Essen-Kettwig. Eine Frau, die in einer von Männern dominierten Gesellschaft um Bildung kämpfen muss: Was eine Essener Autorin zu ihrem Roman inspirierte.

Sie will lernen, aber sie darf es nicht. Sie wird für die Rolle als Ehefrau und Mutter erzogen, aber sie rebelliert. Wie sich Wilhelmine vom fantasiereichen Mädchen zu einer selbstbewussten Frau entwickelt und zum Vorbild für andere wird, das schildert Christiane Graßt in ihrem Entwicklungsroman „Der Stieglitz“. Vorgestellt werden das Buch und seine Entstehungsgeschichte am Montag, 1. Juli, im Rahmen einer Benefizveranstaltung im großen Saal des Kettwiger Rathauses, Bürgermeister-Fiedler-Platz 1. Der Beginn ist um 19 Uhr. Organisiert wird das Ganze vom Förderkreis der Stadtteilbibliothek.

Die Autorin Christiane Graßt lebt in Kettwig und ist vielen Menschen noch als langjährige Kantorin der Evangelischen Kirchengemeinde bekannt. Sie hat bereits an zwei Büchern mitgeschrieben, die sich mit den Geschichten und Persönlichkeiten der Gemeinde befassen. „Der Stieglitz“ ist ihr erster Roman und auch er stellt eine Persönlichkeit besonders in den Vordergrund: Wilhelmine.

Der Roman der Essenerin hat mehrere Erzählebenen

„Der Roman hat drei Ebenen: Wilhelmine als junges Mädchen, als ältere Frau und ihr Leben mit Karoline, der Frau, die sie liebt“, erzählt Christiane Graßt. Die Geschichte ist gegen Ende des 19. Jahrhunderts angesiedelt und spielt irgendwo in Deutschland. Ort und Zeit habe sie bewusst nicht konkretisiert, denn die Personen sollen für sich wirken.

Allen voran ihre Protagonistin Wilhelmine, die ihre Familie verlässt, weil sie keinen Ausweg sieht, sie selbst zu sein. Als der Vater stirbt, bietet sich die Gelegenheit zur Flucht – und zum Rollenwechsel: Als Junge verkleidet lernt sie das Gärtnerhandwerk. Graßt beschreibt hilfreiche Freunde, niederträchtige Bekannte und einfühlsame Lehrende, schildert die Kraft von Musik und Liebe. Durch das Verstehen vom Wachsen und Werden in der Natur gelingt es Wilhelmine, nach vielen Fehlschlägen ihre Persönlichkeit zu entwickeln und Menschen wie Felix, den sie bei sich aufnehmen wird, zu inspirieren.

Christiane Graßt
Der Roman „Der Stieglitz“ ist im Hummelshain Verlag erschienen. © PT | PT

Wie ihre Hauptfigur ist Christiane Graßt ein Gartenmensch und liebt Musik und Gesang. Biografische Parallelen gebe es ansonsten nicht, versichert die Autorin. Aber im Nachhinein sei ihr klar geworden, dass die Figur der Wilhelmine viel Ähnlichkeit mit ihrer eigenen Mutter habe.

Die eigene Mutter der Autorin war Inspirationsquelle

Diese sei in den 1930er Jahren auf einem Dorf groß geworden und habe ebenfalls erfahren, dass für Mädchen der Besuch einer höheren Schule und eine Berufsausbildung nicht selbstverständlich war. „Meine Mutter wollte lernen, durfte es aber nicht.“ Stattdessen wurde sie Hauswirtschaftshilfe. Erst sehr viel später, gemeinsam mit den eigenen Kindern, habe sie das Schulwissen nachgeholt – und sich darüber hinaus weitergebildet.

„Sie hat sich im Alter eine Gedichtsammlung angelegt und konnte Gedichte von Rilke, Hesse und Benn auswendig rezitieren. Nicht nur vorlesen, sondern richtig schauspielerisch interpretieren“, berichtet Christiane Graßt. Noch bis hoch in die 90 habe die Mutter gesungen und mit ihrer Tochter und deren Mann musiziert. Eine gewisse Inspiration für den Roman sei die Familiengeschichte wohl gewesen.

„Meine Mutter hat sich im Alter eine Gedichtsammlung angelegt und konnte Gedichte von Rilke, Hesse und Benn auswendig rezitieren. Nicht nur vorlesen, sondern richtig schauspielerisch interpretieren.“

Christiane Graßt, Autorin

Die Veranstaltung im Rathaus Essen-Kettwig hat zwei Teile

Näheres wird die Autorin im zweiten Teil der Veranstaltung am 1. Juli im Kettwiger Rathaus berichten. Karin Spiegel vom „Literarischen Quartett“ führt mit der 68-Jährigen ein Gespräch zum Buch, seiner literarischen Einordnung und zum Schreiben. Die Zuhörerinnen und Zuhörer sind zu Fragen und zur Beteiligung an der Diskussion eingeladen.

Im ersten Teil der Veranstaltung wechseln sich Lesen und Musik ab. Es musizieren Annette Kareev am Klavier und die Violinistin Eli Georgieva-Milkov.

Für den guten Zweck

Die „Benefizlesung“ von Christiane Graßt zu „Der Stieglitz“ findet am Montag, 1. Juli, im großen Saal des Rathauses Kettwig, Bürgermeister-Fiedler-Platz 1, statt. Der Beginn ist um 19 Uhr.

Zur Lesung gibt es klassische Musik mit Annette Kareev (Klavier) und Eli Georgieva-Milkov (Violine). Nach der Pause interviewt Karin Spiegel („Literarisches Quartett“) die Autorin Christiane Graßt.

Die Veranstaltung wird vom Freundeskreis der Stadtteilbibliothek Kettwig gefördert. Anstelle des Eintritts wird um eine Spende an Inner Wheel, konkret an das Essener Regionalprojekt der Kinderdialyse am Uniklinikum, gebeten.

Annette Kareev studierte an der Hochschule für Musik Detmold und besuchte mehrere Meisterkurse. Neben ihrer Konzerttätigkeit ist sie u.a. Dozentin an der Universität Duisburg-Essen. Eli Georgieva-Milkov wurde in Bulgarien geboren. Mit sechs Jahren begann sie mit dem Klavier- und mit acht Jahren mit dem Violinunterricht. Sie studierte an der Musikakademie in Sofia. Ihr Repertoire umfasst Werke vom Barock bis zu Moderne.

Die gesamte Veranstaltung ist vom Benefizgedanken getragen. Die Autorin Christiane Graßt ist in der weltweiten Frauenorganisation Inner Wheel engagiert und stiftet dieser die Erlöse aus ihrem Buch. Diese Spenden kommen dem Projekt der Kinderdialyse im Uniklinikum zugute, das der regionale Essener Club von Inner Wheel dort betreut.

  • Die Lokalredaktion Essen ist auch bei WhatsApp! Abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Kanal: direkt zum Channel!

[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]