20 Kilometer unterwegs: Mit den Helfern auf dem Haldern Pop
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Rees. Ohne Freiwillige wäre die 36. Ausgabe des Haldern Pop Festivals nicht möglich gewesen. Unser Reporter hat eine helfende Familie begleitet.
Es ist kurz vor zwölf und Torsten Schlebusch hat noch immer nicht gefrühstückt. Der 42-Jährige – graues T-Shirt, kurze blaue Hose, Trekkingschuhe – steht mit seinem Handy in der Hand vor dem „Funktionsbüro“, einem kleinen weißen Pavillon im Schatten der Hauptbühne, zugleich Backstage-Bereich und Schaltzentrale des Haldern Pop Festivals.
Schlebusch ist einer von 518 aktiven Helfern, die auch in diesem Jahr wieder dafür gesorgt haben, dass im Hintergrund des Festivals alles reibungslos läuft – und dass überhaupt all das pünktlich aufgebaut war, was den 7.000 Besuchern von Donnerstag bis Samstag so große Freude bereitet hat: die zahlreichen neuen Sitzgelegenheiten auf dem Gelände, der Biergarten, das Spiegelzelt und vieles mehr.
Helfer laufen am Tag 20 Kilometer
Es war gegen acht Uhr an diesem Samstagmorgen, als sein Handy zum ersten Mal klingelte: Eine Unwetterwarnung für Haldern. In einer Whatsapp-Gruppe der Helfer wurde nach Freiwilligen gesucht, die zum Festivalgelände fahren, um Zäune, Planen und Pavillons gegen die Windböen zu sichern.
Schlebusch wohnt mit seiner Familie ganz in der Nähe, er ist gebürtiger Halderner, das Festival kennt er aus Kindheitstagen, seit 1995 hilft er selbst in jedem Jahr mit. Nur logisch, dass der 42-Jährige auch an diesem Morgen nicht lange auf sich warten ließ – und kurzerhand rüberfuhr, mit anpackte. „Man fühlt sich einfach als Teil eines Ganzen“, sagt er. Das Ergebnis des Einsatzes: „Gestern bin ich laut Handy 20 Kilometer gelaufen. Am Abend konnte ich kaum noch die Beine bewegen.“
Ein Festival als Familienangelegenheit
Dieses Festival, das seit 1984 in fast jedem Jahr etwas größer und mit noch mehr Liebe zum Detail gestaltet wird, übt auf die Bewohner des Umlands schon früh einen ganz besonderen Reiz, beinahe eine Sogwirkung aus. „Zu Schulzeiten standen wir auf den Hügeln und Wegen ringsum und haben versucht, irgendwie einen Blick auf das Geschehen zu erhaschen“, erzählt Torsten Schlebusch. „Als man mit 16 dann endlich zum ersten Mal selbst mit dabei sein und unterstützen durfte, war man überglücklich.“ Auch seine Frau Steffi und die 19-jährige Tochter Hannah sind Haldern-Pop-Helfer – Steffi seit 1996, Hannah seit drei Jahren.
Die Hauptaufgaben von Torsten Schlebusch liegen inzwischen vor allem im administrativen Bereich: Mit einem Team aus 12 Leuten sorgt er dafür, dass an den Wertmarkenschaltern stets genug Wechselgeld und „Poptaler“ – die Währung für Speis und Trank – vorhanden sind, dass die EC-Terminals laufen, die Food-Stände abgerechnet und die von weither angereisten Bands bezahlt werden.
Doch wann immer es „irgendwo brennt“, erklärt der 42-Jährige, packe man natürlich mit an. „Hier hilft jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten mit“, bestätigt auch seine Tochter, die jetzt hinter der hölzernen, liebevoll dekorierten Theke des Funktionsbüros steht, das von manchen auch „Office“ und von wieder anderen „Artist Infopoint“ genannt wird.
