Essen. Weil eine Essener Krankenschwester den Ärzten im Uniklinikum einen „Denkzettel“ verpassen wollte, wäre ein Patient fast gestorben.
Rund zwei Jahre nach einem beinahe tödlichen Zwischenfall im Essener Uniklinikum ist eine ehemalige Krankenschwester am Mittwoch verurteilt worden. Die Strafe: drei Jahre und drei Monate Gefängnis.
Es müssen dramatische Szenen gewesen sein, die sich am Morgen des 6. Juli 2022 auf der Tumorstation abgespielt haben. Eine Krankenschwester hatte einem Krebspatienten die zehnfache Dosis eines Medikamentes verabreicht. Der 65-Jährige wäre fast gestorben.
Prozess in Essen: Auslöser war ein Fehler im System
Auslöser war ein Fehler in der elektronischen Patientenakte. Dort war die Dosis mit 40 Millilitern angegeben – statt mit 40 Tropfen. Darüber soll sich die Angeklagte, die die falsche Angabe aufgrund ihrer Erfahrung laut Urteil sofort erkannt hat, massiv geärgert haben.
„Sie wollte den Ärzten einen Denkzettel verpassen“, sagte Richterin Vanessa Bergmann bei der Urteilsbegründung des Essener Schwurgerichts. „Um das zu erreichen, hat sie kaltblütig den Tod eines unschuldigen Patienten in Kauf genommen.“
Angeklagte (38): „Jetzt ist es sowieso egal“
Die 38-Jährige hat laut Urteil sogar am Bett des Mannes gewartet, bis er die gesamte Flüssigkeit eingenommen hatte. Einige Zeit später hatte sie dann allerdings selbst die diensthabende Ärztin informiert.
Dabei soll sie dann folgende Sätze gesagt haben: „Die Dosis ist viel zu hoch. Aber jetzt ist es sowieso egal. Er hat sie schon gekriegt. Ich habe eure falschen Anordnungen satt. Ihr könnt jetzt zusehen, wenn er gleich aufhört zu atmen.“
Richterin: „Rettung in letzter Minute“
Als die Ärztin in das Patientenzimmer kam, hing der 65-Jährige schon mit dem Kopf über der Bettkante und krampfte. Weil allerdings bekannt war, welches Medikament er bekommen hatte, konnte sofort das richtige Gegenmittel verabreicht werden. Der Patient überlebte. Richterin Bergmann: „Das war eine Rettung in letzter Minute.“
Die Angeklagte galt als erfahrende Krankenschwester, die im Umgang mit Ärzten – vor allem mit jungen Ärzten – allerdings auch dafür bekannt war, Anordnungen kritisch zu hinterfragen. Mehrfach soll sie sich über Anweisungen von Ärzten hinweggesetzt haben – allerdings immer zum Wohl der Betroffenen.
Fehler nur mündlich weitergeben
Die „eklatant hohe Dosierung“ war laut Urteil von einer Ärztin am Tag zuvor in die elektronische Patientenakte eingetragen worden, der Fehler war aber schon in der Nacht aufgefallen. Eine Korrektur war jedoch zunächst offenbar nicht möglich, da gerade eine EDV-Update lief. So war die neue – und richtige – Dosierung laut Urteil nur mündlich über die Krankenschwestern weitergeben worden.
Der Verteidiger sprach in diesem Zusammenhang von „stiller Post“. Richterin Bergmann formulierte es so: „Ein Organisationsverschulden hat sicherlich zum Teil auch vorgelegen.“ Es seien ganz gravierende Fehler passiert, die sich fortgesetzt hätten.
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Krankenschwester erhält fristlose Kündigung
Trotzdem sei das Handeln der Angeklagten nicht zwingend gewesen. Die Richter gehen davon aus, dass die 38-Jährige von ihren Kolleginnen bei der Übergabe am Morgen über den falschen Dosierungs-Eintrag informiert worden ist.
Der Angeklagten war nach Bekanntwerden der Vorwürfe von Seiten des Uniklinikums fristlos gekündigt worden. Bis Anfang Juni dieses Jahres hatte sie danach für einen anderen Arbeitgeber als Krankenschwester weitergearbeitet.
Berufsverbot gefordert: Urteil auf gefährliche Körperverletzung
Das Urteil lautet auf gefährliche Körperverletzung. Mit der Strafe blieben die Richter deutlich unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die hatte acht Jahre Gefängnis und ein lebenslanges Berufsverbot beantragt. Die Angeklagte selbst hatte auf einen Freispruch oder zumindest auf eine Bewährungsstrafe gehofft. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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