Duisburg. Der Schock sitzt tief: Drei Koalas sind tot – weitere kämpfen ums Überleben. Wie es ihnen geht und was die Krise für Duisburgs Koalazucht bedeutet.

Ausgerechnet zum Höhepunkt seiner Geburtstagsfeierlichkeiten erlebt der Zoo Duisburg eine dramatische Ausnahmesituation: Am Dienstagabend werden im Tierpark am Kaiserberg die Zoolichter eröffnet, doch zum Feiern ist dem Team nicht zumute. Die Mitarbeitenden stehen unter Schock, trauern um gleich drei Koalas – und bangen auch noch um das Leben zweier weiterer.

Der Zustand der beiden Koalas sei „leider lebensbedrohlich“, sagt Zoosprecher Christian Schreiner am Dienstagvormittag. „Wir können keine Prognose abgeben, die Situation kann sich stündlich verändern – zum Positiven, aber auch zum Negativen.“ Am Montag hatte der Zoo mitteilen müssen, dass das Koalamännchen Tinaroo, das Weibchen Gooni und dessen elf Monate altes Jungtier nicht mehr leben. Gooni, ergänzt Schreiner, sei am 4. November verstorben, die anderen beiden Tiere waren bereits Ende Oktober verendet.

Eine pathologische Untersuchung habe ergeben, dass Tinaroo an einer Magenentleerungsstörung litt, Gooni und das junge Männchen an einer sogenannten Verschiebung des Mikrobioms. Möglicherweise hänge auch Tinaroos Tod mit einem gestörten Darmmikrobiom zusammen. Aber Diagnostik und Behandlung sind so kompliziert und komplex wie Ernährung und Verdauung der australischen Baumbewohner.

Drei Koalas sterben in Duisburg: „Ganz, ganz schwerer Schlag“ für europäisches Zuchtprogramm

Koalas ernähren sich ausschließlich von den Blättern des Eukalyptusbaumes. Von den 700 verschiedenen Eukalyptusarten stehen nur etwa 70 auf ihrem Speiseplan. Die Blätter sind nicht nur nährstoffarm und schwer verdaulich, sondern Gift für andere Tiere. Für die Verdauung sind der mit 200 Zentimetern längste Blinddarm aller Säugetiere und Milliarden von Bakterien vonnöten. Wenn die Darmflora nicht ausbalanciert ist, verschiebt sich die Zusammensetzung der Bakterien. Die Folge sind Verdauungsprobleme und Durchfälle. „Das ist nicht mit einer Magen-Darm-Grippe beim Menschen zu vergleichen“, verdeutlicht Schreiner. „Jede Verschiebung des Makrobioms ist lebensbedrohlich.“

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Der Zoo Duisburg hatte zwar bereits Erfahrungen mit Durchfall bei Koalas, so Schreiber, aber die schwerwiegenden Erkrankungen nun „stellen uns vor eine völlig neue Herausforderung – wie so oft in der Koalahaltung.“ Die Duisburger sind europaweit Vorreiter bei der Aufzucht, hier kamen seit 1994 mehr als 40 Jungtiere zur Welt. Der Zoo führt das Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP). Schreiner: „Dass drei Tiere einer stark bedrohten Art in so kurzer Zeit sterben, ist nicht nur für den Zoo Duisburg ein ganz, ganz schwerer Schlag, sondern für die gesamte europäische Population.“ Diese bestand in den vergangenen Jahren aus nur 40 bis 50 Exemplaren.

Gooni und ihr männliches Junges, hier im April, haben die Erkrankung nicht überlebt.
Gooni und ihr männliches Junges, hier im April, haben die Erkrankung nicht überlebt. © Zoo Duisburg | F. Thaller

Infusionen und Medikamente, Eukalyptusbrei und Expertenrat: „Wir ziehen alle Register“

Nach Duisburg war das nun verstorbene Männchen Tinaroo 2020 von Leipzig gekommen, um für Nachwuchs zu sorgen. Am Kaiserberg, wo die Tiere Publikumslieblinge und zoologisches Aushängeschild sind, leben nach den jüngsten Todesfällen nur noch sechs Koalas, zwei von ihnen schweben in Lebensgefahr.

Das Koalahaus ist geschlossen, die kranken Tiere seien seit Tagen von den gesunden getrennt, auch wenn die Erkrankung wohl nicht ansteckend sei. Dennoch gehe das Tierärzte-Team davon aus, dass auch für den schlechten Zustand der beiden neu betroffenen Koalas eine Verschiebung des Darmmikrobioms ursächlich ist. Es handele sich um „zwei erwachsene Tiere“, Namen nennt der Zoo auf Nachfrage nicht.

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„Wir tun alles, um ihnen zu helfen“, versichert Schreiner. Die beiden werden über Infusionen mit Flüssigkeit versorgt, die Pfleger geben ihnen mit Oralspritzen Eukalyptusbrei. So soll die Magen-Darm-Flora positiv beeinflusst werden. Auch Medikamente und Schmerzmittel werden verabreicht. „Die Pfleger kümmern sich aufopferungsvoll“, berichtet Schreiner, die Veterinäre seien im Austausch mit australischen Experten. „Wir ziehen alle Register.“ Aber: Die Therapie ist schwierig, es gibt kaum Erfahrungswerte. Kraft spendeten dem Team hunderte Beileidsbekundungen und die große Anteilnahme.

Krise hat Folgen für Koala-Haltung

Die Ursache für die Erkrankungen sei noch unklar. „Die Gründe können vielfältig sein, da wollen wir nicht spekulieren“, sagt Christian Schreiner. Im Moment gelte alle Aufmerksamkeit der Rettung der beiden Erkrankten, aber diese dramatische Krise werde sicher Folgen für die Duisburger Koala-Haltung haben. Es werde auch in Zukunft Koalas am Kaiserberg geben, „aber wir werden uns nach der akuten Krise Gedanken machen, wie wir die Weichen für die Zukunft stellen“.

>> Eukalyptus aus Florida und vom Kaiserberg

  • Der Zoo braucht jährlich mehrere Tonnen Eukalyptus, um die Koalas zu verpflegen. Ein Großteil der frischen Triebe wird aus Florida eingeflogen.
  • Um nicht gänzlich von den Transporten abhängig und für Notfälle gewappnet zu sein, hat der Zoo eine eigene Eukalyptus-Plantage in der Nähe des Autobahnkreuzes Kaiserberg angelegt.
  • Im Zoo wurde zudem im Juli 2023 ein 350 Quadratmeter großer Eukalyptushain eröffnet.