Duisburg. Es ist der letzte Versuch, das Müll-Problem in Marxloh in den Griff zu bekommen, sagt ein Initiator. Das Projekt geht neue Wege. Ein Ortsbesuch.
„Anfangs war es schon frustrierend, da haben uns Leute ihren Müll einfach vor die Füße geworfen“, erzählt Wolfgang. „Aber wir merken, langsam wird es besser.“ Der 63-Jährige gehört zum Team des neuen Umwelttreffpunkts Marxloh auf der Rolfstraße. Er ist mit seinem Kollegen Martin jeden Tag im Kiez unterwegs. „Die Reviere unserer zehn Helfer haben wir nach der Statistik der Wirtschaftsbetriebe eingeteilt. Sie sind in den Müllhotspots unterwegs“, erklärt Claus Lindner, der das Projekt koordiniert.
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Im Gegensatz zu anderen Mitarbeitern dürfen die Helfer zwar unterstützen, aber nicht die Arbeit der Profis übernehmen. Denn Wolfgang und Martin bekommen ihren Unterhalt vom Jobcenter. Die etwa zwei Euro pro Stunde, die sie für ihr Engagement in Marxloh erhalten, ist eine reine Aufwandsentschädigung.
Neues Projekt soll das Müll-Problem in Marxloh entschärfen
Also helfen sie älteren Damen, ihren Sperrmüll auf die Straße zu schleppen oder befreien Baumscheiben von Müll. Sie planen, diese bald auch noch mit Blumen zu bepflanzen. Gebag, Werbering Marxloh und Wirtschaftsbetriebe haben schon Pflanzenspenden zugesagt. Die Helfer notieren sich aber auch, wo abgemeldete Autos stehen und sprechen Leute an, wenn sie sehen, dass die ihren Müll achtlos auf die Straße werfen.
Das ist eigentlich der Job von Can Demir und Joachim Bischoff. Die beiden sind die Umwelthelfer des Teams und genau das steht auch auf ihren Jacken. Die beiden mussten sich anfangs ein bisschen zusammenraufen. „Sie sind einfach sehr unterschiedlich“, lacht Lindner, „der eine hat eine richtige Marxloh-Schnauze, der andere ist eher sensibel.“ Eigentlich eine gute Mischung, wenn man mit Menschen ins Gespräch kommen möchte.
Ratten haben sich das eine oder andere Terrain gesichert
Sie laufen an einem kleinen, eingezäunten Areal vorbei, das ein hübscher Grünstreifen sein könnte – wenn der Müll nicht wäre. „Das ist Marxloh-Rattenhausen“, sagt Bischoff. In der Tat: Überall sind Löcher zu sehen: Eingänge zu Rattennestern. Solche Ecken wollen sie ausmerzen, aber sie wissen, dass das ein hartes Stück Arbeit wird und dass sie es vielleicht auch nie ganz schaffen werden. Was leere Chipstüten oder Ziagrettenpackungen auf dem Bürgersteig angeht, „darf man auch nicht päpstlicher sein als der Papst.“
Ein Vermieter hat freiwillig den Schlüssel zu seinem Haus rausgerückt. Der dunkle Keller ist total vermüllt, der Innenhof voll mit Unrat. „Hier bauen sich die Ratten eine eigene Stadt auf“, sagt Demir sarkastisch. Ein Mieter, der längst weg ist, hat viel von dem Müll hinterlassen. Jetzt wollen sie Ordnung ins Chaos bringen – gemeinsam mit den Mietern im Haus. Und dabei Erziehungsarbeit leisten. Nein, so geht es nicht. Ja, Müll gehört in die Tonne, auf den angemeldeten Sperrmüll oder den Recyclinghof.
„Die meisten Leute hier denken ja, mit dem Müll, das muss so sein“, sagt Claus Lindner. Dass das nicht so ist, müssen sie lernen. Aber auch so mancher Vermieter ist ein Problem: „Die stellen ihren Mietern zu wenig Mülltonnen und sagen, sie müssen die Tüten an die Straße stellen.“ Auch dann wird Lindner aktiv: Er informiert die entsprechenden Stellen über den Mülltonnenmangel.
Pluspunkte: Der Umwelttreffpunkt ist gut vernetzt, alle schauen über den Tellerrand
Das ist die Idee hinter dem Umwelttreffpunkt: Viele städtische Unternehmen sitzen an einem Standort, können sich direkt austauschen. An der Rolfstraße laufen viele Fäden zusammen, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter laufen mit offenen Augen durch den Stadtteil, gucken über den Tellerrand hinaus. Wenn sie Überbelegungen in einer Wohnung feststellen oder möglicherweise zufällig auf einen Fall von Sozialbetrug stoßen, machen sie Meldung.
Die Umwelthelfer werfen nicht nur mit Wattebällchen. Stellen sie Missstände in einem Haus fest, machen sie den Beteiligten klar, dass sie sie im Blick behalten und „es böse mit einem Bußgeld endet, wenn es nicht aufhört“, so Lindner. Sie fragen die Menschen auf der Straße: „Weißt du, wer den Müll hier hingestellt hat.“ Oft genug wissen sie es und zeigen auf ein Haus: „Die wohnen da.“ Auf der Hagedornstraße erzählt ein Anwohner: „Die stellen ihren Müll hier immer um Mitternacht ab und das richtig laut.“
Aber auch das gehört zur Wahrheit: „Wir hören oft: ,Ich war es nicht.‘ Viele wälzen die Sachen gerne auf andere ab“, sagt Umwelthelfer Bischoff. Sein Kollege Can Demir fügt hinzu: „Viele leben in Marxloh in einer Parallelwelt. Wenn die jemanden anderes sehen, haben sie Angst.“ Das macht Aufklärungsarbeit mitunter schwer.
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Und trotzdem: Obwohl das Projekt erst seit wenigen Wochen läuft, freut sich das Team schon über erste Erfolge: „Die Piazza war noch nie so sauber wie jetzt“, sagt Wolfgang. Tatsächlich sehen sie Anwohner, die selbst zum Besen greifen. „Zum Beispiel die Leute aus dem Nachbarhaus.“ Die Zukunft wird zeigen, ob das Ruder in Marxloh noch rumgerissen werden kann. „Das ist unser letzter Versuch, das Müllproblem in den Griff zu bekommen“, sagt SPD-Ratsherr Dieter Stradmann, der das Projekt mit angestoßen hat.
Am Ende einer Schicht wird der aufgesammelte Müll, den vor allem die sechs Straßenreiniger des Teams aufgesammelt haben, zum Hamborner Recyclinghof gefahren. Bisher kommen Tag für Tag etwa 800 Kilo zusammen – zusätzlich zu dem, was die „normale“ Müllabfuhr aus dem Stadtteil schafft. Weniger wird es sicher nicht werden. Aber Lindner hofft, dass mit der Zeit immer mehr Marxloher verstehen, wie man mit seinem Müll richtig umgeht.