Essen. Nach 82 Jahren löst sich das Hugo-Kükelhaus-Berufskolleg zum Schuljahresende auf. Die Bildungsgänge bleiben bestehen. Rektorin nimmt Abschied.
Zum Schuljahresende in zwei Wochen ist das traditionsreiche Hugo-Kükelhaus-Berufskolleg im Südviertel Geschichte. Das 1942 als „gewerbliche Mädchenberufsschule“ gegründete Haus wird dann als eigenständiger Schulstandort endgültig aufgelöst; die bestehenden Bildungsgänge wechseln ins Berufskolleg Ost und ins Berufskolleg im Bildungspark (BiB, Altenessen). „Ich werde die Schule und meinen Beruf vermissen“, sagt die scheidende Schulleiterin Reinhild Vogt, die in Pension geht.
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Bestrebungen der Stadt, das Berufskolleg aufzulösen, gibt es seit 2018. Das liegt vor allem an stetig schwindenden Schülerzahlen. Das Kükelhaus-Kolleg ist benannt nach Hugo Kükelhaus (1900 – 1984), einem Tischler und Philosophen, der in Essen geboren wurde. In Katernberg, auf Schacht 3/7/10 der Zeche Zollverein, gibt es das „Erfahrungsfeld der Sinne“; Kükelhaus schuf solche Erlebnis-Ausstellungen, die die Sinne anregen, überall in Deutschland. Kükelhaus passte als Namensgeber deshalb zum Berufskolleg, weil dort über Jahrzehnte junge Menschen in gestalterischen, kreativ-technischen Berufen ausgebildet wurden: Textiltechnik, Frisöre und andere. „Besonders der Niedergang der heimischen Textilindustrie“, sagt Reinhild Vogt, „hat für einen kontinuierlichen Rückgang der Schülerzahlen gesorgt.“
Essener Kükelhaus-Kolleg: Zu viele Lehrer, zu wenige Schüler
Im laufenden Schuljahr gingen zum Kükelhaus-Kolleg nur noch etwas mehr als 600 Schülerinnen und Schüler - das ist zu wenig für ein funktionierendes Berufskolleg, das ja nicht nur Berufsschule für Auszubildende ist, sondern auch Vollzeit-Bildungsgänge anbietet, die bis zum Abitur führen können. „Mit sinkenden Schülerzahlen“, stellte die Schulverwaltung zuletzt im November 2023 fest, „gehen schulorganisatorische Problematiken wie rechnerischer Lehrerüberhang, unterfrequente Klassengrößen und damit das Risiko über die Aufrechterhaltung der Genehmigung des Bildungsgangs einher“, hieß es damals in einer Beschlussvorlage über die endgültige Auflösung des Standorts. Auf Deutsch: Zu viele Lehrer und zu wenige Schüler an einer Schule, da macht die Schulaufsicht schnell einen Strich durch die Rechnung und schließt ganze Abteilungen eines Berufskollegs.
Essener Kükelhaus-Kolleg: Gebäude an der Gärtnerstraße wird weiter genutzt
Am Berufskolleg Ost gibt es bereits einen Schwerpunkt Gestaltung; dort werden unter anderem Maler und Lackierer ausgebildet. Und das Berufskolleg im Bildungspark hat einen Schwerpunkt bei Hauswirtschaft sowie pflegenden und pädagogischen Berufen. Das Gebäude des Kükelhaus-Kollegs, Anfang der 60er Jahre in der Nähe des Hauptbahnhofs im Südviertel errichtet, es liegt im Schatten der Evonik-Hochhäuser, bleibt belebt: Es wird zum Abzweig des Berufskollegs im Bildungspark (BiB); das heißt, für manche Schülerinnen und Schüler ändert sich gar nichts. Langfristig soll die Immobilie an der Gärtnerstraße neu oder anders für Schul-Zwecke genutzt werden; direkt nebenan liegt die Grundschule an der Heinickestraße sowie das Alfried-Krupp-Medienzentrum der Stadt; ebenfalls ein altes Schulgebäude.
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„Am besten wäre doch“, sagt Reinhild Vogt, „wenn man diese Konzentration von Schulgebäuden nutzen könnte und ein neues Zentrum für die Sekundarstufe I machen würde. Eine Schule für alle bis Klasse zehn.“ Und damit sind wir bei einem Punkt, den Reinhild Vogt zu ihrem Abschied anspricht: So sehr ihr auch der Abschied von jahrzehntelangem Schuldienst schwer falle - so deutlich ist doch ihre Kritik am System: „Es ist ein Fehler, dass in NRW Schülerinnen und Schüler nicht länger gemeinsam lernen, dass die Primarstufe nur vier Jahre andauert.“
Leiterin des Kükelhaus-Kollegs: „Da ist was schiefgelaufen im Bildungssystem“
Reinhild Vogt hat ihr ganzes Berufsleben an Berufskollegs verbracht. Studierte Germanistik und Gestaltungstechnik, unterrichtete dann am Berufskolleg Ost in Huttrop 18 Jahre lang Maler und Lackierer, wechselte schließlich nach Mettmann und übernahm schließlich 2008 die Leitung des Kükelhaus-Kollegs. Studien belegten, dass heutzutage rund jedem fünften Schüler in Klasse 10 an einer deutschen Schule wesentliche Kompetenzen fehlen: beim Lesen, beim Schreiben, beim Rechnen. „Da ist was schiefgelaufen im Bildungssystem“, sagt Reinhild Vogt; sie habe es täglich im Alltag feststellen können.
„Startchancen“, Millionen vom Bund: „Eine Bankrotterklärung“
Die Bundesregierung hat jetzt ein milliardenschweres Förderprogramm mit dem Namen „Startchancen“ aufgelegt. Es unterstützt Schulen an sozialen Brennpunkten. Reinhild Vogt hält das Programm, bei aller lindernden Wirkung, für eine „Bankrotterklärung“. „Hier wird mit viel Geld versucht, die Folgen der Geburtsfehler des Schulsystems abzumildern oder zu reparieren.“ Deutsche Schulen, sagt Voigt, litten an chronischer Unterfinanzierung, an den Schäden, die der Föderalismus im Bildungssystem mit sich bringe, und auch die frühkindliche Bildung, die Kitas und Kindergärten, seien mangelhaft ausgestattet.
Trotzdem betont die scheidende Schulleiterin: „Lehrer ist ein toller Beruf, immer noch, und Schulleitung auch, und ich bin immer gerne zur Arbeit gegangen.“
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