Am letzten Juni-Wochenende (28. bis 30.6.) präsentiert sich Essen den eigenen Bürgerinnen und Bürgern wie auch den auswärtigen Gästen zumindest in Teilen als eine Stadt im Ausnahmezustand. Grund dafür ist der Bundesparteitag der „Alternative für Deutschland“ und die vor diesem Hintergrund geplanten Demonstrationen und Kundgebungen. Hier eine aktuelle Übersicht all dessen, was geplant ist.
Das ist das Programm am Samstag:
Haupt-Demotag ist der Samstag, 29. Juni: Bereits seit dem frühen Morgen waren einige tausend Demonstranten unterwegs- Unter dem Motto „Widersetzen“ wollten sie mit zivilem Ungehorsam dafür sorgen, dass die Teilnehmer des AfD-Parteitags den Tagungsort nicht oder nur mit deutlicher Verspätung erreichen. Dabei ist es zu ersten größeren Auseinandersetzungen gekommen.
Nach 8 Uhr hat eine erste größere, lautstarke Aktion an der Alfredbrücke in Sichtweite der Grugahalle begonnen.
Um 10 Uhr setzte sich ein Demonstrationszug von der Freiheit an der Hauptbahnhof-Südseite in Bewegung. „Gesicht zeigen – gegen Hass und Hetze“ heißt das Motto der Großdemonstration. Diese sollte eigentlich von der Freiheit über Krupp-, Bismarck-, Friedrich-, Rüttenscheider, Martin- und Alfredstraße zur Alfredbrücke in Sichtweite der Grugahalle führen. Die Route wurde allerdings spontan geändert, statt über die Bismarckstraße führte sie über die Huyssenallee. Während die Spitze des Demo-Zugs bereits an der Grugahalle angekommen war, kamen vom Hauptbahnhof immer noch weitere Passanten an und schlossen sich der Demo an.
Seit 13 Uhr läuft auf dem Messe-Parkplatz P2 der so genannte „Markt der Möglichkeiten“. Insgesamt 61 Gruppen und Organisationen, Parteien oder Initiativen, von der Awo bis zur Uni, von der Agentur für Segensmomente bis zu den Naturfreunden, präsentieren dort sich und die Möglichkeit, sich zu engagieren, viele davon im Einsatz gegen Rechtsradikalismus.
Um 14 Uhr hat dann ebenfalls am Messe-Parkplatz P2 die Kundgebung begonnen, die in einer Mischung aus kurzen Rede- und Musikbeiträgen deutlich machen soll, dass der Protest gegen die AfD und der Appell für ein freiedliches und tolerantes Miteinander von einer breiten (Stadt-)Gesellschaft getragen wird. Sechs Themenfelder werden angesprochen. Neben einem Grußwort von Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen stehen unter anderem auf der Bühne: Anna Nicole Heinrich, Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland, die DGB-Vorsitzende in NRW, Anja Weber, der Vorstandschef von Evonik, Christian Kullmann, die Leiterin der Alten Synagoge Essen, Diana Matut, der Duisburger Autor Burak Yilmaz sowie Bastian Schlange, Journalist bei „Correctiv“, die das mittlerweile berühmte Potsdamer Treffen zum Thema Re-Migration öffentlich machten. Moderiert wird das Bühnenprogramm, das bis etwa 16.30 Uhr gehen soll, von Tobias Häusler (WDR).
Ab 17 Uhr gehört die Bühne auf dem Messeparkplatz P2 ausschließlich der Musik. Auf dem Programm stehen Banda Senderos, eine Dancehall-, Reggae- und Pop-Band aus Essen, sowie Marlo Grosshardt, ein junger Hamburger Musiker, der dabei ist, sich mit poetischem Singer-Songwriter-Pop einen Namen zu machen. Enden soll das Konzert gegen 22 Uhr.
Am Sonntag, 30. Juni, planen Demonstranten ab 9 Uhr in der Frühe eine Mahnwache an der Alfredbrücke, in Sichtweite der Grugahalle. Die Zahl der Demonstranten wird verglichen mit Samstag vermutlich weitaus geringer liegen.
