Essen-Kettwig. Vom Märchenbrunnen aus eine Stunde durch den Ortskern der Gartenstadt Kettwig: Wer will montags eine Runde mit netten Leuten drehen?

Am Kettwiger Märchenbrunnen versammelt sich jeden Montag um 15 Uhr die Initiative „Willst du mit mir geh‘n?“ zu einem einstündigen Spaziergang. Kettwig war 2012 der erste Stadtteil Essens, in dem das Spazier-Projekt anlief. Und trotzdem beschreibt Gründungsmitglied und Betreuerin Ursula Erlinghagen den Stadtteil als „schwierig“, wenn es um das Dazustoßen neuer Mitstreiter geht. Ein knappes halbes Dutzend Interessierte kommen wöchentlich zusammen, nach dem Wunsch von Ursula Erlinghagen könnten es gerne mehr sein.

An diesem sonnigen Montagnachmittag ist allerdings ein Neuzugang dabei: Zu den vier regulären Spaziergängerinnen gesellt sich eine Kettwigerin dazu, die vor ein paar Jahren bereits einmal mitgegangen war. Über den Fortbestand der Initiative hatte sie gelesen und sich dann dazu entschieden, sich der Gruppe anzuschließen.

84-Jährige spaziert mit Rollator durch den Stadtteil

Auch eine Dame aus Heiligenhaus, die durch das Spazieren in Kettwig den Kontakt zu ihrer Heimatstadt Essen aufrechterhält, hatte erst Bedenken. „Ich habe zweimal einen Rückzieher gemacht und bin wieder nach Hause gefahren“, erzählt sie, „bis Frau Erlinghagen mich angesprochen und ermutigt hat, mitzugehen“. Die 84-Jährige ist nun seit 2016 dabei und geht inzwischen mit Rollator. Spazierpatin Erlinghagen sucht deswegen stets Routen aus, die für alle geeignet sind.

Maximal eine Stunde dauert der Gang durch Kettwigs Ortskern.
Maximal eine Stunde dauert der Gang durch Kettwigs Ortskern. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

„Ich habe zweimal einen Rückzieher gemacht und bin wieder nach Hause gefahren, bis Frau Erlinghagen mich angesprochen und ermutigt hat, mitzugehen.“

Spaziergang-Teilnehmerin, 84 Jahre

Einen festen Weg gibt es nicht, aber die zeitliche Begrenzung von einer Stunde beschränkt den Spaziergang innerhalb des Stadtteilkerns. Diese Woche hatte Ursula Erlinghagen erst die Schrebergärten als Ziel vorgeschlagen, durch einen ihr bekannten Schleichweg landet die Gruppe jedoch in den umliegenden Wohnstraßen.

Beim gemeinsamen Gehen gibt es immer wieder neue Gesprächsthemen

Die Spontanität macht den Spaziergängerinnen nichts aus, sie entdecken gerne Neues, wie einen Neubau in Hummelshagen, auf dessen Grundstück bei der letzten Runde in dieser Gegend noch eine große Baustelle war. So bietet das gemeinsame Gehen trotz bekannter Wege immer wieder Grund für neue Gesprächsthemen.

Auch mit der Nachbarschaft verstehen sich die Damen gut und kommen mit einem Herrn, der auf seinem Balkon Blumen gießt, ins Gespräch. Die Heiligenhauserin spricht von einem „Lichtblick“ auf dem Spaziergang: So komme man mit anderen Leuten in Kontakt, was allen Beteiligten gut tue.

Treffpunkt: Jeden Montag um 15 Uhr am Märchenbrunnen

Insgesamt schätze sie an der Initiative am meisten die engen Freundschaften, die dadurch entstanden seien. Während über Wochenend- und Urlaubspläne geplaudert wird, pflückt sie am Straßenrand wilde Brombeeren.

„Willst du mit mir geh’n?“

Die Kettwiger Gruppe freut sich über alle neuen Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die an einer Teilnahme interessiert sind. Eine vorherige Anmeldung ist nicht erforderlich. Treffpunkt ist jeden Montag um 15 Uhr der Märchenbrunnen an der Hauptstraße in Kettwig.

Das Projekt „Willst du mit mir geh’n?“ startete 2012 als gemeinsame Initiative von Seniorenbeirat, Seniorenreferat des Amtes für Soziales und Wohnen und der Essener Gesundheitskonferenz. Inzwischen sind Seniorenreferat und Seniorenbeirat für das Projekt verantwortlich.

Es gab bereits diverse Auszeichnungen für das Projekt, darunter 2014 den RWE-Klimaschutzpreis, 2015 als eines von zwölf beispielhaften Projekten der Landesinitiative Gesundes Land NRW und 2021 den AOK-Förderpreis „Gesunde Nachbarschaften“.

Der soziale Aspekt sei mindestens genauso wichtig wie die Bewegung, findet Ursula Erlinghagen. Einige der Damen treffen sich auch außerhalb des montäglichen Spaziergangs zum Kaffee.

Es gibt neben Ursula Erlinghagen auch noch drei weitere Betreuer, die die Spaziergänge anleiten. Das Angebot richte sich an alle, die sich gerne bewegen wollen, alleine aber vielleicht nicht dazu in der Lage sind. Außerdem biete es einen festen Termin in der Woche, der Struktur in den Alltag bringe und eben neue Bekanntschaften ermögliche. Ein weiterer Lichtblick der Gruppe ist der jährliche Sommerausflug mit dem Schiffchen nach Mülheim, bei dem neben dem Spazierengehen auch Eis essen auf dem Programm steht.

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