Essen-Rellinghausen. Die Buchbinderei Löber ist umgezogen. Obwohl der Markt schrumpft, will die Inhaberin weiterarbeiten. Nicht nur die Räume haben sich verändert.
Essens einzig verbliebene Buchbinderei, die Firma Löber, ist nach 26 Jahren von Rüttenscheid nach Rellinghausen umgezogen. Buchbindermeisterin Juliane Kühne (60) will am neuen Standort noch einmal richtig durchstarten. Die Räumlichkeiten an der Frankenstraße 52 sind mit rund 100 Quadratmetern kleiner als die bisherige Werkstatt an der Sibyllastraße, die inzwischen zu groß geworden war.
„Endlich keine Treppen mehr“, freut sich Kühne. Im alten Domizil hätten zuletzt Berge von Papier ständig hoch- und heruntergetragen werden müssen – unter anderem, weil eine der Schneidemaschinen aus Sicherheitsgründen nicht mehr genutzt werden durfte. „Und Papier ist schwer“, weiß Juliane Kühne aus Erfahrung.
Die alten Maschinen mussten teils per Kran aus den Räumen in Essen-Rüttenscheid gehievt werden
Im Mai hatte die Buchbinderei geschlossen, fünf Tage dauerte allein der Umzug mit den teils tonnenschweren, alten eisernen Maschinen, die teils zerlegt per Kran aus der alten Werkstatt gehievt, durch eine Spezialfirma verladen und am neuen Standort durch Fachleute wieder aufgebaut werden mussten. „Das sogenannte Lumbeck-Gerät für die Fächerklebebindung war 1962 die Messeneuheit“, sagt Kühne und lacht. Ein kleineres Tischgerät dieser Art von 1958 habe der Enkel des Erfinders vor einiger Zeit bei ihnen abgeholt. Er war durch einen Fernsehbeitrag auf die Buchbinderei Löber aufmerksam geworden.
Auch die Wochen vor dem Umzug waren für Inhaberin Juliane Kühne und ihren Mann Peter Puk (69) stressig. „Wir mussten dringend ausmisten, haben jetzt im Zuge des Umzugs Materialien und Maschinen verkauft und teils auch verschenkt, zum Beispiel Papier an Kitas, Schulen und den Beginenhof. Insgesamt haben wir über vier Tonnen an Material entsorgt“, erzählt die Buchbindermeisterin, der die Erleichterung anzumerken ist, dass jetzt alles geschafft ist.
In den neuen ebenerdigen, hellen Räumen in dem kleinen Gewerbegebiet an der Frankenstraße – „wir brauchen tagsüber gerade kein zusätzliches Licht“ – fühlt sich Kühne sehr wohl. Vorher sei dort das Büro des benachbarten Stuckateurs gewesen. „Jetzt müssen auch unsere Kundinnen und Kunden erst einmal realisieren, dass wir umgezogen sind, aber keineswegs aufgehört haben“, so Kühne.
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Aufgegeben wurde lediglich das Bilderrahmengeschäft, um das sich viele Jahre ihr Mann Peter Puk gekümmert hat. „Er zieht sich aus dem Geschäft jetzt weitgehend zurück, übernimmt aber weiterhin Arbeiten im Büro, Hausmeistertätigkeiten und Auslieferfahrten“, erklärt Juliane Kühne. Das Rahmengeschäft habe viel Platz beansprucht, für die Präsentation und die Lagerung der Materialien.
Mit umgezogen sind hingegen die rund 40 schweren, historischen Bügeleisen aus Eisen, die die Buchbinderin zum Beschweren verwendet und die an verschiedenen Stellen der Werkstatt auf ihren Einsatz warten. Für die Geweberollen hat Kühne im Flur ein Lager in großen Eimern geschaffen. Insgesamt stehen vier Räume, inklusive eines kleinen Ladens und einer Küche-Büro-Kombination, zur Verfügung, die größtenteils für die handwerklichen Tätigkeiten genutzt werden.