Das war das Programm am Freitag:
Los ging es am Freitag, 28. Juni, gegen 19 Uhr an der Freiheit, dem Südausgang des Essener Hauptbahnhofs. Dort startete unter der Devise „Bass statt Hass“ ein Demo-Rave, der lautstark den Protest einläutete.Die Route führte vom Fernbusbahnhof an der Freiheit über Helbing-, Kronprinzen-, Gutenberg-, Wittering-, Friederiken-, Klara- und Rüttenscheider Straße zur Alfredbrücke in Sichtweite der Grugahalle. Mehr als 5.000 Menschen zogen zu lauter, elektronischer Musik zum Tagungsort der Partei. Mit dabei waren zwei Trucks, einer vom Veranstalter-Team „Gemeinsam laut“ mit Lokka und Private Paula, einer von der Meme-Seite „Essen diese“ mit Felix Bernhardt, La Frise, Termundo und Pötter.
Rave-Demo gegen Hass: Tausende demonstrieren in Essen
Die „Alternative für Deutschland“ hält ihren 15. Bundesparteitag am 29. und 30. Juni in der Essener Grugahalle ab, wo sie vor neun Jahren schon einmal zu Gast war. Neben Rechenschaftsberichten des Vorstands und inhaltlichen Anträgen steht vor allem die Neuwahl des Bundesvorstands auf dem Programm. Gemietet hat die Partei die Halle inklusive Auf- und Abbauzeit vom 25. Juni bis zum 1. Juli für rund 64.700 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer. Erwartet werden 600 Delegierte aus der ganzen Bundesrepublik sowie rund 1000 Gäste und Medienvertreter.
AfD-Parteitag in Essen: Was wurde aus dem juristischen Streit im Vorfeld?
Der ist bereits endgültig entschieden. Nach einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen muss die Stadt die Grugahalle wie im Januar 2023 verabredet zur Verfügung stellen, und zwar auch ohne jene Selbstverpflichtung, mit der man der AfD die Verantwortung für mögliche strafbare Äußerungen auf dem Treffen aufbürden wollte. Am Samstag (15.6.) entschied die örtliche Politik, diesen Gerichtsbeschluss zu akzeptieren und auf den Schritt hin zur nächsten Instanz zu verzichten. Ein Verfahren vor dem Landgericht ist ebenfalls erledigt, die Messe Essen erkannte den Anspruch der AfD auf Zugang zur Grugahalle an.
Wie sieht der Zeitplan des AfD-Parteitags aus?
Die Vorbereitungen für den AfD-Parteitag liefen mehrere Tage, der Aufbau in der Grugahalle begann am 25. Juni. Am Freitag, 28. Juni, fand ein Empfang für die Medien statt, der eigentliche Bundesparteitag geht am Samstag und Sonntag, 29. und 30. Juni, über die Bühne. Beginn ist dann jeweils um 10 Uhr. Wie lange der Parteitag an beiden Tagen dauert, hängt einerseits von der Frage ab, inwieweit das Treffen von außen ungestört bleibt. Und zum anderen, wie viel Zeit die AfD auf die Neuwahlen und die zu behandelnden Anträge verwendet. Erwartet werden etwa heikle Diskussionen um die Nähe zu Russland und Putin, um nicht abgesprochene Reisen in autokratische Länder und den Europa-Wahlkampf.
Wann und wo startet der Protest?
Der Protest gegen den AfD-Parteitag erstreckt sich über das gesamte Wochenende. Nach dem letzten von der Polizei bestätigten Stand gibt es insgesamt 18 angemeldete Aktionen bzw. Kundgebungen verschiedener Bündnisse und Organisationen, darunter die „Essener Allianz für Weltoffenheit, Solidarität, Demokratie und Rechtsstaat“, in der unter anderem die Stadt Essen, Gewerkschaften und großen Kirchen vertreten sind. Aber auch das Anti-Rechts-Bündnis „Essen stellt sich quer“ sowie die Gruppierung „Aufstehen gegen Rassismus“ machen mobil. Zuletzt kamen drei weitere von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi angemeldete Versammlungen unter dem Motto „Unsere Belegschaft bleibt bunt“für den Samstag hinzu – am Hauptbahnhof und vor zwei Essener Kliniken.
