Duisburg. Sie sollen Schleuser-Touren organisiert und skrupellos Menschen in den Tod geschickt haben. Jetzt fiel in Duisburg das Urteil gegen zwei Brüder.

Weit über 100 Menschen fanden wegen ihrer Skrupellosigkeit den Tod im Mittelmeer: Wie viele Flüchtlinge es genau waren, die durch eine vom Libanon aus operierende kriminelle Schleuser-Familie starben, konnte ein langwieriger Prozess vor dem Landgericht Duisburg nicht ansatzweise aufdecken. Die 5. Große Strafkammer hatte am Ende aber keinen Zweifel, dass ein 42-jähriger Monheimer und sein in Duisburg lebender Bruder (27) in die Machenschaften verstrickt waren und fällte ein Urteil.

Die Verteidiger gaben sich bei den Schlussvorträgen alle Mühe, ihre Mandanten als harmlose Angeber erscheinen zu lassen, die mit ihrer Tätigkeit als Schleuser nur prahlten. Ihrer Ansicht nach fehlten die Beweise dafür, dass der 42-Jährige in Deutschland Gelder von Verwandten für die geplante Flucht ihrer Familienmitglieder kassierte, die damit ein tödliches Risiko eingingen. Der Anwalt des 27-Jährigen sah nur als bewiesen an, dass sein Mandant 2022 selbst mit einem solchen Boot über das Mittelmeer nach Europa gekommen war und plädierte für eine Geldstrafe wegen illegaler Einreise.

Nach elf Verhandlungstagen endete der Prozess in Duisburg gegen zwei libanesische Brüder.
Nach elf Verhandlungstagen endete der Prozess in Duisburg gegen zwei libanesische Brüder. © WAZ | Bodo Malsch

Mindestens 17 Flüchtlinge ertranken, als ihr Boot im Sturm sank

Die 5. Große Strafkammer hingegen schloss sich der Beweiswürdigung der Staatsanwaltschaft an. Der 42-Jährige hatte zwar keinen Spitzenplatz in den kriminellen Machenschaften inne, so das Gericht. Unzweifelhaft aber sei er mitverantwortlich für eine tragisch gescheiterte Fahrt eines seeuntauglichen Schiffes, das im September 2022 bei einem Sturm im Mittelmeer unterging.

Wie viele Menschen dabei starben, konnte die Kammer nicht mit Sicherheit feststellen. Es sollen über 100 gewesen sein. Doch allein die während des Prozesses vernommenen Zeugen ließen die Richter im Urteil von mindestens 17 Toten und bis heute vermissten Menschen ausgehen, darunter auch Kinder. Die Passagiere waren unter menschenunwürdigen Umständen auf einem 16 Meter langen Boot zusammengepfercht. Nicht einmal der Kapitän hatte sich getraut, damit bei einem aufkommenden Sturm abzulegen. Man zwang ihn mit Waffengewalt dazu.

Die 5. Große Strafkammer überstieg in ihrem Urteil deutlich die Strafanträge der Staatsanwaltschaft.
Die 5. Große Strafkammer überstieg in ihrem Urteil deutlich die Strafanträge der Staatsanwaltschaft. © WAZ | Bodo Malsch

Brüder wollten mit einem Mord die Ehre ihrer Familie wiederherstellen

Nur wenige Wochen zuvor war der 27-Jährige auf gleichem Weg nach Europa gekommen. Allerdings, davon waren Staatsanwaltschaft und Gericht überzeugt, nicht als einfacher Passagier. Der junge Mann hatte auf dem mit 70 Flüchtlingen überfüllten Boot etwas zu sagen und steuerte es in achttägiger lebensgefährlicher Fahrt nur mit viel Glück ohne Verluste an die Küste Italiens.

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Im Oktober 2022 hatten die Angeklagten zudem beschlossen, einen unliebsamen Zeugen zu beseitigen: Sie planten, einen Angehörigen zu erschießen, dessen Familienmitglieder bei dem Bootsunglück starben und der auf eigene Faust nach Schuldigen suchte. Die Polizei griff vorher ein, abgehörte Gespräche ließen wenig Zweifel daran, warum die Angeklagten eine Pistole bei sich hatten. Sie hatten sich offenbar beleidigt gefühlt und wollten mit der Tat die Ehre der Familie wiederherstellen.

Strafkammer überstieg im Urteil die Anträge der Staatsanwaltschaft

Im Urteil überstieg die Kammer deutlich die Strafanträge der Staatsanwaltschaft. Der 42-Jährige muss wegen Einschleusens von Ausländern mit Todesfolge und Verabredung zum Verbrechen des Mordes zehn Jahre ins Gefängnis. Sein jüngerer Bruder muss wegen des Mordplans und wegen Einschleusens unter lebensgefährlichen Umständen sieben Jahre hinter Gitter.