Essen. Das älteste Gymnasium Essens hatte Geburtstag. Die Schule überstand unter anderem eine Pandemie, zwei Kriege und die NS-Zeit. Ein Blick zurück.
Das älteste Gymnasium der Stadt, das Burggymnasium, ist jetzt 200 Jahre alt geworden. Bei einem Festakt mit der NRW-Schulministerin Dorothee Feller blickte man zurück auf die bewegte Geschichte des Hauses. „Das Gymnasium ist älter als viele Städte im Ruhrgebiet“, betonte Oberbürgermeister Thomas Kufen. Die Anfänge der Schule reichen sogar bis ins neunte Jahrhundert zurück.
Schulministerin Dorothee Feller wies auf die lange Liste erfolgreicher Persönlichkeiten hin, die das Burggymnasium hervorgebracht hat. Darunter Industrielle wie Friedrich Alfred Krupp und Wissenschaftlerinnen wie Uta Ranke-Heinemann, die als erste katholische Theologieprofessorin der Welt bekannt wurde. Diese ehemaligen Schülerinnen und Schüler hätten nicht nur die Geschichte der Schule geprägt, sondern auch zum Wohlstand und Fortschritt der Gesellschaft beigetragen.
Das Burggymnasium hat in seiner 200-jährigen Geschichte viel erlebt und überlebt, darunter eine Pandemie, zwei Weltkriege und den Nationalsozialismus. Trotz dieser Herausforderungen hat die Schule stets versucht, ihre klare humanistische Grundhaltung zu bewahren.
Stadt Essen rügte Schule: zu wenig an die Nazis angepasst
Oberbürgermeister Thomas Kufen betonte, dass Bildung weit mehr sei als die Vermittlung von Wissen. Es gehe auch um die Vermittlung von Werten und die Entwicklung der Persönlichkeit. Was heute selbstverständlich erscheint, war es nie. Schon in den dunkelsten Stunden des Nationalsozialismus trat die Schule menschenverachtenden Ideologien entschieden entgegen. Vor rund 90 Jahren erhielt die Schule einen Brief des damaligen Schuldezernenten, der die Schüler für das rügte, was der Oberbürgermeister heute fordert. In diesem Brief wurde die mangelnde Anpassung der Schule an die Nazi-Ideologie gerügt. Trotz wiederholter Ermahnungen weigerte sich die Schule, dem NS-Verband beizutreten.
Burggymnasium Essen: Engagement für Demokratie heute dringender denn je
Das Burggymnasium lehnte es ab, den Anweisungen des NS-Staates zu folgen, Schüler aufgrund von „mangelnden körperlichen und charakterlichen Fähigkeiten“ auszuschließen. Stattdessen erfolgte die Beurteilung der Schüler basierend auf ihrer geistigen Leistung. Die Mehrheit der Lehrkräfte gehörte nicht der NSDAP an und distanzierte sich vom Nationalsozialismus.
Diese dunklen Zeiten mögen vorüber sein, doch das Engagement für demokratische Werte sei heute dringlicher denn je, sagte Dorothee Feller. „Wir müssen den zunehmenden Rassismus und die steigende Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft ernst nehmen, auch in unseren Schulen.“ Sie zeigte sich ermutigt davon, dass die Schülerinnen und Schüler des Burggymnasiums am 16. März für Demokratie und Menschenrechte auf die Straße gegangen sind. An diesem Tag gingen mehrere tausend Schülerinnen und Schüler aus Essen auf die Straße, um gegen rechte Hetze zu demonstrieren.
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Die „Burg” entsteht ursprünglich aus der Zusammenlegung einer katholischen und einer evangelischen Schule, um den Anforderungen des preußischen Lehrplans gerecht zu werden. Für die Schüler steht Latein und Altgriechisch auf dem Stundenplan. In den ersten Jahren ist das Geld knapp und reicht kaum für Schulmaterial. Spenden müssen helfen. Und auch der Lehrermangel ist - wie heute - ein Problem. Nur mit Hilfs- und Aushilfslehrern kann ein geregelter Unterricht gewährleistet werden.
Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt durch die Industrialisierung steigen auch die Schülerzahlen. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ändern sich die Lehrpläne zwar immer wieder, aber der altsprachliche Zweig bleibt das prägende Element der Schule.
In den Anfangsjahren spielt die Konfession eine wichtige Rolle, die immer wieder zu Problemen führt. Ein wohlhabender protestantischer Vater will zum Beispiel nicht, dass sein Sohn zu sehr von der katholischen Kirche beeinflusst wird. Deshalb zwingt er Ende der 1860er Jahre drei katholische Lehrer in den vorzeitigen Ruhestand.
