Duisburg. Ein Libanese (42) aus Duisburg und sein Bruder (26) sollen das Geschäft einer Schleuserbande geleitet haben – ohne Rücksicht auf Verluste.
Geld soll ihnen wichtiger als das Leben von Menschen gewesen sein: Wegen ihrer Verstrickung in die kriminellen Machenschaften einer Schleuserbande stehen ein 42 Jahre alter Libanese aus Duisburg und sein Bruder (26) vor dem Landgericht am König-Heinrich-Platz. Zwei von vier Bootsfahrten, mit denen Flüchtlinge aus dem Libanon nach Italien gebracht werden sollten, scheiterten. Die schreckliche Folge: Mindestens 114 Menschen fanden den Tod.
Im Jahr 2022 sollen sich die beiden Brüder nach Erkenntnissen der Ermittler gemeinsam mit weiteren Verwandten zu einer Schleuserbande zusammengeschlossen haben.
Die Anklageschrift zeichnet ein düsteres Bild eines skrupellosen Geschäftes: Flüchtlinge, die meist aus Syrien stammten, wurden im Libanon in Häusern zusammengepfercht. Dann wurden sie in viel zu kleine Boote gesetzt und gingen auf eine bis zu neun Tage währende Reise über das Mittelmeer. Für die lebensgefährlichen Touren zahlten die Flüchtlinge im Schnitt 6000 Dollar.
Schleuserbande mit Duisburger Beteiligung schickte überladene Boote aufs Mittelmeer
Zwei der vier in der Anklage geschilderten Fahrten scheiterten tragisch. Am 10. September 2023 soll eines der Boote ohne Treibstoff vor der griechischen Küste in Seenot geraten sein. Während der größte Teil der Insassen von der türkischen Marine gerettet werden konnte, starben sechs Menschen, darunter zwei kleine Kinder.
Drei Wochen später stach bei stürmischem Wellengang ein hoffnungslos überladenes Boot, auf dem 170 Menschen kaum Platz zum Sitzen fanden, in See. Der ausgewählte Bootsführer musste mit Waffengewalt und Drohungen gegen seine Familie zum Ablegen gezwungen werden. Nur wenige Stunden später streikte der Motor. Das Boot sank. Von den Insassen konnten nur 22 gerettet werden. 35 gelten bis heute als vermisst. Die restlichen Menschen ertranken.
Duisburger soll das Geschäft geleitet haben
Der 42 Jahre alte Angeklagte, der bis zu seiner Festnahme am 23. Oktober in Duisburg wohnte, soll wesentliche Teile des kriminellen Geschäfts von Deutschland aus geleitet haben. Sein jüngerer Bruder soll mit einer der voran gegangenen Touren nach Europa gekommen sein und die Fahrt selbst geleitet haben.
Zudem sollen die Brüder geplant haben, einen in den Niederlanden lebenden 37-Jährigen zu erschießen. Grund für den Mordplan: Der Mann soll behauptet haben, ein im Libanon lebender weiterer Bruder habe einen Mitgefangenen sexuell missbraucht. Die Polizei, die das Brüderpaar bereits überwachte, verhinderte die Tat.
Mit einem dürftigen Satz ließ der 42-Jährige seinen Verteidiger zum Auftakt des Verfahrens alle Anschuldigungen zurück weisen. Der Anwalt des 26-Jährigen tat es ihm inhaltlich gleich, benötigte aber ein paar Sätze mehr. „Mein Mandant ist lediglich als Flüchtling mit einem Boot nach Europa gekommen.“ Er habe aber keinerlei Verantwortung für die Tour gehabt, weder das Boot geführt noch Proviant an die Passagiere verteilt. Auch mit einem Mordplan habe er nichts zu tun.
Zeuge verlor Familienangehörige: „Er war der Haupttäter.“
Der 37-Jährige, den die Angeklagten mutmaßlich ermorden wollten, verlor bei dem Bootsunglück am 23. September 2023 seinen Bruder und weitere Verwandte. Für ihn ist die Sache klar: Der 42-Jährige habe die Fahrten maßgeblich organisiert. „Er war der Haupttäter.“
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Die Aussage des Zeugen lässt die Vermutung aufkommen, dass es bei dem Mordplan möglicherweise nicht nur um den Ruf eines Verwandten der Angeklagten ging, sondern dass der 37-Jährige auch zu viel über die Bande wusste. „Ich habe selbst ermittelt, weil ich herausfinden wollte, wer für den Tod meiner Familie verantwortlich ist.“
>>Urteil im September erwartet
In dem Verfahren gegen die mutmaßlichen Mitglieder der Schleuserbande sind bis Ende September sieben weitere Verhandlungstage vor der 5. Großen Strafkammer des Landgerichts Duisburg geplant.