Irgendwer kann auf dem Haldern Pop immer helfen
Wie auch immer dieser Pavillon heißt, er ist sowas wie der Hotspot des Festivals, jedenfalls für all seine Helfer. Immerfort fahren hier Traktoren, Autos, Shuttle-Busse und sogar Quads ein und aus, laden Geräte und Künstler ab, die wiederum irgendwo hingebracht oder eingewiesen werden wollen.
In Schüben ist hier die Hölle los, dann stehen sie Schlange vor Hannas Theke, jeder mit einem anderen Anliegen – Fragen zur Unterbringung der Bands, zur Verteilung ihrer Essens- und Getränkemarken, zu den Armbändern für Presseleute und Gäste der Künstler. Doch ganz gleich was verlangt ist, die 19-Jährige und ihre Kollegen, sie können helfen – und sei’s erst nach einem Griff zum Funkgerät. Irgendwer weiß immer Bescheid.
Weil ihre Eltern, Torsten und Steffi, Haldern-Pop-Aktionäre sind, konnte Hannah als „Popblag“ schon mit 16 als Helferin mitwirken – und trotz all der Hektik an ihrem Einsatzort ist für sie, wie ohnehin für die die meisten Halderner, gerade in ihrem Alter, dieses Augustwochenende ein einziges Highlight.
„Hat einer die Nummer von...?“, „Wo ist denn jetzt...?“, „Kann ich mal bitte...?“ – ein ums andere Mal versteht man in dem kleinen Pavillon kaum mehr sein eigenes Wort, erst recht dann nicht, wenn im Hintergrund James Leg die Mainstage eröffnet. Doch das Lächeln ist aus Hannahs Gesicht nicht wegzukriegen. „Natürlich habe ich auch früher schon hier und da mitgeholfen und meinen Eltern über die Schulter geschaut“, erzählt sie. Rund um die Lohstraße kennt sie deshalb jeden Quadratmeter. Das sorgt für Sicherheit.
Fundsachen, Festivalbändchen und Lebensberatung
Nur ein paar hundert Meter weiter, gleich hinter dem Eingang zum Festivalgelände, tritt jetzt auch Hannahs Mutter Steffi ihre Schicht an. In einem Container, der auf dem allgegenwärtigen Faltplan als „Poptaler / Info / Lost & Found“ bezeichnet wird, nimmt sie auf einem der Stühle hinter den kleinen Schiebefenstern Platz, durch die wahlweise Poptaler, Tickets, Fundsachen, oder Kinderarmbändchen nach draußen an die Besucher gereicht werden, die hier nach und nach Halt machen.
Seit 20 Jahren schon arbeitet die 43-Jährige vornehmlich an der Kasse, seit 15 Jahren hauptverantwortlich. „Eigentlich sind unsere Aufgaben klar definiert, aber manchmal gibt’s von uns auch bloß eine Lebensberatung“, sagt sie und lächelt. „Und natürlich versuchen wir, jedem zu helfen.“Beispiele: „Was kostet ein Bier?“, „Was gibt’s hier so zu essen?“, „Wo kann ich duschen, wie teuer ist das?“, „Habt ihr vielleicht Tesafilm?“, „Welche Bands sind empfehlenswert?“, und so weiter, und so fort. „Je später der Abend, desto spannender wird’s“, sagt Schlebusch trocken.
Neben ihr sitzen Vanessa (28), David (12), Steffi (42), Andre (29) und Nora (17), nehmen pausenlos Geld entgegen und reichen dafür die in Windeseile abgezählten Wertmarken heraus. Hin und wieder gibt jemand eine Vermisstenanzeige auf: Portemonnaie, Autoschlüssel, Hut, Mundharmonika oder die Sonnenbrille – nicht alles findet sich wieder, aber doch überraschend viel. „Erst gestern Abend wurde ein Portemonnaie bei uns abgegeben, aus dem offenbar nichts herausgenommen wurde“, erzählt Steffi Schlebusch. Dann lächelt sie wieder und sagt, während sie abermals zu dem kleinen Schiebefenster greift: „Das macht dann schon Spaß.“
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