Duisburg. Der „Spieltrieb“ bringt Michael Endes Klassiker auf die Bühne. Die Inszenierung ist für den „Spieltrieb“ ungewöhnlich. Manche Schauspieler glänzen.

„Zwerge auf den Schultern von Riesen“ sind wir, wenn wir das Wissen, die Ein- und Ansichten vergangener Generationen für unseren Fortschritt nutzen. So wie bei Michael Endes Roman „Momo“. Der Autor kann 1973 zwar unmöglich gewusst haben, dass 50 Jahre später jeder Mensch einen kleinen, grauen Smartphone-Herren in der Tasche trägt. Eine Art Anleitung, wie man am besten damit umgeht, hat er uns trotzdem mitgegeben. Die Inszenierung des Duisburger Schauspiel-Jugendclubs „Spieltrieb“, die am 8. November im Theater Premiere feierte, bringt diese Anleitung ganz hervorragend auf die Bühne – ohne erhobenen Zeigefinger, dafür sanft, humorvoll und überraschend effektvoll.

Ein kurzer Abriss der Geschichte: Das kleine Mädchen Momo lebt ganz alleine in den Ruinen eines Theaters. Wo sie herkommt? Wie alt sie ist? Unklar. Sicher ist nur, dass sie gut zuhören kann, und das wiederum macht die Menschen um sie herum glücklicher, versöhnlicher – menschlicher. Aber dann: Auftritt, graue Herren. Die mysteriösen Entitäten sind Zeitdiebe, verführen Menschen, ihre Zeit zu „sparen“, rauben ihnen so jegliche Lebensfreude und stürzen sie in einen atemlosen Alltag. Auch Momos Freunde fallen ihnen zum Opfer. Also macht sich das Mädchen auf, das Problem zu lösen – und findet dabei sogar den Ursprung der Zeit selbst.

Duisburger „Spieltrieb“ nutzt Foyer III perfekt

Wie vom „Spieltrieb“ gewohnt, holt auch die Momo-Inszenierung der Regisseure Fabian Sattler und Sandra Sanchez Herrero alles aus dem kleinen Foyer III unter dem Theaterdach heraus. Der Raum ist metaphorisch, Momo und die grauen Herren können am selben Ort sein und doch voneinander getrennt. Genauso können die jungen Schauspieler gerade noch Momos Freunde sein, und im nächsten Moment schon die schrecklichen grauen Herren. Für den Zuschauer bedeutet das ein positiv-atemloses Theatererlebnis.

Apropos Schauspieler: Die lassen mal wieder vergessen, dass hier keine Profis auf der Bühne stehen. Gerade dann, wenn sie „nur“ Kulisse für die Hauptdarsteller einer Szene sind, glänzen die jungen Menschen zwischen 18 und 26 Jahren mit subtiler Gestik und Mimik, mit Humor, der nicht aufgesetzt, sondern authentisch ist. Das gilt für sie alle, trotzdem sei es erlaubt, zwei hervorzuheben.

„Momo“ in Duisburg: Zwei Schauspieler beeindrucken ganz besonders

Jannis Clemens ist für Spieltrieb-Zuschauer kein Unbekannter und brilliert in der ersten Hälfte des Stücks in seiner gewohnten Paraderolle als „comic relief“. Dass er auch anders kann, zeigt er als Hüter der Zeit, Secundus Hora. Den weisen Meister spielt er so unaufgeregt und großväterlich-fürsorglich, dass es einem ganz warm ums Herz wird.

Große Leistung: Alle Schauspieler der Duisburger „Momo“-Inszenierung beeindrucken – Jannis Clemens als Secundus Hora (r.) liefert ganz besonders ab.
Große Leistung: Alle Schauspieler der Duisburger „Momo“-Inszenierung beeindrucken – Jannis Clemens als Secundus Hora (r.) liefert ganz besonders ab. © Theater Duisburg | Sascha Kreklau

Ganz anders beeindruckt Lea Sehlke als der graue Herr, der von Momos Art überwältigt wird und das Mädchen versehentlich auf die Spur der Zeitdiebe bringt. Blitzschnell wird aus dem kühlen Herren eine panische Gestalt, dann ein hektischer Geschäftsmann und schließlich ein verängstigtes Häufchen Elend. Bei so viel Schauspiel in so kurzer Zeit drückt es den Zuschauer regelrecht in den Stuhl.

„Spieltrieb“-Novum: viele Spezialeffekte auf der Bühne

Die bekannten, klassischen Stärken von „Spieltrieb“ also, kann man zusammenfassen. Aber etwas ist anders an dieser Momo-Inszenierung. Man kann es „Spezialeffekte“ nennen, das, was auf der Bühne in ganz und gar ungewohnter Dichte passiert. Die grauen Herren gruseln im komplett abgedunkelten Saal mit ihren Taschenlampen, wenn es einen von ihnen dahinrafft, qualmt Trockeneis auf die Bühne.

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Und das Schöne daran: Die Spezialeffekte sind Mittel zum Zweck, kein Selbstzweck. Sie bereichern das Stück, aber überladen es nicht, verleihen Szenen und Botschaften Nachdruck, aber übertünchen sie nicht. Das beste Beispiel ist der Tanz der Stundenblumen. Getragen von etlichen Ventilatoren, angeleuchtet von zwei Strahlern, schwebt goldene Folie in der Luft. Untermalt von einem hymnischen Klangteppich, gesummt von den Schauspielern, macht diese neue Spieltrieb-Facette die Szene zur schönsten im ganzen Stück

>> SPIELTRIEB-INSZENIERUNG „MOMO“: TERMINE UND KARTEN

  • Momo ist noch achtmal im Theater Duisburg zu sehen. Am 11., 18. und 25. November, am 3. Dezember, am 30. Januar, und am 3. und 10. Februar.
  • Die Karten kosten zwölf Euro, es gibt sie im Internet unter theater-spieltrieb.de zu kaufen.