Haldern. Die NRZ präsentiert: Michael Kiwanuka sorgt am Samstag beim Haldern Pop Festival für größten Konsens-Moment. Es gab auch einige Überraschungen.
Sie strahlten. Und erzählten begeistert. „Hast Du die Band gerade gesehen?“ Es war fast egal, von welchem Konzert die Haldern Pop-Besucher gerade mit frischen Impressionen berichteten. Die 36. Auflage des Festivals - präsentiert von der NRZ - entfachte Euphorie bei den meisten der 7000 Besucher. Ob sie nun ihrem Favoriten gezielt zugehört hatten oder einfach mal in ein Konzert hineingestolpert waren. Haldern Pop bot eine immens hohe Musikqualität und viel Überraschungspotenzial.
Während Haldern natürlich immer groß geschrieben wird, wurde das Pop in diesem Jahr eher klein geschrieben. Etliche Bands und Künstler bewegten sich weit weg vom gemeinsamen Nenner Pop. Ein deutlicher Trend zurück zum Rock und seinen Geschwistern ist spürbar. Auch der Soul war stark vertreten.
Ein Genießer-Konzert mit Michael Kiwanuka
Auch interessant
Ein König der letztgenannten Disziplin ist zweifelsohne Michael Kiwanuka. Keiner füllte das Areal vor der Hauptbühne in diesem Jahr so sehr, wie der Londoner mit seiner großartigen Band am Samstagabend. Viele tanzten, sangen in eine andere Welt eintauchend mit und genossen. Der phänomenale Bariton Kiwanukas ergriff die Massen. Die Musik ist nichts den kleinen Hunger zwischendurch, das ist Soul-Food. Ein echtes Genießer-Konzert. Und wieder ein Hauptact, der super funktioniert.
Als letzte Band auf der Hauptbühne erhoben Balthazar das Glas auf die Nacht. Die Belgier haben einen ganz eigenen Indie-Pop-Sound, dem man ihnen sofort zuordnen kann. Dieser coole Bass, gepaart mit dem starken Streicher und der ganz eigenen Art zu singen. Die neuen Stücke sind noch tanzbarer. Ein schöner Abschluss.
Daughters – zwischen Ekel und Begeisterung
Einer, der total überraschte war Jason Bartsch. Der Herzblut-Bochumer wickelte das Publikum im Niederrheinzelt im Handumdrehen um seinen Finger. Die griffigen Refrains sangen die Leute sofort mit, auch wenn sie das Lied zum ersten Mal hörten. Vor allem punktete Bartsch mit Humor. Das ist mehr Comedy als Konzert. Zum Brüllen. Aber auch ernste Töne flossen ein: „Dieses Land ist nicht mein Land“, heißt es in einem Songtext, „denn mein Land ist für alle da“. Touchdown!
Auf einem schmalen Grat zwischen Ekel und Begeisterung ist der Auftritt von Daughters im Spiegelzelt einzuordnen. Ihr beängstigender Noise-/Industrial-Rock ist für jeden Horror-Streifen geeignet. Destruktiv, teils kakophonisch, brutal gut.
Sexy Funk-Musik mit Khruangbin
Aber wie Sänger Alexis S. F. Marshall sich auf der Bühne präsentierte, ist mehr als hemmungslos. Dass die Haldern Pop-Techniker sich ob seines Mikrofon-Schwungs um ihre Strahler sorgten, tja, so ist das mit den Künstlern. Aber wenn Marshall sich mit dem Mikro die Stirn blutig schlägt, sich in die Hand rotzt, sich übers Gesicht wischt, es dort mit Blut vermischt — lecker, lecker, lecker...
Als ästhetisches Gegengewicht darf Khruangbin gesehen werden. Das ist ein ganz geschmeidiger Funk für Fortgeschrittene, romantische Abende, den die Texaner da auf der Hauptbühne bieten. Gesang war nur ganz dosiert zu hören, ansonsten flüsterten einem die verliebten Gitarren einiges ins Ohr. Diese Intimität verbreitete eine schöne Stimmung.
5K HD haben das gut durchdacht
Eine Gitarre war bei James Leg auf der Hauptbühne nicht zu sehen; dafür entlockt er seinem Keyboard Saiten-ähnliche Klänge. Der Blues-Rock kam schnell auf Betriebstemperatur. Dazu diese rauchige Stimme, die quasi aus den Ohren qualmte.
Eine experimentellen Elektro-Sound spielten 5K HD im Spiegelzelt. Mit Trompete, Gitarre und oft durch Effekte entfremdete Stimme. Ernst, konzentriert, etwas verkopft wirkten die Österreicher zu Beginn. Aber durchdacht trifft es besser, denn sie erzeugten phänomenale Übergänge. Gewannen das mitwippende Publikum zunehmend für sich.
Das Spiegelzelt bebt bei Haiku Hands
In Tanzstimmung brachten auch Brandt Brauer Frick die Zuhörer vor der Hauptbühne. Mit abwechslungsreichen Beats und einem schönen Fluss. Außer dem Schlagzeug waren eine Menge Kabel auf der Bühne zu sehen.
Apropos Beats: Das Spiegelzelt bebte gegen Mitternacht beim Auftritt der drei Australierinnen Haiku Hands. Ihre Elektro- und Dance-Klänge sind künstlerisch kein Hexenwerk, aber Mamma mia funktionierte das gut. Alle hüpften.
Festivalchef Stefan Reichmann war in einer ersten Reaktion sehr zufrieden: „Wir hatten noch nie soviel extrem positives Feedback.“ Für ihn stach der Auftritt von Patrick Watson heraus: „Alle, die ihn gesehen haben, waren total geflasht.“
Der Wind war nicht so heftig
Die Polizei vermeldet keine besonderen Vorkommnisse. Der Wind trieb die Verantwortlichen im Vorfeld des Samstags noch um. „Es war alles vorbereitet, wir hätten sofort reagieren können“, so Reichmann. Aber dann blies der Wind doch nicht so heftig.
.
Und nun sind diese drei Tage der Gastfreundschaft, des Wiedersehens, des Kennenlernens auch schon wieder vorbei. Regen und Wind drohten ihr Kommen an, huschten dann aber nur vorbei. Was bleibt, ist die Erinnerung an die vielen Momente voller Magie