In den frühen 1930er Jahren ist die Mehrheit der Schüler am Burggymnasium katholisch und stammt größtenteils aus bürgerlichen Familien mit mittlerem Einkommen. Viele Eltern sind Staats- oder Kommunalbeamte. Die Schüler neigen dazu, Geisteswissenschaften oder Theologie zu studieren, geprägt durch ihr katholisches Umfeld und die katholische Jugendarbeit.
Essener Schule in der dunkelsten Zeit des Nationalsozialismus
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1924 wird das Burggymnasium in eine staatliche Schule umgewandelt und heißt damals „Gymnasium am Burgplatz“. 1933 erfolgt die Umbenennung in „Burggymnasium“. Während der Umbenennung des Burgplatzes in „Adolf-Hitler-Platz“ entgeht die Schule knapp einer drohenden Umbenennung in „Adolf-Hitler-Gymnasium“.
Nach 1936 gewinnt das Medizinstudium oder eine militärische Karriere an Beliebtheit. Die 1929 gegründete Schülerzeitung „Akropolis“ behandelt vierteljährlich Themen aus Schulpolitik, Schülerleben sowie Humanismus und antiker Geschichte. Mit zunehmender Dauer der NS-Zeit wächst der Einfluss der Partei auf den Inhalt, und im Frühjahr 1936 sind fast alle Schüler des Burggymnasiums Mitglieder von NS-Organisationen, bedingt durch staatlichen Druck und drohende Strafen.
1975 kommen auch erstmals die Mädchen zum Essener Burggymnasium
Während des Zweiten Weltkriegs gestalten sich die Unterrichtsbedingungen schwierig. Lehrer erhalten Abkommandierungen, und Kinder werden mit der Kinderlandverschickung in Sicherheit gebracht. Im Frühjahr 1944 ziehen die Behörden Schüler als Luftwaffenhelfer ein. Der Schulleiter hält den Unterricht zwar aufrecht, aber die Schüler leiden unter den Bedingungen. Eine Bombardierung zerstört in der Nacht vom 5. April 1943 die Schule vollständig. Dennoch beginnen schon einen Monat später die Anmeldungen für die erste Klasse. Der neue Standort war die Goetheschule in Bredeney. Der Schulleiter führt die Schule aus seiner Privatwohnung heraus, bis zum 1. November 1946. Der Wiederaufbau am ursprünglichen Standort ist 1952 abgeschlossen. Von 1975 kommen auch Mädchen ans Burggymnasium, die Zeit der reinen Jungenschule ist – wie überall – vorbei.
Burggymnasium Essen: „Gemeinsam sind wir unschlagbar“
Rechtsanwalt Martin Alberts, Abiturjahrgang 1984, hat seinen Sohn ebenfalls auf diese Schule geschickt. Er erinnert sich gerne an seine eigene Schulzeit am Burggymnasium und hebt ein besonders prägendes Erlebnis hervor: „Gemeinsam sind wir unschlagbar“, habe ihm damals der Sportlehrer an der „Burg” gesagt, erzählte er in der Gesprächsrunde während der Feier.
Den Blick nach vorne richten
Am Ende des Festakts erklingt die eigens für das 200-jährige Jubiläum komponierte Schulhymne, gesungen von den Schülerinnen und Schülern. „Als vor 200 Jahren die Schule gegründet wurde, sah die Welt noch ganz anders aus“, erklärt Schulleiterin Simone Reuen. „Es gab weder Internet noch iPads, und Schreiben geschah noch mit Tinte.“
Seitdem hat sich an der Schule viel verändert, aber die tiefen Wurzeln und humanistischen Werte sind fest verankert. Die Schule hat ihren humanistischen Charakter bewahrt und gleichzeitig ihr Angebot erweitert. Sie bleibt nicht nur ihrer humanistischen Tradition treu, sondern integriert auch Naturwissenschaften, Digitalisierung und Sprachen. Und sie vertritt weiterhin Werte wie Zivilcourage und Vielfalt. Die Schule ist stolz auf das Gestern und das Heute. Jetzt geht der Blick nach vorn, sagt Schulleiterin Simone Reuen. Die nordrhein-westfälische Schulministerin Feller zeigte sich zuversichtlich: „Ich bin überzeugt, dass wir eines Tages zurückblicken und feststellen werden, dass sich der Einsatz für eine starke Demokratie in Deutschland, aber auch in Europa gelohnt hat.“
„ „Ich bin überzeugt, dass wir eines Tages zurückblicken und feststellen werden, dass sich der Einsatz für eine starke Demokratie in Deutschland, aber auch in Europa gelohnt hat.““
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