. All dies könne man nicht abtun damit, dass es auch Positives gebe.

Auch am Tag danach (4.9.) hielt „Löwen“-Wirt Becker an seiner Auffassung fest, modifizierte sie jedoch etwas. Der OB habe ihn „mal liebevoll als kleinen Poltergeist bezeichnet“, schrieb er verständnisheischend im Netzwerk Facebook. Er sei in alle Richtungen kritisch und offen. „Wir bedienen hier jeden, der sich an unsere Hausordnung hält und die Gäste nicht massiv stört.“ Er habe in Sachen Aiwanger jedoch mit einem „gemütlichen Beisammensein“ gerechnet, nicht mit einer politischen Versammlung.

Flugblatt-Affäre spielt unterschwellig wohl eine Rolle bei der Absage

Mehr oder weniger unterschwellig spielt bei dem Eklat wohl auch eine Rolle, dass Hubert Aiwanger spätestens seit der „Flugblatt-Affäre“ von vielen als politisch rechts einsortiert wird. Von mehreren Medien war ihm kurz vor der bayerischen Landtagswahl 2023 vorgeworfen worden, als 16-jähriger Schüler ein antisemitisches Flugblatt verfasst zu haben, was er aber bestritt. Der Vorgang hätte ihm fast sein Amt gekostet, doch gingen die Freien Wähler als Koalitionspartner der CSU letztlich dann sogar gestärkt aus der Wahl hervor.

„Kleiner Poltergeist“ - Löwen-Wirt Lars Becker wollte den bayerischen Politiker Hubert Aiwanger nicht bei sich sehen.
„Kleiner Poltergeist“ - Löwen-Wirt Lars Becker wollte den bayerischen Politiker Hubert Aiwanger nicht bei sich sehen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Warum hat das EBB, das selbst zum Verbund der Freien Wähler gehört, Aiwanger überhaupt eingeladen, der nicht unbedingt als Experte für Innenstadt-Entwicklung gilt? Der bayerische Politiker und Vorsitzende der in Bayern traditionell starken Freien Wähler, sei derzeit in mehreren Orten in NRW unterwegs und eben auch in Essen, so Hemsteeg.

EBB: Aiwanger ist kein Rechter, sondern ein Mann der Mitte

Wie andere politische Gruppierungen, lade man gerne „eigene“ Spitzenpolitiker zum Gespräch ein. „Ich halte ihn nicht für einen Rechten, sondern für einen Mann der Mitte“, betont der EBB-Chef. Und das sei genau auch die Position des Bürgerbündnisses. Die Flugblatt-Affäre ändere für ihn daran nichts: „Wir haben alle als 16-Jährige mal Unsinn gemacht.“

Die Veranstaltung mit Aiwanger und dem Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DpolG), Manuel Ostermann, beginnt um 18.30 Uhr im Handelshof und ist öffentlich. Zuvor wird der bayerische Vize-Ministerpräsident mit EBB-Politikern einen Rundgang durch die Innenstadt unternehmen.

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