Wie viele Demonstranten werden erwartet?
Schwer zu sagen. Dies hängt vor allem von der Mobilisierung der letzten Tage vor dem Parteitag ab – und nicht zuletzt vom Wetter. Insgesamt 70 Busse aus anderen Landesteilen werden erwartet, das wären überschlägig aber nur etwa 3500 Personen. Die Zahl von 80.000, die seit einigen Wochen herumgeistert, bezieht sich auf alle drei Demo-Tage zusammengenommen und erhält vermutlich diverse Doppel-Zählungen, weil die Polizei kurzerhand alle Maximal-Zahlen der angemeldeten Kundgebungen addiert hat. Es ist aber üblich, verschiedene Demo-Orte anzumelden, um sich dann aber an einigen wenigen zu konzentrieren. Eine Zahl von 20.000 bis 30.000 halten die Veranstalter für realistisch, Zahlen jenseits der 70.000, so heißt es beim Bündnis „Gemeinsam laut“ gibt es „vor allem in unseren Träumen“.
Die Veranstalter haben mehrere hundert Ordner im Einsatz, um das Demo-Geschehen in geordnete Bahnen zu lenken. Um bei sehr großem Zuspruch zur Kundgebung die Lage etwas zu entzerren, wird das Bühnenprogramm durch Lautsprecherboxen auf die Rü bis zur Martinstraße übertragen. Außerdem steht an der Alfredstraße eine sechs mal vier Meter große LED-Leinwand parat, auf die ebenfalls das Programm übertragen wird.
Was gibt es bei den Demonstrationen zu beachten?
Die Polizei hat einige Auflagen gemacht. So dürfen etwa die Stangen für mitgebrachte Banner maximal drei Meter lang, die Banner selbst maximal drei Meter und einen Meter hoch sein. Verboten sind der Konsum von Alkohol und sonstigen berauschenden Mitteln sowie die Mitnahme von Glas-, Keramik- und Metalldosen.
Angesichts der Temperaturen appellieren die Veranstalter, ausreichend Getränke (in Plastikflaschen) mitzunehmen und an Sonnenschutz zu denken – und für Kinder an einen geeigneten Gehörschutz. Speisen und Getränke-Stände wird es auf dem Messe-Parkplatz P2 geben, genügend Gelegenheit, sich zu erleichtern auch: 150 Dixi-Klos, fünf barrierefreie Toilettenwagen, vier Kreuz-Urinale stehen parat.
Ist auch mit gewalttätigen Protesten zu rechnen?
Die Veranstalter legen Wert auf ein friedliches respektvolles Miteinander, appellieren, auf National- und Territorialflaggen zu verzichten und haben einen „Aktionskonsens“ erarbeitet. Dort heißt es unter anderem: „Von uns geht keine Gewalt aus. Wir achten aufeinander, gehen fürsorglich miteinander um und sind um Deeskalation bemüht.“
Gleichwohl gibt es Aufrufe aus Kreisen der gewalttätigen Antifa-Bewegung. In welchem Umfang kursierende Gewaltandrohungen auch umgesetzt werden, ist völlig unklar. Die Polizei hat angekündigt sowohl einen möglichst reibungslosen Ablauf des AfD-Parteitages wie auch einen möglichst friedlichen Verlauf der Gegendemonstrationen zu ermöglichen. Rund 3000 Polizisten sind dem Vernehmen nach im Einsatz. „Oberste Priorität hat hierbei die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit“, heißt es. Über Details des Einsatzes wollen Polizeipräsident Andreas Stüve und der Leitende Polizeidirektor Detlef Köbbel am Dienstag (25.6.) die Medien informieren.
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