Dass die Buchbinderei am neuen Standort etwas versteckt am Ende einer Auffahrt zur Autowaschanlage liegt, stört die Inhaberin nicht. „Wir haben kaum Laufkundschaft. Die Leute kommen gezielt mit Aufträgen zu uns.“
Der Bedarf an Buchbindearbeiten ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen
Der Bedarf an Buchbindearbeiten ist insgesamt deutlich zurückgegangen. „Als wir vor 26 Jahren das Unternehmen übernommen haben, gab es in Essen noch fünf Buchbindereien, heute sind wir allein übrig“, sagt Kühne, die ihren Beruf aber nach wie vor so gern ausübt, dass sie über den Ruhestand noch nicht nachdenken will.
Ein bisschen mehr Freizeit gönnt sich das Ehepaar aber inzwischen. Am neuen Standort ist montags geschlossen und freitags nur bis 14 Uhr geöffnet, sodass man auch mal ein langes Wochenende möglich ist. „Und wenn es uns zu viel wird, reduzieren wir halt“, schätzt Kühne die Flexibilität als Selbstständige. Aktuell wird sie noch von zwei Gesellinnen an je einem Tag in der Woche unterstützt. Der neue Mietvertrag gelte zunächst drei Jahre. „Vielleicht findet sich ja später eine junge Meisterin, die den Betrieb angesichts der jetzt überschaubaren Kosten übernehmen will“, hofft Peter Puk.
Einen Großteil des Geschäfts machen heute Reparaturen von Büchern aus, die meist eher ideellen als materiellen Wert haben, wie Kinderbücher oder alte Kochbücher. Examensarbeiten würden nicht mehr zur Abgabe an der Uni, sondern höchstens als Erinnerungsstücke für die Autoren und ihre Familien schick gebunden, teils sogar luxuriös in Leder. Der Markt für Zeitungsbände verschwinde, allenfalls das Binden von Fachzeitschriften werde noch nachgefragt.
Aber es gebe auch neue Betätigungsfelder. Oft nachgefragt würden aktuell Prüfbücher für sogenannte „fliegende Bauten“, zum Beispiel Zelte, Kirmesgeräte oder Bühnen, die nur vorübergehend aufgestellt würden. Das Ordnungsamt überprüfe anhand der Bücher, ob der Aufbau ordnungsgemäß erfolgt sei, die richtigen Schrauben verwendet und Höchstgewichte eingehalten seien. Ziemlich neu seien Aufträge für Prüfbücher für Mobilfunkmasten, die auf einem Hänger zu Festivals transportiert würden, damit die Besucher dort guten Handyempfang hätten.
Das Haus an der Sibyllastraße in Essen wurde für die Buchbinderei und eine Wäscherei gebaut
Das Haus an der Sibyllastraße, in dem sich die Buchbinderei Löber bisher befand, war 1961 eigens für das Unternehmen und die Wäscherei Holthaus, die damals auf dem Hof ansässig war, errichtet worden: in einer durch Weltkriegsbomben entstandenen Baulücke. Die Wäscherei gibt es schon lange nicht mehr. Juliane Kühne hatte vor 26 Jahren die Buchbinderei bei laufendem Betrieb übernommen und sich selbstständig gemacht.
Den Betrieb in Bezug auf Größe und Materialien jetzt schlanker zu gestalten und künftig ebenerdig arbeiten zu können, seien Gründe gewesen, neue Räume zu suchen. „Zuletzt hatte der Vermieter aber auch signalisiert, dass er dort lieber Wohnungen hätte“, sagt die Inhaberin. „Man kam auch nirgendwo mit Paletten durch“, nennt ihr Mann einen weiteren Nachteil der alten Räumlichkeiten und weiß die Annehmlichkeiten der neuen Räume zu schätzen.
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