Duisburg. In Duisburg sind viele Häuser von Überflutung durch Starkregen bedroht. Ob Grundstücke gefährdet sind, verrät Eigentümern eine Karte und ein Test.
Dr. Mirko Salomon kennt das: Nach Unwettern mit Starkregen melden sich von Wasserschäden betroffene Hausbesitzer bei ihm – bei der Regenagentur der Wirtschaftsbetriebe (WBD). Die Anrufer seien teilweise „sehr emotional, wollen Frust abladen“, sagt Starkregenberater Salomon. Kein Wunder: Wenn Wasser in Keller- oder Wohnräume eindringt, sind die Schäden oft immens – wie zuletzt im August 2024. „Es ist menschlich, dass Betroffene einen Schuldigen suchen“, findet Sebastian Beck, der bei den WBD die Stadtentwässerung leitet. Verantwortlich für den Schutz vor Überflutungen in Folge von Starkregen sind aber in der Regel Immobilienbesitzer selbst. Die Regenagentur bietet Hilfen zur Vorsorge an – zum Beispiel die Starkregen-Gefahrenkarte und den Wasser-Risiko-Check.
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Als Starkregen werden Regenfälle mit hoher Niederschlagsmenge innerhalb kurzer Zeit bezeichnet, oft gehen diese mit lokal begrenzten Gewittern einher. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnt in drei Stufen davor:
- Die „Warnung vor markantem Wetter“ (Stufe 1) umfasst Niederschläge von 15 bis 25 Litern pro Quadratmeter binnen einer Stunde,
- eine „Unwetterwarnung“ (2) Regen mit 25 bis 40 Litern.
- Bei „Warnungen vor extremem Unwetter“ (3) ist mit mehr als 40 Litern pro Quadratmeter in einer Stunde zu rechnen.
Duisburg: 2024 zweimal Starkregen – aber nicht überall in der Stadt
In Duisburg gab es 2024 zwei Starkregen-Ereignisse, bei denen über 40 Liter Niederschlag gemessen wurden, am 2. Mai und am 13. August. „Aber nicht jeder Duisburger hat zwei erlebt“, sagt Beck. Denn es gebe typischerweise „extreme lokale Unterschiede, oft von Stadtteil zu Stadtteil“.
Meteorologie und Stadtentwässerung orientieren sich an Wahrscheinlichkeiten oder „Wiederkehrzeiten“ von Starkregenereignissen, diese werden rückblickend statistisch berechnet. „Ab etwa 40 Liter pro Stunde und Quadratmeter spricht man in Duisburg-Mitte von einem 100-jährlichen Regenereignis“, erklärt Mirko Salomon. Er warnt aber vor falschen Schlüssen: „Ein Haus kann auch zweimal im Jahr von einem 100-jährlichen Starkregen betroffen sein.“ Zumal Extremwetterereignisse in Folge des Klimawandels häufiger auftreten können.
Das öffentliche Kanalnetz „muss gemäß den technischen Regelwerken Regenfälle aufnehmen können, die statistisch betrachtet alle fünf Jahre vorkommen“, ordnet Sebastian Beck ein. Das entspricht Niederschlagsmengen von 15 bis 20 Litern pro Quadratmeter in circa 15 Minuten. „Aber kein Kanalnetz ist für extreme Regenereignisse ausgelegt.“ Darum sammeln sich bei Starkregen Wassermassen auf geschlossenen Oberflächen und in Geländemulden, etwa in Unterführungen.
Duisburger Gefahrenkarte durch Ortsdetails noch genauer
Grundlage einer Starkregen-Gefahrenkarte ist ein digitales Geländemodell, das die Höhen und Tiefen abbildet. Die Karte zeigt anhand der Topografie (Geländeform) an, wo sich das Niederschlagswasser wahrscheinlich aufstaut. Es handelt sich um eine computermodellierte Karte.
Für die Berechnung der Duisburger Karte wurde das Geländemodell ergänzt mit Daten zu Gebäudeumrissen, Gewässern, Brücken, Unterführungen und Kanalnetz. Die simulierten Szenarien: ein „intensives Starkregenereignis“ (50 Liter/m²/Stunde; Wiederkehrzeit: 50 Jahre) und ein extremes Starkregenereignis (80 l/m²/h; Wiederkehrzeit: über 100 Jahre).
Wer die Karte unter www.regenagentur-duisburg.de/starkregengefahrenkarte aufruft, muss sich in Geduld üben – es dauert auch mit guter Internetverbindung sehr lange, bis die Seite alle Daten eines Ausschnitts geladen hat. Darauf eingezeichnet sind alle Straßen, Grundstücke, Gebäude.
Die Flächen sind in Weiß und vier Blautönen markiert, diese stehen für fünf Überflutungstiefen im Gelände:
- unter drei Zentimeter (weiß),
- 3 bis 10 cm (blassblau),
- 10 bis 50 cm (hellblau),
- 50 bis 100 cm (blau) ...
- ... und über 100 cm (dunkelblau).
Über die Eingabe von Adresse bzw. Flurstück oder die Navigation gelangen Nutzer in jede Nachbarschaft – am besten mit dem Finger auf einem Smartphone (Tipp: zuerst großflächig übers Stadtgebiet surfen, dann erst in die interessierende Nachbarschaft hineinzoomen).
Vielen Grundstücken droht bei Starkregen Überflutung
Was auffällt: Es sind erstaunlich viele Flächen blau markiert, und es gibt dunkelblaue Sprenkel überall in der Stadt – unregelmäßig verteilt, nicht nur an Unterführungen, auch in Wohngebieten. Es wimmelt von gelben Punkten. Die zeigen, wo Wasser am Gebäude stehen könnte. Es gibt also sehr viele Flächen und zahlreiche Wohnhäuser, denen bei extremem Starkregen Überflutungen drohen. Dabei ist in einer Straße oft ein einzelnes Gebäude durch einen Tiefpunkt stark gefährdet, die Häuser nebenan nicht.
Unwetter in Duisburg: Wir haben viele Fotos gesammelt
Der Stadtentwässerung bekannte Beispiele für bauliche Tieflagen gibt es etwa auf Sittardsberger Allee (Buchholz), Am Stellwerk (Friemersheim) und auf der Max-Peters-Straße in der Nähe der Metro (Kaßlerfeld). Die Starkregenkarte offenbart aber auch Hunderte weniger bekannte Tiefpunkte in Wohngebieten. Zwei Beispiele:
- Die Karte zeigt, dass in Buchholz im Bereich der Sudetenstraße einzelne, auseinander liegende Häuser an Lindauer, Tölzer und Grazer Straße potenziell durch Überflutungen in Folge von Starkregen gefährdet sind – ihre direkte Umgebung ist dunkelblau eingefärbt.
- In Alt-Hamborn verwandelte sich im Unwetter vom 13. August 2024 die Beecker Straße in einen See, wie Betroffene unserer Redaktion berichteten. Bei vielen Anwohnern drang das Wasser in die Kellerfenster ein, richtete hohe Schäden an. Auf der Karte sind weite Teile der Beecker Straße (zwischen Emscher Straße und Bertholdstraße) großflächig blau und die Gebäude gelb markiert. Risikogebiet!
Auch regelmäßig gereinigte Gullys verstopfen
An der Beecker Straße waren auch Gullys (Straßenabläufe) durch Laub verstopft, bemängelten Betroffene. „Wir reinigen gezielt Gullys in Problembereichen, auch mit Blick auf den Wetterbericht“, sagt Sebastian Beck. „In der Regel werden Gullys bis zu zweimal im Jahr gereinigt, an sensiblen Stellen auch häufiger.“
In Duisburg gebe es 49.500 Gullys, das Kanalnetz ist 1469 Kilometer lang. Bei Starkregen komme häufig auch Sturm auf. Dabei werden Blätter von den Bäumen gerissen, die dann die Gullys wieder sehr schnell verstopfen, so Beck.. „Es kann daher passieren, dass wir heute einen Gully reinigen und morgen im Starkregen soviel Laub angeschwommen kommt, dass der Gully sich wieder schnell zusetzt.“
Beck verdeutlicht eine bittere Erkenntnis, die die Gefahrenkarte aufzeigt: Zwar sind Bereiche mit stark versiegelten Oberflächen anfälliger, weil das Regenwasser dort nicht einsickern kann. Aber grundsätzlich gefährdete oder ungefährdete Wohnlagen gibt es nicht – topografische Tiefpunkte liegen im vom Bergbau geprägten Stadtnorden ebenso wie im linksrheinischen Flachland oder in der Innenstadt. Oft wissen Grundstücksbesitzer davon nichts.
Neuer Wasserrisiko-Check bietet Grundstücksbesitzern individuelle Hinweise
Die Starkregen-Karte ist gleichwohl nur ein Modell, das Besonderheiten einzelner Gebäude (Bausubstanz, -jahr, -weise) nicht berücksichtigen kann. Das erklärt auch den Hinweis zur Karte: „Die Wirtschaftsbetriebe Duisburg übernimmt keine Haftung für die Aussagekraft und Richtigkeit der Starkregengefahrenkarte.“
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Starkregenberater Salomon appelliert an Hausbesitzer, sich eigenverantwortlich zu informieren und gegebenenfalls private „Überflutungsvorsorge“ zu betreiben. Der Experte empfiehlt auch den „Wasserrisiko-Check“ – an dem Kooperationsprojekt des Landes NRW beteiligt Duisburg sich neuerdings: „Mit dem Check kann man eine erste Gefährdungsabschätzung für das eigene Grundstück durchführen.“
Dazu müssen Interessierte nur ihre Adresse in die Suchmaske auf www.wasser-risiko-check.de eingeben und einen Fragebogen ausfüllen. Die möglichen Überflutungstiefen an ausgewählten Straßenabschnitten werden auf der Seite übrigens viel schneller angezeigt als auf der Starkregengefahrenkarte.
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>> Starkregen, Hochwasser, Grundwasser
- Die Wirtschaftsbetriebe betonen: Überflutungen durch Starkregen sind nicht zu verwechseln mit Überschwemmungen durch Hochwasser oder hohe Grundwasserstände.
- Hochwassergefahrenkarten stellt das Land NRW online zur Verfügung, etwa unter flussgebiete.nrw.de/hochwassergefahrenkarten-und-hochwasserrisikokarten.